Klaus Vitt (BMI): Das Ergebnis muss immer im Vordergrund stehen
Nach eineinhalb Jahren Bundestagsausschuss Digitale Agenda und einem Jahr Digitale Agenda der Bundesregierung möchten wir erfahren, welche Ergebnisse erreicht wurden und wo aus Sicht der politischen Entscheider noch etwas zu tun bleibt. Heute stellt sich Klaus Vitt, Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren und IT-Beauftragter der Bundesregierung, unseren Fragen zur Digitalpolitik in Deutschland.
Herr Vitt, seit dem 1. Oktober sind Sie Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik. Was ist das erste Projekt, das Sie angehen werden?
Aufgrund der Aufgabenvielfalt habe ich mir vier Schwerpunkte gesetzt, die ich als Bundesbeauftragter voranbringen möchte:
- die Digitalisierung des Asylverfahrens,
- die Konsolidierung der IT der Bundesverwaltung,
- die Konsolidierung der IT-Netze des Bundes sowie
- die Gewährleistung der IT-Sicherheit.
Sie bringen Erfahrung aus der Wirtschaft in die deutsche Bundesverwaltung. Sie waren bei Bertelsmann und der Deutschen Telekom, sind dann zur Bundesagentur für Arbeit und jetzt ins Bundesinnenministerium gewechselt. Was nehmen Sie von diesen Stationen mit für Ihren jetzigen Aufgabenbereich?
Wenn man als Manager erfolgreich sein möchte, muss man sich auf das Wesentliche konzentrieren. Hierbei muss immer das Ergebnis im Vordergrund stehen.
Die Digitale Agenda ist seit einem Jahr der Leitfaden für die Digitalisierungspolitik. Wie bewerten Sie die bisherigen Ergebnisse? Wo ist Deutschland schon gut aufgestellt? Wo gibt es Vorbilder für Verbesserungen?
Der Fortschrittsbericht zeigt, dass wir bei der Umsetzung der Digitalen Agenda ein gutes Stück vorangekommen sind. Mit dem Kabinettbeschluss zum E-Health-Gesetz wurde etwa die Grundlage zur Integration von Telemedizin und Stärkung der Interoperabilität von IT-Systemen im Gesundheitswesen gelegt. Im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums des Innern wurde das IT-Sicherheitsgesetz erarbeitet, das im Juli in Kraft getreten ist. Schwerpunkte des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur sind der Breitbandausbau und die Digitalisierung der Straßeninfrastruktur. Auch hier sind etwa mit der Frequenzversteigerung oder der Einrichtung des „Digitalen Testfeldes Autobahn“ wichtige Zwischenziele erreicht worden.
Optimierungsbedarf gibt es offensichtlich bei der Registrierung von Asylbewerbern. Die Bearbeitungsprozesse dauern oft sehr lange, viele Vorgänge wiederholen sich auf den unterschiedlichen Ebenen. Stehen rechtliche oder technische Hürden eine Beschleunigung im Wege?
Am gesamten Asylprozess sind eine ganze Reihe an Behörden aus Bund, Ländern und Kommunen beteiligt. Jede Behörde hat dabei ihr eigenes IT-Verfahren. Die einzelnen IT-Verfahren sind nur zum Teil vernetzt. Dies führt dazu, dass Daten mehrfach eingegeben werden müssen. Ziel des neuen Asylprozesses ist, dass künftig alle Daten, die für den Gesamtprozess benötigt werden, einmalig erfasst und in einem „Kerndatensystem“ gespeichert werden. Von dort werden sie dann den anderen beteiligten Behörden über Schnittstellen, die nach und nach entwickelt und ausgebaut werden, zur Verfügung gestellt. Neben den technischen gibt es auch rechtliche Punkte, die noch zu klären sind. Für die Umsetzung des optimierten Asylverfahrens wird ein „Gesetz zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustausches zwischen am Asylverfahren beteiligten Behörden zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken“ auf den Weg gebracht.
Unter der Überschrift „Innovativer Staat“ kündigt die Digitale Agenda die „digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung“ an. Was sind die nächsten Schritte und wie nehmen Sie die Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung bei der Transformation mit?
