Kriegsjournalistin Julia Leeb zu Gast bei Digital Masterminds: Manipulation oder Emotionsmaschine? Virtual Reality verändert den Journalismus
Im Telefónica BASECAMP diskutierte die Kriegsfotografin Julia Leeb mit Journalisten und Experten über den Trend Virtual Reality. Aktueller hätte das Thema kaum sein können: Anfang der Woche trommelte Facebook-Chef Mark Zuckerberg auf dem Mobile World Congress für Virtual Reality. Ein Tag später war die neue Technik bereits Thema im Telefónica BASECAMP in Berlin. In der Reihe Digital Masterminds war die Kriegsfotografin und Virtual Reality-Journalistin Julia Leeb zu Gast. Gemeinsam mit anderen Journalisten und Experten diskutierte sie über: „Manipulation oder Emotionsmaschine? – wie Virtual Reality den Journalismus verändert“. Moderiert wurde die Veranstaltung von Anja Heyde vom ZDF Morgenmagazin.
360 Grad-Videos aus der Ich-Perspektive
Virtual Reality (VR) ist derzeit eines der Trendthemen. Als 360-Grad-Video erlaubt die neue Technologie dem Betrachter nicht nur, selber die Perspektive zu wählen. Er bekommt auch das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein. Dieser Effekt, mit einer speziellen Video-Brille unterschiedliche Situationen und Orte aus der Ich-Perspektive zu erfahren, bietet völlig neue Möglichkeiten der Bildsprache und auch der emotionalen Ansprache. „Mächtiger als Kino“ sei diese neue Technik, urteilt die Süddeutsche Zeitung. Die New York Times und andere Medien experimentieren bereits mit Virtual Reality – einige dieser VR-Filme konnten die Besucher der Digital Mastermind Veranstaltung vor Ort live testen. Und ganz aktuell: Bei Telefónica Deutschland bekommen Kunden jetzt gratis die VR-Brille Samsung Gear VR dazu, wenn sie die neuen Samsung-Smartphones Galaxy S7 oder Galaxy S7 edge bei o2 vorbestellen.
Den Krieg im Kongo erlebbar machen
Die Fotografin Julia Leeb, die für ihre Langzeitprojekte immer wieder in Kriegs- und Krisengebiete reist, ist eine der ersten Journalistinnen in Deutschland, die Virtual Reality in ihrer Arbeit einsetzt. Ihren ersten VR-Film drehte sie alleine in Afrika und besuchte dafür berüchtigte War Lords im Kongo. „Ich bin mir sicher, dass die neue Technologie den Journalismus von Grund auf verändern kann“, sagte Leeb im BASECAMP. Denn VR habe eine Unmittelbarkeit und Intimität, die traditionelle journalistische Erzählformen so nicht entfalten könnten. Aus „Fern-sehen“ werde durch VR „Fern-sein“. Allerdings müsse VR wie jede neue Technik richtig eingesetzt werden, um Manipulationen zu vermeiden. „Wir sind verantwortlich, dass die virtuelle Realität auch Realität bleibt“, sagte Leeb.
„Es kommt darauf an, was wir daraus machen“
Verantwortung im Umgang mit der neuen Technologie forderte auch der frühere Wikileaks-Sprecher und heutige Autor Daniel Domscheit-Berg. Für Virtual Reality gebe es unendlich viele Anwendungen. „Es kommt darauf an, was wir daraus machen“, so Domscheit-Berg. Kritisch sehe er beispielsweise den Einsatz von VR in sozialen Medien. Wenn VR die Realität ersetze und keine oder weniger „realen Interaktionen“ des wirklichen Lebens stattfänden, sei dies bedenklich.
Der Journalist Lorenz Matzat, der an einem VR-Projekt über eine geplante Autobahn in Berlin arbeitet, betonte die Chancen, die in der neuen Technik stecken. Virtual Reality stehe „für eine neue Qualität, was wir medial zeigen können“, sagte Matzat. So könnten Nutzer beispielsweise mit VR die Besteigung des Mount Everest miterleben, auch wenn sie im realen Leben weder das Geld noch die Fitness für eine solche Expedition hätten. Der Nutzer könne virtuell an unzugängliche Orte wie in ein Blutgefäß oder auf den Mars versetzt werden. Große Potentiale gebe es auch in der Bildung. VR stecke noch in den Kinderschuhen, so Matzat: „Die Technik wird erst in zehn Jahren in der Blüte stehen.“
Die Demokratisierung des Publizierens
Für Professor Bernhard Pörksen, Medienwissenschaftler an der Universität Tübingen, ist Virtual Reality eine „Sehnsuchts-Technologie“. Viele der aktuellen Trends und Strömungen, etwa der Wunsch nach direkter Erfahrung und Emotionalität, würden sich in VR widerspiegeln. Zugleich stelle die Technik den Journalismus vor neue Herausforderungen. Indem heute jeder mit dem Handy filmen und Beiträge ins Internet stellen könne, erlebe man eine „Demokratisierung des Publizierens“, die sich durch VR noch verstärken könnte.
Medienkompetenz des Einzelnen wir immer wichtiger
Braucht es künftig also überhaupt noch Journalisten, wenn jeder Nutzer zum potentiellen Berichterstatter wird? – so die Frage von Moderatorin Anja Heyde. Die Teilnehmer auf dem Panel waren sich einig, dass auch in Zukunft Journalisten als moralische Instanz und zur Einordnung von Ereignissen wichtig sind, auch wenn sich ihre Rolle verändern wird. Und auch in einem anderen Punkt herrschte Einigkeit. Mit neuen Technologien wie Virtual Reality steigen die Anforderungen an Medienkompetenz für den Einzelnen. Es sei „längst überfällig“, an den Schulen ein Medienfach einzuführen, forderte Julia Leeb. Denn nur wenn man geschult sei, Bilder und Inhalte auch zu hinterfragen, könne man die neuen digitalen Medien souverän nutzen.
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Fotos: Christian Klant