Look back: German Entrepreneurship Circle Berlin zum TOA15
Im Rahmen des Tech Open Air 2015 lud der German Entrepreneurship Circle Berlin (GEC Berlin) am Freitag, 17. Juli 2015 ins BASE_camp, um im direkten Austausch zu klären, wie die Politik das deutsche Startup-Ökosystem fördern kann.
Mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung des Startup-Ökosystems in Deutschland, bringt der GEC Berlin Unternehmer, Lab-Manager, Investoren, Wissenschaftlicher und die Bevölkerung zusammen. Im Austausch wird der Gedanke des Unternehmertums gefördert und im Netzwerk werden gründungsbegeisterte Alumni und Stipendiaten der Studienstiftung des deutschen Volkes durch den GEC unterstützt.
Grundlagen eines dynamischen Gründungsumfelds
In seiner Eröffnungsrede verdeutlichte GEC-Gründer Peter Gräser die Beziehung zwischen Politik und Startups als Notwendigkeit und zugleich als Herausforderung, um ein dynamisches Gründungsumfeld zu schaffen. Junge Unternehmen stellen besondere Anforderungen an die Politik. Aber, so Gräser, sei es immer leicht Forderungen an die Politik zu stellen. In der politischen Handarbeit jedoch mit zu werkeln, sei indes nicht so einfach. Es geht daher um die Entwicklung einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Startup-Gründern und politischen Vertretern.
Das Podium des GEC spiegelte mit Brigitte Zypries (Parl. Staatssekr. im BMWi, SPD) und Thomas Jarzombek, (Sprecher des Bundestagsausschusses Digitale Agenda, CDU), mit Mirco Dragowski (Geschäftsführer des Bundesverband Deutsche Startups, FDP), Robin Tech (Alexander von Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft/Startup Clinics, Gründer von AtomLeap) und Lena-Sophie Müller (Initiative D21) sowohl die politische wie die unternehmerische Seite.
Shamsrizi: Es muss jedem möglich sein, zu gründen
Zum Auftakt der Diskussion skizzierte Key-Note-Sprecher Manouchehr Shamsrizi seine zentralen Ideen, welche gesellschaftlichen Veränderungen durch das Wirken der Startups möglich sind und was auch politisch aus ihrem Handeln erwachsen kann. Insbesondere der gesellschaftspolitische Einfluss junger Unternehmer und Unternehmen sei oft unterdiskutiert und eindimensional betrachtet: „Startups sind eine hervorragende Möglichkeit an der Schraube zu drehen“, sagte Shamsrizi und stellte die These auf, Startups und ihre Geschäftsmodelle hätten das Potential zu einer Verteilungs- und Generationsgerechtigkeit in Deutschland beizutragen. Der demografische Wandel in Deutschland und die daraus resultierenden und bereits jetzt vorherrschenden Probleme sind nach Shamsrizi spannende Themen, die sich als Nischen für Geschäftsmodelle von Startups anbieten. Als Beispiel dafür nannte er etwa das Thema Mobilisierung und ging auch noch einen Schritt weiter: So muss das Ziel sein, „dass wir digitalisiert werden, wo Digitalisierung möglich ist“ und das mit intelligenten Systemen zum Beispiel im Finanz- oder Gesundheitsbereich.
Was die Seite der Politik betrifft, mache es volkswirtschaftlich Sinn, die Gründerszene zu unterstützen. Hierzu brauche es Ökosysteme, die die Gründungskultur fördern und das nicht nur bei jungen Menschen, die aufgrund ihres Backgrounds eine vergleichsweise niedrige Fallhöhe bei der Gründung haben: „Es müsste jedem möglich sein zu gründen“, fasste Shamsrizi die Basis für eine Gründungskultur in Deutschland zusammen.
Zypries weist auf Bedingungen für „neue Gründerzeit“ hin
In einer lebendigen Debatte über Chancen und den Status quo der Startup-Szene in Deutschland, wies Brigitte Zypries zunächst auf die Grundvoraussetzung hin: Der Breitbandausbau ist wesentlich, so die Parlamentarische Staatssekretärin des BMWi. Auch das Thema IT-Sicherheit muss gut und ebenso zeitnah angegangen werden, um eine Industrie 4.0 zu etablieren und eine „neue Gründerzeit“ einzuläuten, wie sie Zypries nannte. Ein weiterer Aspekt ist die grundsätzliche Gründungsmotivation in Deutschland als Unterstützung des Gründungs-Ökosystems. Zypries’ Ziel: „In die Köpfe junger Menschen implementieren, dass Gründen etwas Tolles ist.“ Darüber hinaus engagiert sie sich auch dafür traditionelle Rollenbilder aufzubrechen, die heute noch stark verhaftet sind – denn Klischees erlebt Frau Zypries immer wieder und setzt sich für ein Umdenken ein: „Als Unternehmer Neues zu gestalten und auf den Weg zu bringen, ist wichtig.“
Das Unterschiede aber nicht nur durch veraltete Rollenverständnisse herrschen, sondern auch infrastrukturell in Deutschland vorhanden sind, verdeutliche der Sprecher des Bundestagsausschusses Digitale Agenda, Thomas Jarzombek: So geben Gründer in Düsseldorf ganz anderes Feedback über ihr Umfeld und ihre Bedingungen als jene in Berlin. Die Hauptstadt ist das Zentrum der Startup-Szene, in Düsseldorf sind zum Beispiel weniger Netzwerke vorhanden, was die ungleichen Bedingungen in Deutschland verdeutliche.