Mit dem Regierungsprogramm „Digitale Verwaltung 2020“ werden im Handlungsfeld Innovativer Staat die Maßnahmen und Schlüsselvorhaben zur Umsetzung des E-Government-Gesetzes gebündelt. Im Fokus stehen ein einfacher, sicherer, elektronischer Zugang der Bürger und Unternehmen zum Dienstleistungsangebot der Verwaltung sowie medienbruchfreie Verwaltungsverfahren bei den Modernisierungsmaßnahmen und der Konzeption von Dienstleistungen.Digitale Angebote der Behörden benötigen eine intensive Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit der Digitalisierung ändert sich die Arbeit in der Verwaltung. Das birgt große Chancen, etwa für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es bedeutet aber auch eine große Umstellung für die Beschäftigten, etwa im Hinblick auf den Erwerb digitaler Kompetenzen. Daher werden wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frühzeitig einbeziehen, um Vorbehalte aufzugreifen und Mehrwerte aufzuzeigen.
Unternehmen sollen zukünftig zur Offenlegung von Cyberangriffen verpflichtet werden. Wie steht es vor dem Hintergrund der Cyberattacke auf die Server des Deutschen Bundestages um die Transparenz bei Cyberangriffen auf die öffentliche Verwaltung und die Bundesregierung?
Von einer generellen Pflicht zur Offenlegung von Cyberangriffen auf Unternehmen durch das IT-Sicherheitsgesetz kann keine Rede sein. Ziel des Gesetzes ist ein vertrauensvolles Miteinander von Staat und Wirtschaft. Für Bundesbehörden hat es eine entsprechende Meldepflicht an das BSI bereits vor Inkrafttreten des IT-Sicherheitsgesetzes gegeben. Bund und Länder haben sich verpflichtet, partnerschaftlich zur Verbesserung der Informationssicherheit in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland zusammenzuarbeiten, insbesondere im Bereich IT-Krisenprävention und -reaktion, und informationssicherheitsrelevante Informationen gegenseitig auszutauschen.
Barack Obama setzt sich persönlich dafür ein, dass die Top Talente aus dem Silicon Valley sich für einen Job in Washington entscheiden, um die digitale Infrastruktur der Bundesverwaltung grundlegend zu überarbeiten. Wie steht es mit dem Recruiting der deutschen Behörden?
Bund und Länder gewinnen Ihre IT Fachkräfte jeweils selbständig und an den jeweiligen Anforderungen orientiert. Auch innerhalb der Bundesverwaltung gestalten die Ressorts und die Bundesbehörden grundsätzlich ihre Personalgewinnungsmaßnahmen eigenständig. Im Ressort des BMI werden Top Talente auch durch ein breites Netzwerk gewonnen. Das gilt insbesondere auf den Führungsebenen. Über dieses Netzwerk kommt es immer wieder zu einem Austausch von Führungspersonal. Andere Führungspositionen werden in den dafür geeigneten Medien deutschlandweit ausgeschrieben, um entsprechende IT- Fachkompetenz zu gewinnen.
Das Bundearbeitsministerium beschäftigt sich intensiv mit der Digitalisierung der Arbeitswelt und hat dazu den Dialogprozess Arbeiten 4.0 gestartet. Wann wird die Digitalisierung auch in der Bundesverwaltung Einzug halten? Erleben wir bald eine Kabinettssitzung mit Tablet PCs statt dicken Aktenmappen?
Schon heute werden sie kaum Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter in der Bundesverwaltung finden, die nicht täglich mit digitalen Fachverfahren oder technischen Hilfsmitteln arbeitet. Auch die Vorbereitung und Abstimmung der Kabinettvorlagen erfolgt schon seit Jahren digital über einen Kabinettserver. Was allerdings noch vielfach fehlt, ist die vollständig digitale Abwicklung von Verwaltungsverfahren. Mit ressortübergreifenden Einzel- und Großprojekten wie der IT-Konsolidierung oder dem Regierungsprogramm „Digitale Verwaltung 2020“ arbeiten wir intensiv an der weiteren Digitalisierung der Verwaltung. Auch an geeigneten Lösungen für die digitale Bereitstellung von Kabinettunterlagen wird gearbeitet.