KI im Bundestag: Interview mit Misbah Khan (Bündnis 90/Die Grünen)
Auf Künstlicher Intelligenz basierende Tools sind seit dem Hype um ChatGPT in aller Munde – und werden zum Teil auch im politischen Betrieb genutzt. In unserer Interview-Reihe befragen wir Digitalpolitiker:innen aus dem Bundestag zu ihren Erfahrungen mit entsprechenden Anwendungen sowie den Chancen und Risiken der Technologie. Hier beantwortet Misbah Khan, für die Grünen Mitglied im Digitalausschuss, unsere Fragen.
Frau Khan, wie oft und wozu nutzen Sie in Ihrer Arbeit KI-Anwendungen? Welche Tools und Hilfsmittel sind das?
Anwendungen Künstlicher Intelligenz stecken mittlerweile in vielen Alltagsanwendungen wie Kartendiensten, ohne dass wir es wissen. Also jeder Mensch nutzt im Digitalen künstliche Intelligenz. Gehypte Anwendungen der Generative AI, also KI-Anwendungen mit denen man Texte, Bilder usw. erstellen kann, probiere ich natürlich aus, sie spielen aber in meinem Alltag weniger eine Rolle. Mir ist es wichtig, dass die Worte, Formulierungen und Gedanken, die ich in Reden oder Antworten auf Anfragen nutze, auch wirklich von mir stammen – dafür wurde ich schließlich gewählt.
Grundsätzlich sehe ich Möglichkeiten, die Arbeitsprozesse in meinem Team durch KI zu optimieren, beispielsweise in der Bildbearbeitung. Was früher nur mit spezieller Expertise möglich war, geht mittlerweile nebenbei. Das ist schon faszinierend.
Was war bisher Ihr persönlich verstörendster bzw. interessantester KI-Moment?
Die verstörendste Anwendung ist aus meiner Sicht immer noch die Nutzung von KI in den USA, um die Rückfallwahrscheinlichkeit von Menschen nach Gefängnisstrafen zu berechnen und darauf aufbauend Entscheidungen über deren Freiheit zu treffen. Diese Systeme waren hochgradig diskriminierend. In Europa gab es in jüngster Vergangenheit ähnlich gelagerte Anwendungen von automatisierten, diskriminierenden Entscheidungen, etwa in den Niederlanden beim Kindergeld oder in Österreich bei der Arbeitslosenunterstützung. Auch wenn es viele Bereiche im Staat gibt, bei denen der Einsatz von KI Sinn macht, dürfen wir die automatisierte Diskriminierung von Menschen nicht zulassen.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Chancen und Risiken von KI-Anwendungen?
Künstliche Intelligenz kann richtig eingesetzt ein nützliches und effizientes Tool sein, um Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen, sowohl im Alltag als auch bei speziellen Anwendungen. Überall wo Analysen von massenhaften Daten durchgeführt werden, macht der Einsatz beispielsweise Sinn – insbesondere in der Forschung. Ein Leben ohne KI wird es nicht mehr geben, das steht nicht zur Debatte.
Wenn wir uns allerdings die heutige Dynamik im Bereich der Desinformation oder bei Fake News anschauen, dann müssen wir uns auf negative und demokratiegefährdende Bedrohungen einstellen. Hier gilt es, entschlossen gegenzusteuern. Gleiches gilt für Risiken der Diskriminierung und nicht zuletzt auch für die Nachhaltigkeit. Global betrachtet darf zudem keine Abhängigkeit weder von den USA noch von anderen Staaten bestehen, wir brauchen unsere eigenen Modelle.
Sehen Sie die Notwendigkeit, Künstliche Intelligenz stärker zu regulieren?
Auf EU-Ebene findet ja bereits ein Regulierungsprozess statt, und es ist gut, dass da nicht alle Mitgliedsstaaten ihr eigenes Süppchen kochen. Das ist sinnvoll. Um aber mal einen Bereich zu fokussieren: Wenn wir den Staat automatisieren, müssen Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung nichtsdestotrotz immer transparent, nachvollziehbar und überprüfbar sein. Am Ende muss gewährleistet sein, dass Menschen über Menschen entscheiden. Wenn beispielsweise ein Antrag auf Wohngeld gestellt wird, muss es für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar sein, weshalb der Antrag möglicherweise abgelehnt wird. Das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip sind nicht verhandelbar.
Wie kann Politik sicherstellen, dass KI-Systeme ethisch und verantwortungsvoll entwickelt und genutzt werden, insbesondere in Bezug auf Fragen von Diskriminierung, Transparenz und Datenschutz?
Für uns als Gesellschaft ist es elementar, einen sinnvollen und transparenten Umgang mit KI zu finden. Dabei gilt es, die EU-Regulierungen umzusetzen, die dringend benötigten Kompetenzen, beispielsweise in unserer Verwaltung oder der Wirtschaft, aufzubauen und mit einem KI-Transparenzregister für die öffentliche Verwaltung das nötige Vertrauen zu schaffen und Rechte wie Diskriminierungsfreiheit zu wahren. Letztlich müssen hohe Standards an Transparenz und Datenschutz eingehalten werden und wo es die Gefahr von Diskriminierung gibt, braucht es dann eben andere Systeme. KI ist kein Allheilmittel, Prozesse lassen sich etwa auch ohne KI automatisieren.
Alle Beiträge aus dieser Serie „KI im Bundestag“:
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