Künstliche Intelligenz: Fluch oder Segen für die Nachhaltigkeit?

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Veröffentlicht am 29.06.2020

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Künstliche Intelligenz kann unter den richtigen Bedingungen helfen, Ökosysteme und das Klima nachhaltig zu schützen sowie Ressourcen effizienter zu nutzen. Die Bundesregierung will nun 40 Millionen Euro zur Förderung von KI-Leuchtturmprojekten bereitstellen.

Die Liste der potenziellen Anwendungsfelder Künstlicher Intelligenz (KI) im Bereich von Umwelt- und Klimaschutz ist lang. Mit KI können Verkehrsflüsse optimiert, Naturkatastrophen präziser vorhergesagt, bedrohte Arten geschützt oder das Abfallmanagement von Großstädten besser organisiert werden. Im Rahmen der KI-Strategie der Bundesregierung startete das Bundesumweltministerium (BMU) im August letzten Jahres eine Förderinitiative für „KI-Leuchttürme für Umwelt, Klima, Natur und Ressourcen“. Eingereicht werden konnten Projekte, die durch den Einsatz von KI beispielgebend für eine „umwelt-, klima-, gesundheits- und naturgerechte Digitalisierung“ sind. Über zwei Förderlinien, sollen die Projekte von der Konzeption (Förderlinie 1) bis zur Umsetzung in einem höheren Reifegrad (Förderlinie 2) begleitet werden (BASECAMP berichtete). Insgesamt stellt das BMU dafür 40 Millionen Euro bereit. Eingereicht wurden rund 300 Projekte – davon 200 für die Förderlinie 1 und 100 für die Förderlinie 2. Bis jetzt sind laut BMU insgesamt 26 Projekte ausgewählt worden, 13 je Förderlinie. Weitere sollen im nächsten Quartal folgen.

Hoher Energie- und Ressourcenverbrauch

Zur Rettung von Klima und Umwelt sei KI keine Allzweckwaffe, aber immerhin ein Schritt zu mehr Klimaschutz: „Das kann eine KI-Lösung sein, die dabei hilft, deutsche Wälder robuster zu machen und auf die Auswirkungen des Klimawandels vorzubereiten. Das kann aber auch eine App sein, die Mobilitätsangebote so kombiniert, dass ich den Weg von A nach B mit möglichst wenig Emissionen zurücklegen kann“, erklärte Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Wie KI zum Artenschutz bei Windkraftvorhaben beitragen kann, zeigt das Projekt „PRIA-WIND“, das Teil des Förderprogramms ist. Entwickelt werden soll ein Verfahren, mit dem die Abschaltalgorithmen, die für viele Windenergieanlagen (WEA) gesetzlich vorgeschrieben sind, unabhängig nachgeprüft werden können. Denn bisher seien Kamera- und Thermografie-Monitoringsysteme von WEA nicht in der Lage, Vögel und Fledermäuse zuverlässig zu erkennen.

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Doch KI hat auch eine Schattenseite: Sie verbraucht viel Energie. Besonders viel Strom wird für das sogenannte Deep Learning benötigt. Bei diesem Prozess analysieren künstliche neuronale Netze riesige Mengen an Daten und erstellen eigenständige Prognosen. Das Trainieren komplexer Deep-Learning-Modelle sorgt so für einen CO2-Ausstoß von rund 0,65 Tonnen. Dies entspreche einem Hin- und Rückflug von Berlin nach Madrid. Werden die Rechenzentren aber zum Teil oder in Gänze mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt, sinkt der CO2-Ausstoß von KI-Prozessen entsprechend.

Um die Entwicklungen rund um die KI im Blick zu behalten, haben sich 14 Staaten und die Europäische Kommission zu einer KI-Partnerschaft zusammengeschlossen. Deutschland ist eines der Gründungsmitglieder der „Global Partnership on Artificial Intelligence“ (GPAI). Ziel sei es, einen „verantwortungsvollen Einsatz von KI auf der Grundlage der Menschenrechte, den Grundfreiheiten, von Inklusion, Diversität, Innovation, Wirtschaftswachstum und Gemeinwohl als auch zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) zu unterstützen und begleiten“.

Klimaschutzpotenzial der Digitalisierung steigern

Wie sich digitale Technologien im Allgemeinen auf die Umwelt auswirken, untersuchte der Branchenverband Bitkom in einer aktuellen Studie. Darin formulierte Empfehlungen sollen das Potenzial der Digitalisierung für den Klimaschutz erhöhen und Risiken mindern. Die Studie unterschied in „direkte“ und „indirekte“ Umweltauswirkungen.

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Direkte Umwelteffekte sind Emissionen sowie der Verbrauch von Ressourcen, die beim Betrieb und bei der Herstellung von digitaler Hardware und Infrastrukturen anfallen. Da IKT-Endgeräte und Unterhaltungselektronik den größten Anteil der Treibhausgas-Emissionen ausmachen, sei es umso wichtiger, die Energiebedarfe in der Nutzungsphase einzelner Geräte zu senken. Herstellungsprozesse müssten demnach mit weniger Treibhausgas-Emissionen erfolgen und die Nutzungsdauer sowie Wiederaufbereitung von elektronischen Geräten gesteigert werden.

Videokonferenz statt Flug in der Business-Klasse?

Indirekte Umweltauswirkungensind dagegen „Veränderungen bestehender Produktions- und Konsummuster“, die sich aus der Anwendung digitaler Technologien ergeben. Doch im Gegensatz zu den direkten Effekten könnten diese Veränderungen in beide Richtungen wirken – also Treibhausgas-Emissionen erhöhen oder senken. So kann der Einsatz von Videokonferenz-Systemen den Flugverkehr von Geschäftsreisenden verringern und damit Emissionen vermeiden.

Andererseits haben Flugbuchungsplattformen zur Entstehung des Billigflugsektors und damit zu einer Zunahme des Flugverkehrs beigetragen. Tatsächliche Einspareffekte würden dann durch veränderte oder vermehrte Nutzung zunichte gemacht – was als Rebound-Effekt bezeichnet wird. Ein damit verwandter Effekt ist der sogenannte „Induktionseffekt“. Hier geht es darum, dass digitale Technologien eine Nachfrage nach Dingen erzeugen, die es ohne sie nicht geben würde. Beispielsweise können wir durch die Mittel der modernen Kommunikation Kontakte in der ganzen Welt pflegen – wodurch aber auch der Wunsch entstehen kann, diese einmal persönlich zu besuchen.

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