Lieber Schlaglöcher als Funklöcher – Video des UdL Digital Talk mit EU-Kommissar Günther Oettinger
Nichts Geringeres als die digitale Zukunft Europas stand am 2. Mai 2016 beim UdL Digital Talk mit Günther Oettinger im Mittelpunkt. Der EU-Kommissar für die Digitale Wirtschaft und Gesellschaft diskutierte im Telefónica Basecamp mit dem Gründer und CEO der auf komplexe Datenanalysen spezialisierten Teralytics AG, Georg Polzer. Ihr Thema: die Voraussetzungen für den Erfolg Europas im globalen Wettstreit um die Spitzenplätze in der digitalen Welt. Dabei machte Oettinger von Beginn an klar: „Die digitale Revolution kann nur gemeinsam gemeistert werden!“. Die Bereitschaft dazu, sieht Oettinger, sowohl im Europäischen Parlament als auch in den 28 Mitgliedsstaaten der Union. Die Highlights der Debatte finden sich hier in der Online-Ausgabe des UdL Digital Talks.
Weniger konsumieren, mehr investieren
Neben gemeinsamen Standards für Technik, Datenschutz und Urheberrecht brauche es allerdings auch die notwendige Infrastruktur und ein Ausbildungssystem, das fit macht für die Herausforderungen der Digitalisierung. „Wir müssen weniger in unserer Generation konsumieren und mehr in die zukünftige Generation investieren“, machte der Digitalkommissar auch vor dem Hintergrund der aktuellen Rentendebatte deutlich. Investitionen in die digitale Infrastruktur – wie Breitband und 5G – sowie in eine bessere Aus- und Weiterbildung müssten daher oberste Priorität haben. „Wir dürfen in Zukunft über Schlaglöcher fahren, aber nicht mehr durch Funklöcher“, sagte Oettinger. Georg Polzer bemängelte in diesem Zusammenhang die Start-up-Förderung in der EU. Bisher werde in Europa „nur mit der Gießkanne gefördert“. Er vermisse ein „digitales Manhattan-Project“. Oettinger hält mit Blick auf digitale Start-ups die Aktivierung öffentlichen und privaten Kapitals für notwendig und kündigte eine „Verdoppelung und Verdreifachung“ der Mittel für EU-Förderinstrumente „in den nächsten Jahren“ an.
„Die Telekommunikationsunternehmen sind unsere Googles, Apples und Facebooks“
Neben der Bedeutung digitaler Start-Ups hob Günther Oettinger die Rolle der Europäischen Telekommunikationswirtschaft hervor: „Die Telekommunikationsunternehmen sind unsere Googles, Apples und Facebooks“. Die europäische Regulierung der Branche müsse daher in jedem Fall den Wettbewerb fördern, den Unternehmen dabei aber auch die Möglichkeit lassen, Gewinne zu erwirtschaften, damit sie in die Infrastruktur der Zukunft investieren können. Der Gründer Georg Polzer setzt hingegen eher auf die jungen digitalen Unternehmen als „Wachstumsmotor“ für Europa.
Weniger Regulierung in Europa
Einigkeit herrschte beim Thema Deregulierung. Oettinger trat für weniger statt mehr Regulierung in Europa ein, was Georg Polzer klar befürwortete. Sein junges Unternehmen ist Spezialist für die Analyse anonymer Mobilfunkdaten und gewinnt daraus wertstiftende Informationen über Bewegungsströme und Interessen der Bevölkerung. „Zu starke Regulierungen im Kampf gegen die großen Facebooks und Googles dieser Welt zerstören auch die zarten europäischen Startup-Pflänzchen im Keim“, betonte der junge Gründer.
Einen europäischen Ansatz sieht Oettinger in der Datenschutzgrundverordnung, die 2018 in Kraft tritt, und es dann nur noch jeweils eine Behörde als Ansprechpartner für die Unternehmen gibt. Er geht sogar noch einen Schritt weiter: „Wir brauchen ein digitales BGB. Die Frage ist, ob der Bundestag bereit ist, Fragen von digitalem Eigentum zu europäisieren anstatt sie im nationalen Recht zu behalten.“
Eine andere Kultur ist gefragt
Einig waren sich Oettinger und Polzer auch in der Einschätzung, dass es mehr als Geld brauche, um die junge und kreative Digitalbranche in Europa zu entwickeln und zu halten. Eine andere Kultur sei gefragt. Statt vor neuen Geschäftsmodellen Angst zu haben und zu versuchen, sich mit Hilfe von Regulierung abzuschotten, sollte es vielmehr das Ziel sein, die nächsten WhatsApps und Facebooks in Europa zu gründen, so Polzer. „Junge digitale Unternehmen“, so der Teralytics-CEO, „werden den Wohlstand der Zukunft bringen.“ Oettinger kritisierte die fehlende Kultur des Scheiterns in Deutschland, womit das Land in Europa seiner Ansicht nach alleine dasteht. „Es bedarf mehr Mut bei Start-ups und eine Kultur, die Scheitern und einen Neuversuch zulässt. Auch auf Seiten der Banken“, so der EU-Kommissar.
Im Angesicht großer Herausforderungen für das Projekt Europa wie der Flüchtlingskrise, der weiterhin schwelenden Staatsschuldenkrise in Griechenland und dem Referendum über die Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU sieht Günther Oettinger im Digitalen Binnenmarkt ein Ziel, auf das sich proeuropäische und euroskeptische Regierungen verständigen können. Die gemeinsame digitale Zukunft ist somit eine Chance für den Erfolg Europas und seiner Unternehmen.