KI-Strategie: Regierung zieht nach einem Jahr Bilanz

Foto: CC0 1.0, Pixabay / geralt | Ausschnitt bearbeitet
Foto: CC0 1.0, Pixabay / geralt | Ausschnitt bearbeitet
Veröffentlicht am 20.11.2019

Foto: CC0 1.0, Pixabay / geralt | Ausschnitt bearbeitet
Ein Jahr nach dem Start der KI-Strategie zeigt sich die Bundesregierung zufrieden mit den Fortschritten. Viele Maßnahmen wurden begonnen oder sind in Planung – für Forschung, Arbeitswelt und Ethik. Zu viel „Klein-Klein“, sagen die Grünen, der große Wurf bleibe aus. Kritik gibt es auch an den 100 geplanten neuen KI-Professuren.

Deutschland soll bei Künstlicher Intelligenz „in allen Bereichen in die Weltspitze“ kommen, sagt Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU). Dafür soll die KI-Strategie der Bundesregierung sorgen, die vor einem Jahr beschlossen wurde. 500 Millionen Euro hat die Regierung hierzu bereitgestellt. Die Ministerinnen und Minister zogen am Freitag eine positive Bilanz. Vom Internetverband Bitkom und der Opposition im Bundestag gab es hingegen Kritik. Im „Zwischenbericht Ein Jahr KI-Strategie“ fasst die Bundesregierung die wesentlichen Stichpunkte auf neun Seiten zusammen.

Sie verweist darauf, dass die meisten Publikationen zu KI weltweit mit 28 Prozent aus Europa kommen, vor China (25 Prozent) und den USA (17 Prozent). Deutschland liege im internationalen Vergleich auf Platz fünf. Die Zahl der KI-Start-ups sei im letzten Jahr um 62 Prozent gestiegen. Insgesamt gebe es, Stand Juni 2019, 214 KI-Start-ups. Spitzenreiter sei Berlin mit 86, gefolgt von München mit 57. An deutschen Hochschulen gab es bis Februar diesen Jahres 192 Professuren mit KI-Schwerpunkt, 22 weitere waren geplant.

Stärkung von KI-Forschung und Innovationen

Um die Forschung weiter zu stärken, sollen 100 neue KI-Professuren entstehen. 30 davon sind als „Alexander-von-Humboldt-Professur für KI“ weltweit ausgeschrieben und sollen bis 2024 besetzt werden. Ziel ist, mehr Frauen zu beteiligen, die „unter besonderer Berücksichtigung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ gefördert werden. Aktuell gibt es neben dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern noch weitere fünf Kompetenzzentren für KI-Forschung an den Universitäten in München, Tübingen, Berlin, Dortmund/St Augustin und Dresden/Leipzig, deren Förderung bis 2022 verdoppelt werden soll. 15 neue Fördermaßnahmen, beispielsweise zum autonomen Fahren oder zur IT-Sicherheit werden unterstützt. Spezielle Programme existieren außerdem im Bereich Umwelt, Klima, Natur und Ressourcen sowie für die Landwirtschaft.

Foto: CC0 1.0, geralt | Ausschnitt angepasst

Neue Ideen sollen verschiedene Innovationswettbewerbe hervorbringen. Vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) wurden 16 Plattformprojekte im Rahmen eines Wettbewerbs für die Förderung ausgewählt, die sich zum Beispiel mit den Themen Gesundheit, Smart Living, Landwirtschaft oder Quantencomputing befassen. Daneben wurde ein Wettbewerb vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für energieeffiziente Chips gestartet. Dabei konkurrieren elf Hochschulen und Forschungseinrichtungen darum, in einem Jahr einen Chip zu entwerfen, der am Beispiel von EKG-Daten möglichst energieeffizient und hochgenau Herzrhythmusstörungen erkennen kann.