Bürokratie schafft Hürden für Startups
Ein heiß diskutiertes Thema beim GEC Berlin war – wenig überraschend – die Bürokratie. Die Startup-Seite des Podiums begrüßte die Forderung nach einem regulationsbefreiten ersten Geschäftsjahr. Dass Startups oftmals Experten und Potential aus dem Ausland akquirieren, verstehen Behörden nur selten, so Shamsrizi. Moderator Peter Gräser fasste dahingehend zusammen: Wir brauchen nicht nur in Schulen und Universitäten ein Umdenken, sondern auch Experten in der Verwaltung!“
Hier bezog die Politik natürlich direkt Position. Jarzombek machte deutlich, wer sich auf das Spielfeld des Staates begibt, muss auch mit den Spielregeln des Staates umgehen. Gleichwohl wies Zypries auf das kürzlich entschiedene Bürokratie-Entlastungsgesetz hin, bei dem auch für Startups „einiges drin“ sei, wie etwa die Bef
reiung von Gerichtspflichten oder den Mindestlohn, ein für Startups ebenso wesentliches Thema. Aber auch Zypries verdeutlichte zum Thema Bürokratie: „Da muss man durch.“
Digitalisierung: Bremse Mittelstand
Förderprogramme, ein ebenso wichtiges Thema für junge Unternehmen, wurden vom Podium kontrovers betrachtet: An sich funktioniert der Förder- und Investment-„Kuchen“ in Deutschland im Zusammenspiel mit privaten Investment, stellten die Startup-Vertreter des Podiums fest. Aufgeworfen wurde allerdings, dass die Unternehmen, die Förderungen annehmen, vielleicht nicht die dynamischsten sind. So wird es zumindest beim Programm EXIST des BMWi wahrgenommen, das Gründerinnen und Gründer aus Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen begleitet. Startups im High Tech Gründerfonds hingegen werden von der Startup-Seite mit einer höheren Dynamik wahrgenommen.
Für Zypries stellt sich grundsätzlich die Frage, wie die Politik Gründer und Gründernetzwerke konkret unterstützen kann, um weiterzukommen. Es bestünde eine Menge Verbesserungspotential. Ihr Ansatz ist die Vernetzung und der Austausch von Startups mit der etablierten Industrie. Bei Events oder in Diskussionsrunden, im direkten Dialog nehme sie zudem viel Input mit. Für noch mehr Eindrücke wurde Zypris prompt zu einer Woche „Urlaub“ in einem der Startups des HIIG eingeladen.
Vergleich USA vs. Deutschland: Skalierbarkeit muss nicht oberste Priorität sein
Die oft angesprochenen Unterschiede der Gründerkultur in Deutschland im Vergleich zu den USA hinken, so Robin Tech, denn „die USA gibt es nicht.“ Nur in wenigen Regionen (Bay Area, Boston und New York) passiert einiges, aber eben nicht überall. Von daher müsste sich Deutschland nicht verstecken. Insbesondere auch, weil hierzulande Geschäftsmodelle gefördert werden, die nicht auf den schnellen Exit aus sind, wie es in Übersee zu beobachten sei. Und genau das ist, so Tech, zugleich auch eine Chance für den Staat: Auf einer Metaebene könnten Modelle verstärkt in Hinblick auf soziale und ökologische Aspekte gefördert werden. Am Ende geht es vielleicht nicht immer um die Skalierbarkeit von Geschäftsmodellen.
Dennoch lieferte der Vergleich der USA mit Deutschland Einblicke in den Umgang mit Businessmodellen: Ist die vorher kalkulierte Tragfähigkeit von Geschäftsmodellen hierzulande eine zentrale Grundlage, begannen etwa Google und Co. ihre Tätigkeit ganz ohne Businessmodell und entwickelten es Schritt für Schritt.
Ein weiterer Vergleichsaspekt: Der Forschungstransfer. Er funktioniert in Deutschland nicht so dynamisch, wie in den USA, so Jarzombek: Ein prominentes Beispiel dafür sei die MP3, die zwar am Fraunhofer Institut in Deutschland erfunden wurde, das dazu notwendige Abspielgerät hingegen nicht – „Das hätte sich auch jedes deutsche Unternehmen greifen können“, stellte er kurzerhand fest.
Vergleicht man die Kulturen in Deutschland und USA ist darüber hinaus der verschiedene Umgang mit Lebensläufen auffällig. Lena-Sophie Müller wies darauf hin, dass der Wechsel von Verwaltung in die Wirtschaft und zurück in Deutschland eher unüblich ist. Dies sei in den Vereinigten Staaten anders. Und in diesem Punkt sei nicht der Staat in der Pflicht und eine Lösung vorzugeben, sondern die Startups selbst.