Klimakiller oder Klimaretter: Wie nachhaltig ist die Digitalisierung?
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Foto: Henrik Andree
Was muss sich in der Wirtschaft und Politik ändern, damit die digitale Transformation nicht zum Brandbeschleuniger für den Klimawandel wird? Dieser und weiteren Fragen widmete sich die Data Debate #14 von Tagesspiegel und Telefónica Deutschland am 24. Oktober im BASECAMP. Die Antwort in Kürze: Geht es um die Pariser Klimaziele, hat die Digitalisierung eine wichtige Rolle zu spielen.
Wie viel Strom verbraucht eigentlich die Digitalisierung? Sind unsere Daten ein Klimakiller? Diese Fragen diskutierten Valentina Daiber, David Nelles, Linus Steinmetz und Martin Wimmer im ersten Teil der Data Debate #14 im BASECAMP. „Die Tendenz des Stromverbrauchs im Digitalbereich ist zwar steigend, aber ohne die Digitalisierung sind die Ziele von Paris nicht zu schaffen“, sagt David Nelles. Für sein Buch „Kleine Gase – Große Wirkung: Der Klimawandel“ hat er sich intensiv mit dem Klimawandel und seinen Ursachen beschäftigt.
Ganz ähnlich sieht es auch Linus Steinmetz, Sprecher von Fridays for Future: „Man muss das in Relation betrachten: Milliarden von Menschen nutzen das Internet und digitale Produkte. Im Vergleich dazu sind Flugreisen, die nur von einer kleinen Elite genutzt werden, viel klimaschädlicher.“ Doch auch unter den digitalen Technologien gäbe es Energiesünder. „Die Blockchain-Technologie zum Beispiel ist aus klimapolitischer Sicht eine Katastrophe. Da müssen wir Alternativen finden.“
Gesparter Strom ist auch gespartes Geld
Klimaschutz bei Konzernen sieht auch Linus Steinmetz positiv. Trotzdem kritisiert er, dass die Klimabilanz auf dem Papier häufig besser aussehe als in der Realität. „Google zum Beispiel sagt, sie wären 100 Prozent dekarbonisiert. Aber trotzdem kommt ein Teil des Stroms aus Kohle und Gas. Das kompensiert Google mit Ausgleichszahlungen.“ Für Klimaschutz gebe es auch ökonomische Anreize, betont der Fridays for Future-Sprecher: „Klimaschutz kann sich auch ökonomisch rechnen. Am Ende ist gesparter Strom auch gespartes Geld.“
Martin Wimmer sieht nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik Nachholbedarf. „Es gibt zwar schon die umweltpolitische Digitalagenda des Umweltministeriums, aber auf Gesetzesebene muss noch mehr für den Klimaschutz passieren.“ Auch müsse der Konsum nachhaltiger werden, so der Chief Digital Officer. „Es kann nicht sein, dass wir uns alle paar Jahre ein neues Handy kaufen, weil uns das die Werbung suggeriert.“ Viele Mobilfunkunternehmen bieten Kunden aus diesem Grund die Möglichkeit, gebrauchte Handys abzugeben, um diese zu recyclen. Doch für Martin Wimmer reicht das noch nicht aus. Er wünscht sich für die Verbraucher ein „Right-to-Repair“.
Ohne Digitalisierung kein Klimaschutz
Wo liegen die Chancen, wo die Gefahren des digitalen Wandels? Um diese Frage drehte sich der zweite Teil der Debatte. „Bei Hardware werden immer die physischen Grundbedingungen ein Problem sein. Unsere Technologien werden immer ein Faktor im Stromverbrauch sein”, sagt dazu Linus Steinmetz. Gleichzeitig sei Digitalisierung aber auch eine Chance. So könnten neue Technologien wie Künstliche Intelligenz den Stromverbrauch optimieren und Videokommunikation Dienstreisen ersetzen.
Auch die anderen Teilnehmer sind sich einig: Ohne Digitalisierung kein Klimaschutz. Ein großes Potenzial sieht Valentina Daiber, Vorstand Recht und Corporate Affairs bei Telefónica Deutschland, beispielsweise in der Analyse von Mobilfunkdatenaten, wie ihr Unternehmen sie anbietet. Diese kämen etwa der Stauvermeidung oder der Stärkung des Nahverkehrs zugute. Dabei müssen Unternehmen allerdings darauf achten, dass auch der Datenschutz gewahrt wird.
Vorsicht vor dem Rebound-Effekt
„Digitalisierung hat den Vorteil, dass sie sehr viel Transparenz schafft“, ergänzt David Nelles. Wo ist der Stromverbrauch besonders hoch? Wo kann Energie eingespart werden? Solche Fragen ließen sich mit digitaler Technologie sehr genau beantworten. Daher sei die Digitalisierung für die Energiewende unverzichtbar. Das Problem mit erneuerbaren Energien sei, dass sich Strom schlecht „parken lasse.“
Mithilfe digitaler Technologien könne der Energiebedarf mit der Stromproduktion gekoppelt werden. „Dann würde meine Waschmaschine erst dann anspringen, wenn Stromspitzen im Netz sind.“ Außerdem sei es möglich, Wetterdaten mit Windkraftanlagen zu vernetzen. Gleichzeitig warnt Nelles jedoch vor dem Rebound-Effekt: „Eingesparte Innovationen dürfen nicht an anderer Stelle wieder freigesetzt werden.“
Lebhafte Debatte beim Thema Regulierung
Bei der Frage, wie groß die Rolle des Staates beim Klimaschutz sein sollte, gehen die Meinungen auseinander. Freiwillige Selbstverpflichtung sieht Linus Steinmetz zwar positiv, dies sei jedoch nicht genug. Er wünsche sich eine stärkere Rolle des Staates und Mindeststandards beim Klimaschutz: „Das Ozonloch konnten wir nur schließen, weil die Politik FCKW-Mittel konsequent verboten hat.“ Dem schließt sich auch Martin Wimmer an: „Die Politik muss beim Klimaschutz mehr regulieren. Umweltverschmutzung ist ja kein Naturphänomen, sondern wird von Wirtschaft, Industrie und dem Verbraucher verursacht.“
Den Ruf nach mehr Regulierung hält Valentina Daiber für eindimensional. Auch aus eigenem Antrieb setzen sich Unternehmen fürs Klima ein. Zum Beispiel gehe Telefónica jedes Jahr neue Verpflichtungen für den Klimaschutz ein und unterwerfe sich externen Prüfungen. „Ich glaube fest daran, dass es durch freiwilligen Klimaschutz zwischen Unternehmen einen Wettbewerb gibt.“ So hat ihr Unternehmen das selbstgesteckte Ziel, den Energieverbrauch pro Datenvolumen (in GWh/PB) bis 2020 gegenüber 2015 um 40 % zu reduzieren, bereits ein Jahr vorher übererfüllt.
Auch wenn Linus Steinmetz Klimaschutz klar als Aufgabe des Staates sieht, muss er zustimmen: „Im Dialog mit Konzernen hören wir immer wieder, dass Konzerne sich selbst regulieren und schneller handeln, weil die Politik es nicht tut.“
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Diskutanten, trotz erhöhtem Stromverbrauch davon ausgehen, dass der Nutzen digitaler Innovationen beim Klimaschutz überwiegt.