Kanzler 2017? Frag doch Google!
„Was bedeutet ein EU-Austritt für Großbritannien?“ – Viele Briten haben sich in den vergangenen Tagen diese Frage gestellt und deshalb die Suchmaschine Google zu Rate gezogen. Leider erst nach der Abstimmung über den Verbleib in der Europäischen Union, spotteten viele Journalisten. Am Abend des 23. Juni, nachdem die Wahllokale bereits geschlossen hatten, verzeichnete Googles Statistikdienst „Trends“ einen starken Anstieg von Suchanfragen zu den möglichen Folgen des Brexits. Das wirft zum einen die Frage auf, ob die Briten eigentlich wussten, welche Tragweite ihre Entscheidung haben würde. Es zeigt aber auch, dass die Suchanfragen bei Google interessante Einsichten bei Wahlen und politischen Kampagnen bieten. Doch wie verlässlich sind diese Trends?
Wie funktioniert Google Trends?
Der Statistikdienst Google Trends erfasst alle Suchanfragen auf Google und bietet einfache Möglichkeiten, Trends und Zusammenhänge zu analysieren. Das Tool arbeitet mit Echtzeit-Daten und kann Anfragen für einen beliebigen Zeitraum und verschiedene Länder und Regionen visualisieren. Für Ereignisse von besonderem öffentlichem Interesse wie dem Brexit-Referendum stellt das Trends-Team von Google Analytics-Sammlungen zu den wichtigsten Fragen und Ergebnissen zusammen. Auch zu unpolitischen Ereignissen wie der Fußball-EM oder dem Eurovision Song Contest liefert Google die wichtigsten Trends. Obwohl es noch keine Untersuchungen gibt, die einen direkten Zusammenhang zwischen der Anzahl der Suchanfragen und beispielsweise der Zustimmungsrate für einen Kandidaten in einer Wahl bestätigen, hat sich Google Trends in der Vergangenheit als sehr verlässlich erwiesen. So hatte das Vorhersagetool in den „Primaries“ in den verschiedenen US-Bundesstaaten häufig das richtige Ergebnis ermittelt.
Trends ohne Kontext
Doch obwohl Google Trends eine zunehmend positive Erfolgsbilanz bei der Vorhersage von Wahlergebnissen hat, sind die Erkenntnisse mit Vorsicht zu genießen, denn den Trends fehlt vor allem eines – Kontext. Am Abend des Brexit-Referendums haben die Suchanfragen auf Google.co.uk zu „what happens if we leave the EU“ zwischen 20 und 22 Uhr zwar tatsächlich um 250 Prozent zugenommen, aber insgesamt waren es nur rund 1000 Menschen – bei einer Gesamtbevölkerung von 64 Millionen. Google Trends kann auch nicht darstellen, ob es sich um Wähler aus dem Remain-Lager handelte, die aus Angst um ihre Zukunft googelten, oder um Brexit-Befürworter, die sich zu den Folgen ihrer Entscheidung informierten. Dass viele Briten bereits in den Monaten vor der Wahl Google benutzt haben, um sich zur Großbritannien-EU-Thematik zu informieren, war auch keine Schlagzeile wert. Die meisten Google-Nutzer suchen außerdem in der Praxis eher nach Stichwörtern und nicht nach ganzen Sätzen, die tatsächlich Aufschluss auf die Intention hinter der Suchanfrage geben können. Beispiele zeigen auch, dass die Zahl der Google-Suchen gerade in Zeiten von politischen Skandalen in die Höhe gehen. Suchanfragen sind also keineswegs nur ein Ausdruck von Interesse und Beliebtheit.
Bundestagswahlen 2017 laut Google Trends
Die Parteien im Deutschen Bundestag haben noch nicht verkündet, wen sie für die Bundestagswahl 2017 als Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken. Was sagt denn Google Trends? Ein Vergleich der bundesweiten Suchanfragen zu Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier, Heiko Maas und Andrea Nahles im Jahr 2016 legt nahe, dass die Sozialdemokraten den Bundesjustizminister ins Rennen schicken sollten. Heiko Maas wurde zweimal häufiger als Gabriel und Steinmeier und sechsmal so häufig wie Nahles gegoogelt. Das Beispiel zeigt aber auch, wie irreführend solche Aussagen sein können. Das Google-Interesse an Maas war im März besonders hoch. Daran dürfte wohl vor allem das öffentliche Interesse am Privatleben des Politikers schuld sein. Außerdem stammen die Suchanfragen meist aus dem Saarland, dem Heimatbundesland des Ministers, das aber aufgrund seiner Größe kaum für einen bundesweiten Zustimmungstest taugt. Google Trends bleibt also vorerst vor allem eins: eine gute Vorlage für lustige Schlagzeilen, und ein eher dürftiges Tool für echte politische Analysen.