Interview mit Tankred Schipanski: „Wir haben viel vor in der Digitalpolitik“
Mit ihm ist die „neue Generation“ der digitalpolitischen Sprecher der Fraktionen im Deutschen Bundestag komplett: Tankred Schipanski wurde am 24. April als Nachfolger von Thomas Jarzombek zum neuen Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Digitale Agenda der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewählt. Der Jurist sitzt seit 2009 als direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Gotha und den Ilm-Kreis (Thüringen) im Bundestag. Als langjähriges Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda und im Forschungsausschuss beschäftigt er sich u.a. mit dem Themenkomplexdigitale Bildung. Zwischen 2010 und 2013 war der Parlamentarier außerdem als stellvertretendes Mitglied in der „Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft“ vertreten. Im Interview mit UdL Digital hat Tankred Schipanski über die angestrebte Reform des Bildungsföderalismus, Deutschlands Stellung bei Künstlicher Intelligenz und seine Erwartungen an die Arbeit mit der „neuen Generation“ von Digitalpolitikern im Bundestag gesprochen.
Welche Themen wollen Sie als neuer Vorsitzender der Arbeitsgruppe Digitale Agenda und Sprecher für Digitalpolitik der CDU/CSU-Fraktion in den kommenden Monaten und Jahren besonders begleiten? Was sind die größten digitalpolitischen Projekte der 19. Legislaturperiode?
Der Digitalpakt Schule, der Umgang mit dem Thema Künstliche Intelligenz, Privatheit und Sicherheit im Internet sind Themen, die mir wichtig sind. Grade im Bereich der Digitalpolitik sollte es aber nicht um Entweder-oder gehen, sondern um Sowohl-als-auch. Die Menschen sollen spüren, dass der digitale Wandel einen konkreten Nutzen für sie hat, z.B. durch bessere Serviceangebote der Verwaltung oder eine verbesserte medizinische Versorgung.
Sie sind auch Mitglied im Bildungsausschuss. Welche Rolle spielt die angestrebte Reform des Bildungsföderalismus für die Digitalisierung der Bildung? Wann können die Länder Ihrer Einschätzung nach mit Geldern aus dem Digitalpakt rechnen?
Der Digitalpakt Schule und die damit verbundenen massiven Investitionen des Bundes spielen eine ganz entscheidende Rolle für Fortschritt in der digitalen Bildung. Voraussetzung dafür, dass der Bund hier bei Infrastruktur und Ausstattung an den Schulen mitfinanzieren darf, ist eine Grundgesetzänderung, der nach dem Kabinett nun auch noch Bundesrat und Bundestag zustimmen müssen. Das wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte passieren. Erst danach können Mittel in den Haushalt eingestellt werden, die dann hoffentlich im kommenden Jahr abgerufen werden können. Davon unabhängig können und müssen die Länder damit starten, die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte in Bezug auf das Lehren und Lernen mit digitalen Medien voranzutreiben. Wir haben keine Zeit zu verlieren, dass wissen wir.
Insbesondere nach dem Datenskandal um Cambridge-Analytica und Facebook nimmt die internationale Kritik an der undurchsichtigen Datenverwertungspraxis von Plattformen und Netzwerken zu. Auch Ihr Vorgänger Thomas Jarzombek hat zuletzt weitgehende Regulierung gefordert. Muss das Geschäft der Social-Media-Riesen Ihrer Ansicht nach strenger geregelt werden? Welche Maßnahmen schlagen Sie vor?
Schon unsere Erfahrungen mit dem Thema Umgang mit Hate-Speech haben gezeigt: Die großen sozialen Plattformen bewegen sich offenbar erst dann, wenn wir gesetzgeberisch Druck machen, wie mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz.
Mit der Datenschutzgrundverordnung, die am 25. Mai europaweit in Kraft tritt, bekommen wir strengere Datenschutzregeln und Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen. Auch die Aufklärung rund um den Datenmissbrauch durch Cambridge-Analytica war bisher unbefriedigend. Ohne Regulierung wird es nicht gehen. Wie die genau aussehen kann, ob zum Beispiel Interoperabilität ein Weg ist, dass müssen wir mit Datenschutzbehörden, Bundeskartellamt und Verbraucherschutzorganisationen gemeinsam erörtern.
