KI und Sprache: Die Potenziale der neuen Technologie
Zum Europäischen Tag der Sprachen stellen wir die Chancen und Herausforderungen vor, die sich aufgrund der rasanten Entwicklung von KI-Anwendungen im Bereich der Sprachen momentan herausbilden.
Jedes Jahr findet am 26. September der Europäische Tag der Sprachen statt, der auf eine Initiative des Europarats zurückgeht. Ziel des Tages ist es, die Vielfalt der Sprachen in Europa zu feiern und auf die Bedeutung des Sprachenlernens und der interkulturellen Kommunikation hinzuweisen. Denn angesichts von mehr als 200 Sprachen und Dialekten in Europa und einer zunehmend globalisierten Welt sind sie bedeutsam für die kulturelle Identität und soziale Integration der Menschen.
Potenziale der neuen Technologien
Bei der Überwindung existierender Sprachbarrieren können Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) eine wichtige Rolle spielen. Sie sind mittels schneller, einfacher und verlässlicher Übersetzungen in der Lage, vorhandene Hürden beim gegenseitigen Verständnis zu reduzieren und Menschen den Zugang zu Informationen und Dienstleistungen zu erleichtern.
Die grundsätzlichen Vorteile solcher Anwendungen sind dabei vielfältig: KI-Übersetzungssoftware ermöglicht Kommunikation in Echtzeit zwischen Menschen, auch wenn sie keine Fremdsprachenkenntnisse haben. Zum Beispiel kann KI Text in gesprochene Worte umwandeln und umgekehrt. Sie ist rund um die Uhr verfügbar und kann in verschiedenen Kontexten, einschließlich mobiler Anwendungen, eingesetzt werden. Sie spart Zeit und Ressourcen und ist effizienter als bisherige Übersetzungsdienste.
Beispiele für KI-Sprachanwendungen
Als Beispiele für solche Anwendungen lassen sich Maschinenübersetzungs-Software wie Google Translate, DeepL oder der Microsoft Translator anführen, an deren Verbesserung ständig gearbeitet wird. Und Apps wie der Skype Translator ermöglichen es Benutzern, bei Videoanrufen in verschiedenen Sprachen miteinander zu sprechen, während die KI die Übersetzung in Echtzeit bereitstellt.
KI-basierte Chatbots und virtuelle Assistenten wiederum erlauben das Bereitstellen von Informationen oder die Buchung von Dienstleistungen in verschiedenen Sprachen. Auch Video- und Audioinhalte können von KI-Systemen automatisch mit Untertiteln oder Transkriptionen in verschiedene Sprachen versehen werden. Davon profitieren nicht nur Menschen ohne Kenntnis der Originalsprache, sondern auch Personen mit Hörproblemen. Und Spracherkennungssoftware in smarten Geräten sorgt zudem für mehr Barrierefreiheit und Interaktion mit der neuen Technik bei Menschen, die Sehprobleme oder Schwierigkeiten beim Tippen haben.
In Deutschland z.B. hat IBM zusammen mit der Polizei die KI ElsA entwickelt, die bei Notfallmeldungen die Sprache der Anrufenden erkennen und übersetzen kann. Zusätzlich übermittelt die KI den Anrufenden wichtige Informationen in entsprechender Sprache und stellt ihnen Fragen zu Details, die für Einsätze relevant sind. Ein weiteres Beispiel aus Deutschland: Die App SpeechTrans4Kita wurde speziell für Gespräche zwischen Kita-Fachkräften und Eltern mit Migrationshintergrund entwickelt, die wenig oder kein Deutsch sprechen, da pädagogisches Vokabular von konventionellen Übersetzungs-Apps oft nicht erkannt wird.
Im Bereich des Spracherwerbs bieten KI-gesteuerte E-Learning-Plattformen und Sprachlern-Apps angepasste Prozesse sowie Übungen und Lernmaterialien, die sich an den individuellen Bedürfnissen der Lernenden orientieren. Als Beispiele lassen sich hier etwa Busuu oder Sylby nennen. KI-gestützte Chatsysteme bieten Lernenden einer Fremdsprache zudem ein neutrales Umfeld, um ihre Sprachfähigkeiten zu erproben – ohne Hemmnisse, die in Gesprächen mit Menschen oft auftreten.
Herausforderungen und Risiken
Doch wie bei allen technischen Neuerungen gibt es neben viel Licht natürlich auch ein paar Schatten. So sind KI-Anwendungen im Vergleich zu menschlichen Übersetzungen zwar schneller und häufig präziser. Aber es bestehen noch Lücken bei komplexen, idiomatischen oder kulturell geprägten Ausdrücken.
Es dürfte jedoch nur eine Frage der Zeit sein, bis KI-Systeme so weiterentwickelt worden sind, bis ein zunehmendes Verständnis für kulturelle Nuancen und kontextuelle Unterschiede in Sprachen vorhanden ist. Speziell bei den sogenannten “high-resource languages” wie Deutsch, Englisch oder Spanisch, für die aufgrund ihrer weiten Verbreitung viele Datenressourcen existieren. Schwierigkeiten gibt es hingegen bei Sprachen, die nur von einer kleinen Zahl an Menschen gesprochen werden oder die eine geringe Präsenz in digitalen Medien aufweisen. Ansätze wie Metas Open-Source Projekt No Language Left Behind versuchen bereits Abhilfe zu schaffen.
Grundsätzlich muss bedacht werden, dass KI nicht fehlerfrei ist und menschliche Interaktion nicht vollständig ersetzen kann. Neben den erwähnten kulturellen Feinheiten betrifft das vor allem Fachterminologie. Hier können KI-Anwendungen noch zu Missverständnissen und Fehlkommunikation führen, insbesondere in sensiblen Bereichen wie Recht oder Medizin.
Zudem besteht die Gefahr, dass durch die genutzten Daten für das Training der KI-Systeme gesellschaftlich bereits vorhandene Vorurteile reproduziert oder sogar verstärkt werden. Dies betrifft bisher zwar eher Anwendungen, die mit Bildern oder der Bewertung von Personen nach bestimmten Merkmalen (z.B. bei Bewerbungsverfahren) zu tun haben. Es ist aber auch für Übersetzungsmodelle denkbar, etwa was die sozialen Konnotationen von umstrittenen Begriffen angeht.
Ohne Regulierung geht es nicht
Hinzu kommen Fragen der Sicherheit und des Datenschutzes, da bei der Verwendung von Übersetzungssoftware zum Teil sensible Informationen verarbeitet und in Clouds gespeichert werden. So könnten vertrauliche Informationen preisgegeben oder abgefangen werden. Nicht zu vergessen sind auch negative soziale Auswirkungen der neuen technologischen Möglichkeiten: die Automatisierung von Übersetzungsdiensten kann schließlich zum Verlust von Arbeitsplätzen für menschliche Übersetzer führen.
Es ist sinnvoll, bei der Nutzung von Übersetzungsdiensten die Vor- und Nachteile abzuwägen und auf den Kontext zu achten. Insgesamt liegt es an den Menschen selbst, die Technologie klug zu nutzen. Dafür ist aber auch eine Regulierung des sehr dynamischen Felds der KI-Entwicklung nötig. Hier sollte vor allem die (europäische) Politik für entsprechende Rahmenbedingungen sorgen – und dabei auch die europäische Sprachenvielfalt und interkulturelle Kommunikation im Blick behalten.
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