KI-generierte Zukunftsszenarien: Interview mit Max Mundhenke

Veröffentlicht am 24.01.2025

Was wäre, wenn Wahlprogramme zu 100 % Realität würden?

Mit dieser Frage beschäftigt sich der AI-Experte & Creative Technologist Max Mundhenke auf eine ganz neue Art: Er lässt eine Künstliche Intelligenz großformatige Bilder der Zukunft generieren – basierend auf den Programmen deutscher Parteien zur Bundestagswahl. Die Visualisierungen werfen spannende Fragen auf: Wie objektiv betrachtet eine KI politische Texte? Und verändern Technologien die Art, wie wir Politik wahrnehmen, verstehen und kommunizieren?

Im Vorfeld unserer nächsten BASECAMP_Fishbowl „Hey AI, wen soll ich wählen?“, einer Vernissage mit anschließender politischer Diskussionsrunde, haben wir mit Max Mundhenke über sein Projekt, die Entstehung der viral gegangenen Bilder und die Rolle von KI in der politischen Kommunikation gesprochen.

Max, kann KI unsere politische Zukunft vorhersagen? Das lässt dein neues KI-Bildprojekt fast vermuten.

Vorhersagen vielleicht nicht, aber ein Bild auf Basis der angekündigten Pläne von Politiker:innen zeichnen, in jedem Fall. Ganz konkret: Ich habe mir die Frage gestellt „Wie würde unsere Welt aussehen, wenn alle Wahlprogramme zu 100 Prozent umgesetzt würden?“. Darauf aufbauend hat die KI Bilder generiert, die mögliche Zukunftsszenarien sichtbar machen.

Viele wollen sicher nachvollziehen können, wie das funktioniert – vielleicht sogar selbst ausprobieren. Verrätst du uns, wie du vorgegangen bist?

Ich habe die offiziellen Wahlprogramme der Parteien, die zur Bundestagswahl antreten, als PDFs heruntergeladen und dann in ein Custom-GPT-Modell eingefügt. Das ist eine Funktion bei ChatGPT. Die KI hat mir die Programme zusammengefasst und erklärt, was passiert, wenn sie vollständig umgesetzt würden. Daraufhin habe ich die KI gebeten, Bilder von dieser Zukunft zu generieren. Das kann theoretisch jeder zu Hause nachmachen – allerdings wird man dabei immer leicht unterschiedliche Ergebnisse bekommen.

Wenn wir nun einen Blick auf die Werke werfen: Was hat dich bei der Bildgenerierung besonders überrascht?

Ich finde besonders spannend, worauf sich die KI konzentriert. Schon der Begriff Zukunft scheint bei der KI oft futuristische Gebäude hervorzurufen. Bei den neuen Bildern, zum Beispiel zur SPD, sind die Gebäude im Hintergrund alle ein bisschen korkenzieherartig. Außerdem legt die KI einen starken Fokus auf Energieversorgung. In den Stadtbildern stehen mitten in der Großstadt Windkraftwerke, Atomkraftwerke oder auch Gas- und Kohlekraftwerke – je nach Partei. Das wirft natürlich Fragen auf, weil wir uns eine solche Zukunft in der Realität kaum so vorstellen können. Aber die KI arbeitet eben mit ihren Trainingsdaten und stellt die Energieversorgung oft sehr zentral dar.

Gab es während des Prozesses auch Momente, in denen du die Ergebnisse der KI absurd fandest?

Ja, auf jeden Fall. Die Bilder kamen nicht sofort so heraus, wie sie jetzt zu sehen sind. Ich musste öfter regenerieren, weil entweder ein Fehler auftrat oder die Bilder Artefakte enthielten – Symbole oder Schriftzeichen, die irgendwo in der Luft schwebten. Trotzdem waren die Ergebnisse überraschend. Gerade bei der Menge der Informationen in Wahlprogrammen – die größten Parteien haben Programme, die über 10 Stunden Lesearbeit bedeuten würden – sind solche Bilder eine interessante Möglichkeit, diese komplexen Inhalte visuell zu reduzieren, zu verdichten.

Apropos: Was entgegnest du der Kritik, dass Politik durch solche Visualisierungen zu stark vereinfacht wird?

Natürlich handelt es sich um eine starke Komplexitätsreduktion. Aber das Feedback, das ich bekommen habe, zeigt, dass die Bilder Menschen dazu anregen, sich intensiver mit politischen Forderungen zu beschäftigen. Viele Menschen konsumieren politische Inhalte heutzutage hauptsächlich über Social Media, wo Sharepics und Populismus dominieren. Wahlprogramme hingegen lesen die wenigsten. Meine Bilder sollen ein Einstieg sein, um politische Bildung zu fördern – weg von simplen Sharepics hin zu einer Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Forderungen der Parteien.

Du hast eingangs erwähnt, dass die Ergebnisse von KI immer durch die zugrunde liegenden Trainingsdaten beeinflusst werden. Wie stellst du sicher, dass keine Partei bevorzugt wird und das Ganze möglichst objektiv bleibt?

Vollständige Objektivität ist natürlich schwer zu erreichen. Eine KI ist immer nur so gut wie ihre Trainingsdaten, und die sind oft eine Blackbox. Große Unternehmen wie OpenAI veröffentlichen nicht, was genau in den Trainingsdaten steckt. Trotzdem habe ich versucht, eine vergleichbare Methodik anzuwenden: Jedes Wahlprogramm wurde gleich behandelt. Es ist jedoch klar, dass wir nicht genau wissen, nach welchen Maßstäben die KI ihre Bilder generiert. Wenn man aber tausendfach dieselben Prompts nutzen würde, könnten sich gewisse Muster zeigen, die eine Art Schablone ergeben.

