Interview mit Tobias Fritz: Corona öffnet die Schere bei den Bildungschancen.
Foto: Tobias Fritz, privat
Der Lockdown hält weiter an und so auch die Debatte darüber, unter welchen Bedingungen Schulen wieder geöffnet werden können. Vorerst bleibt es beim Fernunterricht für Deutschlands Schüler:innen. Vergangene Woche kam an dieser Stelle Heinz-Peter Meidinger, der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, zu Wort. Er erläuterte im Interview, welche Fortschritte seit dem ersten Lockdown gemacht wurden und wo er noch Verbesserungspotenzial sieht. Heute sind die Schüler:innen an der Reihe. Wir haben mit Tobias Fritz vom Landesschülerrat in Bayern darüber gesprochen, wie er die Umstellung auf Fernunterricht erlebt hat und welche Voraussetzungen aus seiner Sicht für eine gute digitale Bildung erfüllt sein müssen.
Die Corona-Pandemie erzwang im vergangenen Jahr und jetzt erneut eine Umstellung auf Fernunterricht und digitale Ausweichlösungen. Was hat gut funktioniert und wo hat es gehakt?
Die Corona-Pandemie hat uns allen deutlich vor Augen geführt, dass in Deutschland in puncto Digitalisierung großer Nachholbedarf herrscht. Es hat uns aber auch gezeigt, dass die Krise für die Digitalisierung eine Chance sein kann, denn nun steht auch vonseiten der Staatsregierung eine größere Summe für Anschaffungen im Bereich des Schulwesens zur Verfügung. Damit wurden bereits Endgeräte für Lehrerinnen und Lehrer angeschafft und in vielen Schulen die Infrastruktur ausgebaut. Allerdings läuft der Distanzunterricht noch nicht überall zufriedenstellend. Es fehlt schlicht weiter an Laptops, Mikrofonen und Kameras für den Fernunterricht. So hörte ich vielfach von Fällen, bei denen Lehrerinnen und Lehrer ihre eigenen technischen Geräte verwenden mussten, da die Ausstattung der Schule für den Distanzunterricht gar nicht oder nur teilweise funktioniert. Hier muss dringend weiter investiert werden, um die Lücken der letzten Jahrzehnte aufzuholen.
Was brauchen wir für einen funktionierenden Schulalltag und einen guten Fernunterricht in der Pandemie?
Die Antwort ist einfach. Wir benötigen genügend und vor allem gute Endgeräte für die Lehrerschaft sowie schnelles und stabiles Internet für die Schulen und die Schülerinnen und Schüler. Ebenso müssen funktionierende Programme für den Distanzunterricht zur Verfügung stehen und die Lehrerinnen und Lehrer müssen für den Umgang damit geschult sein.
Blicken wir auf die Zeit nach der Pandemie: Was macht eine gute digitale Schule und guten digitalen Unterricht Ihrer Ansicht nach aus – was konkret brauchen Schulen, Lehrende und Lernende?
Die digitale Schule steht und fällt mit einer guten Infrastruktur, mit ausreichend vorhandenen Endgeräten sowie mit funktionierenden und für die Schülerinnen und Schüler angepassten Programmen. Das bedeutet eine stärkere Investition in die technischen Ausstattungen der Schule, dabei sollte ein flächendeckender Glasfassanschluss genauso zum Standard gehören wie moderne Endgeräte für die Lehrer- und Schülerschaft. Natürlich müssen auch die Schulungen der aktiven und der sich momentan noch in der Ausbildung befindlichen Lehrkräfte verstärkt und intensiviert werden. Bei den Schülerinnen und Schülern muss der Umgang mit den digitalen Medien und Geräten stärker Einzug in die Lehrpläne finden. Dabei ist es wichtig, dass weiterführende Schulen ihr Angebot für den digitalen Umgang deutlich erweitern und dass Fächer wie Informatik mit einer höheren Lehrzeit pro Woche versehen werden.
Welche Rolle sollte die Digitalisierung zukünftig inhaltlich in der Schulbildung einnehmen?
Das ist eine schwierige Frage. Ich denke, es ist klar, dass die Digitalisierung in Zukunft eine größere Rolle in den Schulen spielen wird. Welche Rolle sie genau einnehmen wird, sollte dann mit Experten aus den Bereichen der Digitalisierung und Bildung geklärt werden.
Der Fokus im Bereich Bildung muss stärker auf die Digitalisierung fallen und es müssen ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden, um das Defizit, das sich in den letzten Jahren aufgetürmt hat, zu beseitigen. Bildung ist ein wichtiges Gut und die aktuelle Corona-Pandemie zieht die Schere der Bildungschancen weiter auseinander. Deshalb ist es wichtig, dass ein effektives Konzept erarbeitet wird, wie die Lernlücken, die durch die Pandemie entstanden sind, aufgeholt werden können. Es gilt nun genau hinzusehen, um Schülerinnen und Schüler zu schützen, damit sie nicht die Leidtragenden dieser Corona-Krise werden.
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