KI für die Arbeitswelt

Ein weiterer Schwerpunkt ist der Transfer der Forschung in die Arbeitswelt und die Unterstützung des Mittelstands. Seit Juni stehen 22 „KI-Trainer“ in ausgewählten Mittelstands-Kompetenzzentren für kleine und mittlere Unternehmen bereit. Sie befinden sich in Augsburg, Berlin, Darmstadt, Dortmund, Hannover, Kaiserslautern und Saarbrücken. Weitere sollen dazukommen. Für die Vernetzung soll das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) sorgen. Anwendungsbeispiele sind auf einer KI-Landkarte online zu finden. Das Programm für Existenzgründungen EXIST hat die Regierung ausgebaut und die Mittel gegenüber den Vorjahren demnach „nahezu verdoppelt“. Beratungsangebote bietet seit September auch die Digital Hub Initiative. KI-Experimentierräume im Betrieb sollen Unternehmen und Verwaltung bei der digitalen Transformation unterstützen und können auf drei Jahre gefördert werden. Für KMU in Ostdeutschland sind fünf spezielle „Regionale Zukunftszentren“ geplant, die am 25. November in Leipzig vorgestellt werden sollen. Für Westdeutschland ist ein ähnliches Programm geplant.

Foto: CC0 1.0, Pixabay User geralt | Ausschnitt bearbeitet

Im Bereich Sicherheit und Bevölkerungsschutz wurde KI ebenfalls integriert. So hat das Technische Hilfswerk ein Reallabor zur Gefahrenabwehr im Bevölkerungsschutz bekommen. Dort kann ein KI-Trainingssystem zur Deichverteidigung genutzt werden. Beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) wurde ein KI-Referat gegründet. Für ethische Fragen im Zusammenhang mit KI wurde die Datenethikkommission eingesetzt, die ihr Gutachten im Oktober der Bundesregierung übergeben hat. Außerdem gibt es einen Runden Tisch zu speziellen Fragen rund um die Datenschutz-Grundverordnung, der am 29. September erstmals zusammenkam. Das nächste Treffen ist im Januar geplant. Gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Normung (DIN) wurde zudem ein Prozess zur Standardisierung und Normung von KI angestoßen, die Normungsroadmap KI.

Geplante Vorhaben

Zu den weiteren geplanten Vorhaben zählt die Cloud-Infrastruktur Gaia-X, die auf dem Digitalgipfel Ende Oktober in Dortmund vorgestellt wurde. Das Projekt soll in eine feste Struktur gegossen werden und neben Frankreich weitere europäische Partner einbinden. Im März 2020 soll außerdem das KI-Observatorium eröffnen, das die Auswirkungen von KI auf Arbeit und Gesellschaft analysieren soll. Zu den ersten Maßnahmen des Observatoriums zählt eine Studie, die die Erklärbarkeit von KI in Industrieproduktion sowie im Personalmanagement erläutert. Am Gemeinwohl orientierte Förderprogramme will die Regierung auf einer Förderplattform zusammenstellen. Dafür steht das Modellprojekt Civic Technology, das Wissen über KI „in die Breite der Gesellschaft“ tragen soll. Es ist für April 2020 vorgesehen.

Foto: CC0 1.0, Pixabay User geralt | Ausschnitt angepasst

An Maßnahmen mangelt es nicht, der Opposition im Bundestag sind es eher zu viele. Als „chaotisches Sammelsurium an Kleinstmaßnahmen“ bezeichnen die Grünen im Bundestag die Strategie. Kritik gibt es auch an der Vergabe der KI-Professuren. Bisher sind nur zwei der angekündigten 100 vergeben. Ein Problem sei daneben die fehlende Koordinierung zwischen den Bundesministerien. „Anstatt Forschung und Entwicklung zu einer klaren Priorität zu machen, wurden die ersten Finanzmittel auf 27 Einzeltitel in zwölf Ministerien verteilt“, kritisieren die Grünen. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder hält die KI-Strategie für enttäuschend. „Die bescheidenen Mittel von 500 Millionen Euro pro Jahr haben bislang noch so gut wie keine Wirkung erzielt“, sagte er. In den USA würde hingegen über ein 100-Milliarden-Dollar-Programm zur KI-Förderung diskutiert.

Das einjährige Bestehen der KI-Strategie der Bundesregierung ist übrigens auch Thema des Lunch-Talks von AI-Hub Europe, der mit Unterstützung des Medienpartners brand eins am 11. Dezember im BASECAMP stattfinden wird. Ab 12:30 Uhr diskutieren unter anderem der Präsident des KI-Bundesverbands, Jörg Bienert, sowie Andreas Hartl, der als Ressortleiter für Datenökonomie und Künstliche Intelligenz im Bundeswirtschaftsministerium einer der führenden Köpfe bei der Umsetzung der Strategie der Bundesregierung ist. Die Veranstaltung ist kostenfrei und alle Interessierten können sich hier anmelden.

Tagesspiegel Politikmonitoring

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf der Website des BASECAMP.

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion