KI im Bundestag: Interview mit Armand Zorn (SPD)
Auf Künstlicher Intelligenz basierende Tools sind seit dem Hype um ChatGPT in aller Munde – und werden zum Teil auch im politischen Betrieb genutzt. In unserer Interview-Reihe befragen wir Digitalpolitiker:innen aus dem Bundestag zu ihren Erfahrungen mit entsprechenden Anwendungen sowie den Chancen und Risiken der Technologie. Armand Zorn, für die SPD Mitglied im Digitalausschuss, stellt sich hier unseren Fragen.
Herr Zorn, wie oft und wozu nutzen Sie in Ihrer Arbeit KI-Anwendungen? Welche Tools und Hilfsmittel sind das?
Gelegentlich nutze ich Tools wie Chat-GPT für Inspiration oder DALL-E, um passende Bilder für mein monatlich erscheinendes Magazin über meine Arbeit als Bundestagsabgeordneter zu generieren. Die Anwendungen sind auf jeden Fall sehr hilfreich und vereinfachen auch manche Arbeitsschritte. Beim Einsatz achte ich aber immer darauf, dass ich die KI-generierten Texte kritisch hinterfrage und nicht direkt übernehme. In meinem Magazin mache ich den Einsatz von KI auch immer transparent und kennzeichne diesen.
Was war bisher Ihr persönlich verstörendster bzw. interessantester KI-Moment?
Bei den aktuellen Entwicklungen rund um generative KI bereiten mir Deep Fakes große Sorgen. Sei es in Bild-, Video-, oder Tonformat – die KI-generierten Inhalten sind heute schon sehr überzeugend und lassen sich kaum bis gar nicht mehr von echten Inhalten unterscheiden. Ein Beispiel dafür ist der Video-Call von Franziska Giffey mit Vitali Klitschko im August 2022, der sich im Nachhinein als Fake herausstellte. Das hat mich sehr schockiert, da das ein direkter Angriff auf unsere Politik und Demokratie war. Die Verbreitung von Falsch- und Desinformation in gezielten Kampagnen wird eine der größten Herausforderungen für unsere Demokratie und das Vertrauen in unserer Gesellschaft sein.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Chancen und Risiken von KI-Anwendungen?
Ich sehe große Chancen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz auf dem Arbeitsmarkt. Deutschland erlebt aktuell einen extremen Fachkräftemangel. So meldete die Bundesagentur für Arbeit im Juni 2023 767.000 offene Stellen. Wir brauchen daher dringend technologische Unterstützung, u.a. durch KI, um Arbeitnehmer:innen zu entlasten. KI übernimmt dabei nur im seltensten Fall komplette Jobs, sondern es geht eher um einzelne Tätigkeiten und Skills. KI-Systeme verfügen dabei über ein breites Anwendungsspektrum, von der Automatisierung von Prozessen in der Industrie, über die Unterstützung bei Frühdiagnosen in der Medizin, bis hin zum Kundenservice bei KMUs.
Ein Beispiel, das ich besonders eindrücklich finde, ist die Anwendung von KI in der Verwaltung und konkreter ein Pilotprojekt des Frankfurter Amtsgerichts. Das Frankfurter Amtsgericht bearbeitet aufgrund des Frankfurter Flughafens viele Verfahren zu Fluggastrechten, die die Mitarbeiter:innen häufig überlasten. Da die Verfahren oft sehr ähnlich sind, kann das Amtsgericht die KI-Software Frauke einsetzen, die die Verfahren teilautomatisiert bearbeiten kann. Frauke trifft dabei selbst keine Entscheidungen, sondern stellt viel mehr eine Richterassistenz dar.
KI-Tools können uns bei der Arbeit und im Alltag wesentlich unterstützen. Allerdings kommt es beim Umgang mit KI auch immer auf einen verantwortungsvollen und transparenten Einsatz an. Künstliche Intelligenz ist ein Werkzeug dessen Nutzen immer von der Anwendung abhängt.
Sehen Sie die Notwendigkeit, Künstliche Intelligenz stärker zu regulieren?
Ja absolut, wir brauchen auf jeden Fall eine Regulierung für die Entwicklung und die Anwendung von Künstlicher Intelligenz. Der AI Act, der gerade auf EU-Ebene verhandelt wird, setzt hier einen wichtigen Rahmen. Durch den dort vorgeschlagenen risikobasierten Ansatz können wir zielgerichtet nur die KI-Anwendungen regulieren, die auch tatsächlich ein hohes Risiko für die Grund- und Persönlichkeitsrechte der Bürgerinnen und Bürger darstellen. Das sind beispielsweise Systeme, die die biometrische Überwachung von Personen ermöglichen, für Social Scoring eingesetzt werden können oder Falsch- und Desinformationen verbreiten. Diesen Einsatz gilt es zu regulieren und teils auch zu verbieten.
Der AI Act ist die erste KI-Regulierung weltweit und auf dem Weg einen internationalen Standard zu setzen. Die EU-Kommission hat ihn im April 2021 vorgeschlagen und damit sehr vorrausschauend gehandelt. 2021 haben noch Stimmen überwogen, die meinten, dass wir keine Regulierung für Künstliche Intelligenz brauchen. Seit den Entwicklungen rund um ChatGPT und anderen generativen KI-Systemen sagt das niemand mehr.
Alle Beiträge aus dieser Serie „KI im Bundestag“:
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