Hinweise für die künftige Ausgestaltung eines Ordnungsrahmens gibt auch das Weißbuch Digitale Plattformen.
Beim Thema Künstliche Intelligenz hinken Deutschland und Europa deutlich hinter anderen Ländern – etwa USA und China–hinterher. Wie können die Potenziale von KI zeitnah besser genutzt werden? Welche Schritte sind dafür notwendig?
Wir haben eine gute Ausgangslage. Deutschland hat schon heute starke Forschungseinrichtungen im Bereich KI, z.B. das 1988 eingerichtete Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Unsere außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie die Fraunhofer-Gesellschaft, die Max-Planck-Gesellschaft und die Helmholtz-Gemeinschaft leisten exzellente Beiträge, an 20 Universitäten kann man KI als Schwerpunkt im Informatik-Studium wählen. Wir fangen also nicht bei null an. Wenn wir aber international führend sein wollen bei der Erforschung von KI, wie es unser Anspruch ist, dann müssen wir noch einen Gang höher schalten.
Dazu gehört der Aufbau eines nationalen Forschungskonsortiums für künstliche Intelligenz. Bis zum Herbst 2018 will die Bundesregierung einen nationalen Masterplan KI erarbeiten. Gemeinsam mit Frankreich wollen wir ein Zentrum für künstliche Intelligenz errichten, dazu fanden bereits erste Gespräche zur strategischen Ausrichtung statt. Mit Polen ist ein Zentrum für digitale Innovationen geplant. Die EU-Kommission hat grade eine Investitionsoffensive angekündigt. Wir wissen, dass der Umgang mit KI entscheidend ist für unsere künftige Wettbewerbsfähigkeit, auch auf europäischer Ebene. Deshalb ist eine gemeinsame Kraftanstrengung der richtige Weg, um im Wettbewerb mit China und den USA bestehen zu können.
Außerdem werden wir im Bundestag eine Enquete-Kommission einsetzen, die klären soll, auf der Basis welcher ethischen und gesellschaftlichen Grundsätze KI eingesetzt werden soll.
Mit Ihnen ist die „neue Generation“ der digitalpolitischen Sprecher der Fraktionen im Deutschen Bundestag komplett. Ihr Vorgänger Thomas Jarzombek war der letzte, der bereits in der 18. Legislaturperiode Sprecher für das Themengebiet war. Was erhoffen Sie sich von der Zusammenarbeit mit Ihren Sprecher-Kollegen im Ausschuss und bei der öffentlichen Debatte über digitalpolitische Themen? Glauben Sie, dass die Digitalpolitik den selben Rang erreicht hat, wie andere Politikfelder?
Meine Sprecherkollegen Jens Zimmermann (SPD), Dieter Janecek (Grüne) und ich kennen uns ja schon aus der Arbeit im Ausschuss Digitale Agenda in der letzten Legislaturperiode. Den Kollegen Manuel Höferlin (FDP) kenne ich noch aus der Arbeit in der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft. Neu im Thema sind wir also nicht. Wir haben in Deutschland viel vor in der Digitalpolitik. Deshalb erhoffe ich mir von allen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss eine konstruktive und sachorientierte Zusammenarbeit. Als Koalitionsfraktionen haben wir dabei besonders im Blick, dass die digitalpolitischen Projekte aus dem Koalitionsvertrag zeitnah in die Tat umgesetzt werden.
Und was den Stellenwert der Digitalpolitik betrifft: Zu Beginn der letzten Legislaturperiode war nicht mal sicher, ob es einen eigenen Bundestagsausschuss geben würde. Heute wird das nicht mehr in Frage gestellt. Der Digitalisierung haben wir im Koalitionsvertrag ein eigenes Kapitel gewidmet, und wir haben mit Dorothee Bär eine neue Digitalstaatsministerin. In den Regierungserklärungen der Bundeskanzlerin steht der Bereich Digitalisierung meist an erster Stelle.
Ich glaube, mittlerweile ist überall angekommen, dass Digitalpolitik kein Nischenprodukt ist, sondern das Zukunftsthema schlechthin. Daran haben auch die Digitalpolitiker einen Anteil, die in ihren Fraktionen hartnäckig immer wieder dafür geworben haben.