Klaus Eck: Die Bundestagswahl wird ganz sicher nicht online entschieden
Je näher die Bundestagswahlen rücken, desto größer wird auch das Interesse am Engagement der politischen Parteien und Akteure im Netz. Derzeit geht gefühlt wöchentlich ein neuer Monitoring-Dienst online, der explizit die digitale Kommunikation von Politikern unter die Lupe nimmt. Mit Wahlkampfanalyse.de ist kürzlich ein Service gestartet, der mehr als ein reines Monitoring-Tool sein möchte. Wir haben mit Klaus Eck (Geschäftsführer Eck Consulting Group) und Initiator von Wahlkampfanalyse.de gesprochen.
Influencer Relations sind in der Politik unbekannt
UdL Digital: Was ist Wahlkampfanalyse.de?
Klaus Eck: Mit der Wahlkampfanalyse betrachten wir die Online-Kommunikation der Politikinteressierten und vergleichen sie mit der politischen Kommunikation. Dabei möchten wir anhand bestimmter Parameter das Verhalten der Parteien, Politiker und Nachrichtenportale und vor allem der Onliner im Netz analysieren. Auf dieser Grundlage können wir die politische Online-Debatte bewerten und strategische Potentiale aufzeigen, die wir aus unserer Beratererfahrung mitbringen. Wahlkampfanalyse ist ein Gemeinschaftsprojekt der Unternehmensberatung Eck Consulting Group und des Analysedienstleisters Complexium.
Die Politiker sind in der Regel bei der Professionalisierung der Online-Kommunikation noch ganz am Anfang. Das betrifft sowohl den Inhalt, Interaktion, wie auch Struktur und Organisation. Die Frage, die sich Parteien in Zukunft verstärkt stellen sollten: Wer macht in der Medienlandschaft Meinung? Wen sollten Sie in ihre Debatten einbinden? Mir sind beispielsweise Influencer Relations im Politikbereich eher unbekannt.
Gerade für den Bereich Public Affairs ist es wichtig, die wichtigsten Stakeholder der Parteien zu kennen und ihren Einfluss auf die Politik einordnen zu können. Hierzu wollen wir mit unserem Online-Angebot einen kleinen Beitrag leisten.
UdL Digital: Was konkret misst Wahlkampfanalyse.de?
Klaus Eck: Wahlkampfanalyse misst neben den klassischen Daten wie Fanzahlen und Interaktionsraten, vor allem die inhaltlichen Zusammenhänge zwischen Parteien, Politikern, Nachrichtenportalen und der User-Interaktion in der Online-Kommunikation.
So können wir zum Beispiel die Artikel großer Nachrichtenportale, den User-Kommentaren und den Politikeräußerungen im Social Web gegenüberstellen und mögliche Zusammenhänge herausarbeiten.
Genauso spannend ist die Entwicklung der Themen über einen bestimmten Zeitraum. So stellen wir immer die Top-Ten-Themen der vergangenen sieben Tage auf der Seite dar. So können unsere Besucher sehen, welche politischen Issues die Online-Welt besonders bewegen. Bedeutet Echtzeitkommunikation auch eine kürzere Halbwertszeit? Oder bleibt ein Thema länger auf der Agenda, weil sich mehr Menschen dazu äußern können?
Für kurzfristige Kommunikation ist wenig Platz
UdL Digital: Monitoring ist seit jeher ein Muss in der Politik. Könnt Ihr anhand der politischen Ereignisse ableiten, dass auch ein digitales Monitoring stattfindet?
Klaus Eck: Grundsätzlich können wir nur messen, was aktuell passiert bzw. geschehen ist. Natürlich können wir Effekte interpretieren, wenn Parteien ein Monitoring betreiben und auf dieser Grundlage strategisch und schnell kommunizieren. Das zeigt sich dann anhand der Ergebnisse.
Es wäre den Parteien zu wünschen, dass sie ein Monitoring betreiben, auch um im Nachhinein lernen zu können, welches Thema gut oder weniger gut ankam und wo strategische Kommunikationsfehler gemacht worden sind. Immerhin können sie über die Issues ablesen, auf welche Themen die Wähler besonders stark reagieren.
Nach den ersten Wochen hat sich bereits gezeigt, dass die politische Kommunikation eher schwerfällig abläuft und weit von einer Echtzeitkommunikation entfernt ist. Es scheint einen Kommunikationsplan zu geben, der sich an der Wahlkampfstrategie insgesamt orientiert. Für kurzfristige Kommunikation ist da nur wenig Platz. Meistens halten sich die aktuellen Themen nicht länger als 3 bis 4 Tage. Das liegt auch daran, dass sich die Nachrichtenportale eher an den eigenen Recherchen und den Themen der Politik orientiert, als an denen der User und Bürger.
Onliner haben Einfluss auf die Diskussion im Netz
UdL Digital: Müssen politische Entscheidungsträger Äußerungen im Netz überhaupt ernst nehmen? Die Beteiligungsraten sind dem 90:9:1-Prinzip ja nicht aussagefähig, oder?
Klaus Eck: Die Frage ist immer, wer dort kommuniziert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Parteien die Influencer im Social Web strategisch und umfänglich analysieren und diese wirklich ernst nimmt. Wenn sich ein Onliner mit viel Reichweite äußert, dann kann das Einfluss auf die Diskussion im Netz haben. Das sollten Parteien eigentlich einkalkulieren und für sich nutzen. Genauso wie dieses inzwischen viele Unternehmen tun.
Wenn die Wähler in ihren Communities miteinander diskutieren, erhalten sie von der Politik nur wenig Resonanz. Auf dieses Potential verzichten die Parteien weitgehend. Sie regieren fast gar nicht auf die politischen Debatten. Ein Community Management findet allenfalls vereinzelt auf den eigenen Auftritten statt. Auf Fremdplattformen fast gar nicht. Mehr Zeit investieren die Parteipolitiker in ihren Auftritten in den Fußgängerzonen und in Talkshows. Die Online-Debatte ignorieren viele lieber aus Angst vor dem nächsten Shitstorm.
Kleine Parteien nutzen die Online-Debatte sehr viel besser als die Volksparteien. Das hängt vermutlich mit den personellen Ressourcen zusammen, die man für einen Straßenwahlkampf benötigen würde. Aktuelles Beispiel dafür ist der Facebook-Erfolg der Alternative für Deutschland, deren Fanzahlen in kurzer Zeit massiv gewachsen sind.
UdL Digital: Wird die Bundestagswahl am 22. September auch online entschieden?
Klaus Eck: Ganz sicher nicht. Die bisherigen Strukturen belohnen die klassische Ochsentour durch alle Parteigliederungen noch immer. Über einen Online-Wahlkampf erreicht man die eigenen Parteigänger nicht gut genug, findet nicht seine Unterstützer im eigenen Wahlkreis und wird dann nicht aufgestellt. Immerhin sind die kleinen Parteien inzwischen sehr gut auf Facebook und Twitter aktiv und nutzen Social Media sehr gut zur Mobilisierung ihrer Klientel. Der wahre Online-Wahlkampf findet vermutlich bei der übernächsten Bundestagswahl erst statt: voraussichtlich 2017.