Jugend, Demokratie & Social Media: Interview mit Jan Schipmann zur Zukunft politischer Kommunikation

Jan Schipmann | Credit: Maximilian König
Jan Schipmann | Credit: Maximilian König
Veröffentlicht am 06.09.2024

Viele junge Menschen informieren sich zunehmend in sozialen Medien über politische Themen. Doch gerade hier stoßen sie zunehmend auf Falschmeldungen, populistische Narrative und Verschwörungserzählungen. Laut der aktuellen Sinus-Studie verlassen sich Jugendliche vor allem auf ihr Bauchgefühl, um Falschmeldungen zu erkennen. Inhalte in sozialen Netzwerken werden von Jugendlichen nur selten auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft.

Im Vorfeld des Jugenddialogs zum Einfluss von Social Media auf unsere Demokratie im BASECAMP sprachen wir mit dem Moderator der Veranstaltung und Journalisten Jan Schipmann (bekannt durch das Politikformat „Die da Oben“ und seinen Podcast „Absolute Mehrheit“): Welche Chancen und Gefahren ergeben sich aus der politischen Kommunikation in sozialen Medien? Birgt das Nachrichtenkonsumverhalten junger Wähler:innen neue Gefahren? Und brauchen wir Verbote, um unsere Demokratie zu schützen?

Herr Schipmann, führen soziale Medien aus Ihrer Sicht eher zur Polarisierung oder zur Förderung eines konstruktiven politischen Dialogs unter jungen Menschen?

Es kommt immer drauf an, wie die sozialen Medien genutzt werden. Auf der einen Seite ermöglichen sie diverse Informationskanäle, auf denen plattformoptimiert und zielgruppengerecht über politische Themen informiert werden kann. Auf der anderen Seite ist man der Willkür der Plattformbetreiber unterworfen. Wenn zum Beispiel Meta beschließt, politische Inhalte zu limitieren, oder der TikTok-Algorithmus nur noch extreme Inhalte ausspielt, verliert man ein Stück weit die Kontrolle über Informationsflüsse.

Inwieweit glauben Sie, beeinflussen Filterblasen und Algorithmen die politische Meinungsbildung von Jugendlichen? Werden diese Mechanismen Ihrer Meinung nach ausreichend durchschaut?

Das größte Problem ist: Algorithmen sind geheim. Niemand außerhalb der Anbieter weiß, wie sie funktionieren. Das macht es sehr schwierig, diese ausreichend zu analysieren und konkrete Rückschlüsse zu ziehen. Generell kann man aber sagen, dass die übermäßige Präsenz von einer bestimmten Art von Content immer das Potential hat, Menschen zu beeinflussen.

Wie könnten politische Institutionen und Parteien soziale Medien effektiver nutzen, um auf die Sorgen und Anliegen junger Menschen einzugehen, insbesondere in Bezug auf Krieg, Umwelt und Klimawandel?

Zum einen sollten sie nicht versuchen, „Nicht-Antworten“ zu geben und im bekannten Politiker-Sprech ungenau und schwammig auf konkrete Anliegen zu reagieren. Das hat meiner Meinung nach eine enorm abschreckende Wirkung auf junge Menschen.

Und generell gilt: Soziale Medien sind nur das Mittel zum Zweck.

Politikerinnen und Politiker müssen sich in erster Linie mit den Themen und Sorgen junger Menschen auseinandersetzen und diese auch priorisieren. Ohne das ist der beste Social Media-Auftritt nichts wert.

Brauchen wir vielleicht eine Art „Gebrauchsanweisung“ für den bewussten Umgang mit sozialen Medien, speziell im Hinblick auf die politische Meinungsbildung? Wenn ja, wie könnte diese aussehen?

Montage: Unsplash User dole777 und Pixabay User Jensino | Ausschnitt bearbeitet

Die Gebrauchsanweisung wird in erster Linie durch den rechtlichen Rahmen bestimmt. Plattformbetreiber müssen in die Pflicht genommen werden, geltende Regelungen – zum Beispiel bezogen auf Hass, Mobbing, Desinformation – auch umzusetzen. Das definiert den Rahmen, in dem man sich bewegt.

Darüber hinaus sind Politikerinnen und Politiker meiner Meinung nach in der Bringschuld, sich über die adäquate Nutzung von Social Media-Plattformen zu informieren und Menschen aller Altersgruppen dort zu informieren, wo sich ihr Mittelpunkt der Mediennutzung befindet.

Denken Sie, dass es notwendig ist, soziale Medien zu regulieren, um Fehlinformationen und Manipulationen in der politischen Meinungsbildung zu bekämpfen?

Definitiv. Plattformen dürfen sich nicht aus ihrer Verantwortung entziehen, antidemokratische und andere schädliche Inhalte zu bekämpfen. Die beste Gesetzgebung nutzt nichts, wenn die Betreiber sich aus der Verantwortung stehlen können.

In Frankreich wird ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige diskutiert. Und auch die Union sprach sich hierzulande für eine solche Regelung aus. Wie sinnvoll finden Sie diese Restriktionen, um Jugendliche vor den Folgen eines erhöhten digitalen Medienkonsums zu schützen?

Verbote bringen nichts und sind auch nicht umzusetzen. Wer auf Verbote zurückgreifen muss, der muss sich eingestehen, dass man nicht in der Lage ist, eine angemessene Medienbildung zu vermitteln.

Welche Rolle sollten Schulen und Bildungseinrichtungen spielen, um junge Menschen besser auf die Nutzung von Social Media als Informationsquelle vorzubereiten?

Für mich spielen Schulen da eine große Rolle. Die schulische Bildung muss an die gesellschaftlichen und medialen Realitäten angepasst werden. Das Problem ist: Dafür braucht es a) die Erkenntnis der Politik, damit dies großflächig in der Bildungspolitik berücksichtigt wird, b) die finanziellen Mittel, um das zu schaffen und c) den Fokus auf die Schulung und Rekrutierung für das Personal, um solche Inhalte auch zu vermitteln.

Sie sind selbst aktiv in der Medienlandschaft und produzieren Inhalte, die politische Themen für ein junges Publikum aufbereiten. Welche Herausforderungen sehen Sie in dieser Arbeit, speziell im Kontext der heutigen Mediennutzung?

Wir leben aktuell in einer Zeit, in der demokratische Errungenschaften, die wir lange Zeit für selbstverständlich gehalten haben, auf den Prüfstand gestellt werden. Social Media wird durch autokratische Staaten zur hybriden Kriegsführung genutzt und spätestens 2016 hat man gemerkt, wie Donald Trump einen erfolgreichen Wahlkampf zu großen Teilen auf Halbwahrheiten bis hin zu Lügen aufgebaut hat.

Auf der einen Seite müssen Medienschaffende deshalb ihre Verantwortung realisieren, dass Aufklärung und Wissensvermittlung über solche Sachverhalte im besonderen Maße gefragt sind. Auf der anderen Seite müssen sie aber auch die eigenen Herangehensweisen und Methodiken hinterfragen, ob sie noch zeitgemäß sind und den Ansprüchen genügen.

Event-Hinweis:

Am 10. September moderiert Jan Schipmann die BASECAMP FishBowl mit Emilia Fester (Grüne), Philipp Amthor (CDU) und Lutz Liebscher (SPD) zum Thema „Jugenddialog 2.0: Brauchen wir eine Gebrauchsanweisung für TikTok, Insta & Co. zur Stärkung unserer Demokratie?“.

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