KI im Bundestag: Interview mit Ronja Kemmer (CDU)
Auf Künstlicher Intelligenz basierende Tools sind seit dem Hype um ChatGPT in aller Munde – und werden zum Teil auch im politischen Betrieb genutzt. In unserer Interview-Reihe befragen wir Digitalpolitiker:innen aus dem Bundestag zu ihren Erfahrungen mit entsprechenden Anwendungen sowie den Chancen und Risiken der Technologie. Heute ist Ronja Kemmer, Obfrau für Digitales der Unionsfraktion, an der Reihe.
Frau Kemmer, wie oft und wozu nutzen Sie in Ihrer Arbeit KI-Anwendungen? Welche Tools und Hilfsmittel sind das?
Wir alle nutzen KI täglich in unserem Alltag und für unsere Arbeit, oft machen wir uns das gar nicht richtig bewusst. Und genau das ist das Interessante daran. Wenn die Menschen in Erhebungen ganz allgemein zu ihrer Einstellung zu KI befragt werden, wird immer noch oft – wenn auch mit klar abnehmender Tendenz – grundsätzliche Skepsis gegenüber KI geäußert. Gleichzeitig freuen wir uns aber alle, wie sehr intelligente Spamfilter in unseren E-Mail-Programmen, das Navi und KI-Anwendungen wie Online-Übersetzungsfunktionen uns das Leben jeden Tag einfacher und angenehmer machen.
Natürlich habe ich schon KI-Tools für meine Arbeit ausprobiert und eingesetzt, gerade auch LLM-Anwendungen. KI bietet sehr gute Möglichkeiten, Arbeitsprozesse zu unterstützen, Entscheidungen muss jedoch der Mensch selbst treffen. Die individuelle und persönliche Ansprache sowie die Nähe zu den Menschen und ihren Problemen ist und bleibt bei meiner Arbeit für mich oberste Priorität.
Was war bisher Ihr persönlich verstörendster bzw. interessantester KI-Moment?
Als bei einer deutschlandweiten Umfrage im Zusammenhang mit dem Wissenschaftsjahr 2019 nach KI-Beispielen an erster Stelle der Terminator genannt wurde. Getröstet hat mich damals, dass immerhin noch einige R2-D2 oder K.I.T.T. genannt haben, die freundlichen Helfer aus Star-Wars und Knight Rider. Denn darum geht es: KI als Helfer zu begreifen, nicht als Bedrohung.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Chancen und Risiken von KI-Anwendungen?
KI ist eine der wichtigsten Schlüssel- und Zukunftstechnologien, in der ein riesiges Potenzial für unsere Gesellschaft und den Wirtschaftsstandort Deutschland liegt: Bessere Mobilitäts- und Logistikkonzepte, effizienterer Klimaschutz, Anwendungen im Bereich Gesundheit. Ich finde es zum Beispiel faszinierend, dass anhand von Stimmerkennung neurologische Erkrankungen bereits in einem sehr frühen Stadium erkannt und dementsprechend besser behandelt werden können.
Wenn es um Teilhabe für Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen am gesellschaftlichen Leben geht, dann müssen wir KI-Anwendungen für blinde Menschen fördern, die Bilder in Worten beschreiben können, Menschen mit einer Hörschädigung sollen 3D-Gebärdensprache-Avatare als Sprachassistenten zur automatisierten Gebärdenübersetzung nutzen können. KI bietet Chancen für eine moderne, stärker adaptive Bildung, für Inklusion, einfach großartige Möglichkeiten, das Leben von uns allen besser zu machen.
Ganz wichtig ist auch der wirtschaftliche Aspekt: Vom richtigen Umgang mit KI hängt ganz maßgeblich die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts ab, die internationale Konkurrenzfähigkeit unserer Unternehmen – und damit unser zukünftiger Wohlstand. KI ist, was Wettbewerbsfähigkeit angeht kein „nice to have“, sondern ein zentraler Faktor.
Sehen Sie die Notwendigkeit, Künstliche Intelligenz stärker zu regulieren?
Zunächst Mal muss man sich vergegenwärtigen, dass es bereits für viele Bereiche detaillierte KI-Regulierung gibt – das wird in der Debatte oft ausgeblendet. Wir verhandeln jetzt auf EU-Ebene seit bald drei Jahren den AI-Act, mit dem Ziel, ein einheitliches Regelwerk in Europa für KI zu schaffen und damit auch den digitalen Binnenmarkt und unsere technologische Souveränität zu stärken. Wir wollen eine KI, die auf europäischen Werten basiert, die an klaren ethischen Prinzipien ausgerichtet ist. Transparenz spielt dabei eine wichtige Rolle.
Was uns als CDU/CSU aber von Anfang an sehr wichtig ist: Überregulierung, die KI-Innovationen ausbremst, darf es nicht geben. Wir haben uns über den ganzen Prozess der Verhandlungen zum AI-Act mit sehr konkreten Vorschlägen dafür eingesetzt, dass am Ende innovationsoffene, eindeutige und in der Praxis umsetzbare Regeln für die Entwickler und Anbieter von KI geschaffen werden.
Wo wir besonders draufschauen müssen, ist der Bereich Generative KI, hier insbesondere die Foundation Models. Ziel muss sein, dass wir den großen Rückstand zu den Anbietern aus den USA und Asien aufholen, der aktuell leider besteht. Zum Thema Daten halte ich es für wichtig, dass wir uns noch mehr vergegenwärtigen, dass gerade der Erfolg von generativer KI von der Verfügbarkeit von Daten lebt. Hier müssen wir in Europa noch besser werden.
Regulierung ist dann gut, wenn sie umsetzbar ist und immer nur dort ansetzt, wo notwendig. Wir müssen dabei auch immer an KMU und Startups denken, die vielen kleinen Unternehmen, die sich keine großen Rechtsabteilungen leisten können, um überkomplizierte Regularien erfüllen zu können.
Alle Beiträge aus dieser Serie „KI im Bundestag“:
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Data Debate: Zu den Chancen und Risiken von KI-Anwendungen