Verwendete Prompts & Tools

„Wie würde unsere Zukunft aussehen, wenn
die Wahlprogramme jeweils zu 100%
umgesetzt würden?“

„Erkläre die Inhalte des Bildes“

„Welche Teile des Wahlprogramms finden
keinen Platz auf dem Bild, weil sie bspw. nur
schwer bildlich darzustellen sind?“

Tools: ChatGPT & DALL-E 3

Deine Bilder gingen schon kurz nach der Veröffentlichung auf Social Media viral – wurden vielfach geteilt und kommentiert. Hast du mit dieser großen Resonanz gerechnet?

Ja, teilweise. Ich hatte so etwas schon mal zur Europawahl gemacht und wusste, dass das Interesse groß sein könnte. Aber dass es so viel Aufmerksamkeit bekommt, hat mich doch überrascht. Viele Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler haben mir geschrieben, meine Bilder wurden sogar im Schulunterricht besprochen – das zeigt, dass solche Projekte Menschen wirklich erreichen können.

Zeigt uns das vielleicht, dass wir eine völlig andere Art der Politikkommunikation brauchen?

Ich denke schon. Durch die Digitalisierung und die Art, wie Informationen durch soziale Medien verarbeitet werden, muss die Politik neu überlegen, wie sie Wählergruppen in Zukunft anspricht. Man könnte natürlich auf den Populismus-Zug aufspringen und Schreckensbilder erzeugen oder Gruppen für alles Übel verantwortlich machen. Das halte ich jedoch für gefährlich. Der nachhaltigere Weg wäre, Inhalte klar zu kommunizieren: Was wollen wir wirklich erreichen, und wie wirkt sich das konkret auf die Bevölkerung aus?

KI könnte hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Sie hat das Potenzial, komplexe politische Prozesse verständlicher zu machen und Menschen, die sich vielleicht nicht täglich mit Politik beschäftigen, einen leichteren Zugang zu ermöglichen. Natürlich birgt das auch Gefahren. Parteien können versuchen, mit idealisierten Bildern oder Manipulation Stimmen zu gewinnen. Hier brauchen wir definitiv noch bessere Lösungen.

Und wenn die KI selbst ein:e Kandidat:in oder Partei bei der Bundestagswahl wäre – wie würde ihre Agenda deiner Vermutung nach aussehen?

Wenn KI eine Partei bei der Bundestagswahl wäre, würde ihr Zukunftsszenario wahrscheinlich in eine humanistische Richtung gehen. Das liegt daran, dass KI-Modelle in der Regel darauf trainiert werden, niemanden auszuschließen, nicht beleidigend zu sein und allgemein ein inklusives Verhalten zu fördern.

Es wird oft gesagt, dass KI eine gewisse „linkslastige“ Tendenz hat, da Themen wie Umweltschutz wahrscheinlich höher priorisiert würden als bei vielen bestehenden Parteien. Wie genau ein perfektes Wahlprogramm aus Sicht der KI aussehen könnte, wäre sicherlich ein spannender Use Case, aber dabei stellt sich auch die Frage, an welchen Gesichtspunkten sich die KI orientieren würde.

Ein Problem bleibt jedoch: Langzeitfolgen und komplexe realpolitische Konsequenzen könnten von KI nicht in vollem Umfang berücksichtigt werden. Beispielsweise bei Themen wie Atomkraft, wo das ungelöste Problem der Abfallentsorgung eine Rolle spielt, oder bei der Frage nach den Risiken eines Krieges, der möglicherweise unsere Städte zerstören könnte. KI würde vermutlich kein düsteres Szenario zeichnen oder Lösungen präsentieren, die alle Aspekte umfassend abdecken.

Es gibt schlichtweg keine universelle, endgültige Antwort, die KI liefern könnte. Die realpolitischen Folgen von Forderungen und Entscheidungen sind komplex und erfordern Abwägungen, die über die reine Datenanalyse hinausgehen.

Hier einen angemessenen Abschluss zu finden, fällt gar nicht so leicht. Stichwort Komplexitätsreduktion. Aber wir haben am 10. Februar die Möglichkeit, uns weiter auszutauschen und deine Bilder sogar live im BASECAMP zu sehen.

Ja, genau! Ich werde ab 18 Uhr meine KI-Bilder und Analysen präsentieren und mit Gästen aus der Politik darüber auf der Bühne ins Gespräch kommen. Es wird eine kleine Vernissage geben – die erste dieser Art im BASECAMP. Ich freue mich, die Prozesse hinter den Bildern zu erklären und auch auf kritische Nachfrage, die sicherlich kommen wird. Demokratie lebt ja schließlich von Austausch und Debatte.

Event-Hinweis:

Am 10. Februar wird Max Mundhenke zu Gast bei BASECAMP FishBowl sein, um mit Maximilian Funke-Kaiser (FDP), Ronja Kemmer (CDU/CSU), Yasemin Efiloglu (Volt) und Marie-Christine Knop (Moderation) zum Thema „Hey AI, wen soll ich wählen?“ zu diskutieren.

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