Künstliche Intelligenz: Jetzt wird’s ernst
177 Seiten fasst der Koalitionsvertrag der neuen Großen Koalition. Einen Überblick über alle Maßnahmen zu bekommen, die die Regierungsparteien in den kommenden dreieinhalb Jahren umsetzen wollen, ist keine leichte Aufgabe. Auch wer sich in den Verhandlungen durchgesetzt hat und die meisten Themen aus seinem Regierungsprogramm platzieren konnte, wird in der Berliner Politikbubble heiß diskutiert. Die Forscher des Unternehmens ThingsTHINKING haben deshalb Künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt, um den Groko-Vertrag daraufhin zu untersuchen. Genauso interessant: Wie viel zum Thema Künstliche Intelligenz selbst steckt eigentlich im Koalitionsvertrag? Das Thema wird schon lange in Fachkreisen diskutiert, aber ist mit dem Koalitionsvertrag die Zeit der Künstlichen Intelligenz jetzt endlich auch in Deutschland gekommen?
Was steht drin?
Während die Politik das Thema KI lange stiefmütterlich behandelte, nimmt es nun – mit Blick auf den Koalitionsvertrag – konkrete Formen an. Deutschland soll zu einem weltweit führenden Standort bei der Erforschung von künstlicher Intelligenz werden. Hierzu wollen die Regierungsparteien aus der 2017 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gegründeten Plattform Lernende Systeme heraus ein Nationales Forschungskonsortium für künstliche Intelligenz aufbauen. Ein öffentlich-verantwortetes Forschungszentrum für KI ist in Zusammenarbeit mit Frankreich geplant. Neben der Förderung zur Erforschung sogenannter Schlüsseltechnologien der Digitalisierung, wozu die Koalitionäre auch KI zählen, soll es eine Förderung sozialer und geisteswissenschaftlicher Begleitforschung geben. Dafür wollen die Koalitionäre das in Berlin ansässige Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft fördern.
Um die Veränderungen, die KI mit sich bringt, zu verstehen, geltendes Recht durchzusetzen und eventuell neue Gesetzgebung auf den Weg zu bringen wollen die Regierungsparteien außerdem einen „Masterplan künstliche Intelligenz auf nationaler Ebene“ aufsetzen. Was da drin stehen soll? Das wissen Union und SPD selbst noch nicht so genau. „Ich bereite gerade erst ein Excel-Sheet vor“, hatte der CDU-Digitalpolitiker Thomas Jarzombek bei einer Veranstaltung des Aspen-Instituts zu Künstlicher Intelligenz verraten– mit den digitalpolitischen Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag. Das Problem in Deutschland sei, dass Unternehmen noch nicht ausreichend in KI-Technologien investieren, so Jarzombek. Es müsse die Führungsaufgabe der Politik sein, die Wirtschaft dazu zu bringen, diese Richtung einzuschlagen. Auch die EU-Kommission will dazu im April eine europäische Initiative vorstellen.
Grundwerte für KI
Von „tiefgreifenden Veränderungen“, einem „Paradigmenwechsel“ oder Aufbruch ins „kognitive Zeitalter“ ist in Bezug auf KI häufig die Rede. Schon diese Begriffe implizieren, dass das Thema KI komplex ist. Denn es geht nicht nur um technische, sondern vor allem auch um ethische und rechtliche Fragestellungen. Dafür soll in der neuen Legislaturperiode eine Ethik-Kommission eingesetzt werden, die die Politik zu Themen wie Künstliche Intelligenz, Algorithmen oder Big Data berät.
Mehrere Verbände, darunter u.a. der Digitalverband Bitkom, das SPD-nahe Zentrum für Digitalen Fortschritt (D64) und die Initiative D21, haben in Positions- und Thesenpapieren versucht, die ihrer Ansicht nach drängendsten Fragen zu notieren und inhaltliche Impulse zur Ausgestaltung von KI zu setzen. Grundsätzliche gesellschaftliche Fragestellungen sind laut der Initiative D21 etwa: Wird es Bereiche geben, in denen Maschinen eigenständige Entscheidungen fällen dürfen, wenn ja, nach welchen Kriterien? Wie werden Mensch-Maschine-Interaktion und Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt verändern und welchen Wert hat menschliche Arbeit? Thomas Langkabel, National Technology Officer von Microsoft Deutschland und Vorstand bei der Initiative D21, findet:
„Es ist Zeit, dass wir die nötigen gesellschaftlichen Diskussionen dazu führen.“
D64 bekräftigte Ende Februar in seinem Thesenpapier, dass drei Grundwerte – Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität – als Kompass dienen sollten. Entscheidende Regelungen zur Gewährleistung von Freiheit seien etwa eine Kennzeichnungspflicht, wenn KI eingesetzt wird, sowie eine Transparenz-Pflicht, wenn es sich um eine Verwendung von personenbezogenen Daten handelt. Zum Punkt Gerechtigkeit schreibt D64, dass Algorithmen alle Mitglieder der Gesellschaft gleich behandeln müssten.
„Wir brauchen eine Kontrolle darüber, dass ein Algorithmus, auf den man sich verlassen können muss, diskriminierungsfreie Trainingsdaten verwendet und dies nachprüfbar ist“, heißt es in dem Papier.
„Es muss sichergestellt werden, dass es zu keinen Benachteiligungen unterrepräsentierter Personenkreise kommt“, schreibt D64 weiter.
Auch dagegen sprechen sich Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag aus.
Ausbildung zum KI Manager
Der Digitalverband Bitkom ist sich sicher – KI, Maschinelles Lernen und Autonome Systeme werden die Entwicklung von Unternehmen in den kommenden Jahren entscheidend beeinflussen. Um Entscheidungsträger in Unternehmen schon jetzt darauf vorzubereiten, was das für das eigene Unternehmen bedeutet, hat der Verband in Kooperation mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) einen bisher einzigartigen Zertifikatslehrgang „Ausbildung zum KI Manager“ entwickelt. Darin geht es vor allem darum, den Teilnehmern die Grundlagen von Künstlicher Intelligenz zu vermitteln und KI-Dienste und Services im Internet zu erproben.