Interview mit Olaf Lies: Digitalisierung ganz oben in der Landesregierung

Olaf Lies, Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung | Bildrechte: MW/Shino Photography
Olaf Lies, Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung | Bildrechte: MW/Shino Photography
Veröffentlicht am 20.01.2023

Olaf Lies ist seit November 2022 neuer Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung, bestimmt die Geschicke Niedersachsens aber bereits seit zehn Jahren in der Landesregierung mit. Ein Gespräch über die Herausforderungen bei der Digitalisierung, den Netzausbau in Deutschlands zweitgrößtem Flächenland, Förderprogramme und neue Technologien.

Herr Lies, das Amt des Niedersächsischen Wirtschaftsministers hatten Sie bereits von 2013 bis 2017 inne, damals noch ohne die Extra-Erwähnung der Digitalisierung. Was hat sich seitdem aus Ihrer Sicht in diesem Bereich in Niedersachsen getan?

Es gab zahlreiche Entwicklungen gesellschaftlicher, ökonomischer und technologischer Art, die nicht zuletzt durch die Pandemie gepusht wurden und die die Rahmenbedingungen für das „digitale Niedersachsen“ verändert haben. Digitale Transformationsprozesse von Staat, Gesellschaft, Bildung, Forschung und Wirtschaft sind sichtbar geworden. Gerade Corona wirkte durchaus auch wie ein Brennglas und hat die Defizite, die wir noch haben, aufgezeigt. Kurz gesagt: Digitalisierung ist nicht erst seitdem ein Megathema, und das muss sich ganz oben – auch namentlich – in einer Landesregierung wiederfinden.

Gleichzeitig haben wir bereits viel erreicht: Der Breitbandausbau ist in den jüngsten Jahren intensiv forciert worden. Zum einen liegt dies an einer hohen Marktdynamik durch neue Investoren auf dem Telekommunikationsmarkt, zum anderen an der guten Ergänzung durch die Förderung des Landes – überall dort, wo „der Markt“ nicht ausbaut. Gleiches gilt für Mobilfunk. Auch hier ist der Ausbau spürbar vorangeschritten. Da haben wir vieles unter rot-schwarz angefangen, was wir jetzt als rot-grüne Landesregierung nochmal stärker vorantreiben werden.

Wie bewerten Sie den aktuellen Stand des Glasfaserausbaus und der Mobilnetzabdeckung im großen Flächenland Niedersachsen? Was muss hier noch getan werden?

Foto: Pixabay User Pronschee | CC0 1.0 | Ausschnitt bearbeitet

Die Versorgung mit gigabitfähigen Anschlüssen liegt in Niedersachsen bei 63 Prozent. Nach Abschluss aller laufenden bekannten Ausbaumaßnahmen werden es 81 Prozent sein. Die Glasfaserversorgung (bis ins Gebäude) liegt in Niedersachsen bei 26 Prozent und wird sich auf 55 Prozent erhöhen. Da haben wir in jüngster Zeit erhebliche Fortschritte erzielt. Aber damit das Ziel der Landesregierung „Gigabit für alle, Glasfaser in ganz Niedersachsen“ erreicht wird, müssen wir auf der einen Seite die Ausbauzahlen weiter erhöhen.

Ein wichtiger Baustein ist ein zentrales Leitungskataster. Es ist doch absurd, dass wir teilweise nicht wissen, wo welche Leitung liegt. Das müssen wir wissen, damit wir schneller vorankommen. Wenn wir bei Infrastrukturvorhaben immer wieder bei Betreibern gesonderte Anfragen stellen müssen, ist das für die neue Deutschlandgeschwindigkeit, mit der wir jetzt das LNG-Terminal in Wilhelmshaven innerhalb von nur acht Monaten, geplant, genehmigt und gebaut bekommen haben, im Breitbandausbau kontraproduktiv. Gemeinsam mit der Bauwirtschaft haben wir deshalb eine Initiative gestartet, das Gigabit-Grundbuch der Bundesregierung zu einem solchen Kataster auszubauen. Wenn uns diese Innovation gelingt, wenn danach Länder und Kommunen gute Daten zuliefern, beschleunigen wir auch die zahlreichen Infrastrukturprojekte. Wir müssen aber bedenken: Etwa 90 Prozent des Ausbaus übernehmen die privaten Telekommunikationsunternehmen. Als Land unterstützen wir überall dort, wo der Ausbau nicht wirtschaftlich ist – also hauptsächlich in ländlichen Gebieten.

Beim Mobilfunkausbau belegt Niedersachsen Rang 3 der Flächenländer bei der 4G-Versorgung – hinter Schleswig-Holstein und Sachsen. Das heißt: 98,5 Prozent der Landesfläche sind laut Bundesnetzagentur von mindestens einem Netzbetreiber mit dem 4G-Standard versorgt; 83,3 Prozent werden mit 5G-Standard versorgt. Rang 3 klingt gut, darf uns aber nicht zufriedenstellen, denn diese Zahl sagt aus, dass eine Abdeckung durch mindestens jeweils einen der Netzanbieter gegeben ist. Bereits angelaufene Mobilfunkförderprogramme des Bundes und der Länder verfolgen das Ziel, verbliebene Versorgungslücken dort zu schließen, wo bislang kein Netzbetreiber Mobilfunk für Sprachtelefonie und Datenübertragung bietet. 

Foto: Flickr Christoph Scholz | CC BY-SA 2.0 | Ausschnitt bearbeitet

Welche weiteren digitalpolitischen Themen und Herausforderungen stehen auf der Agenda Ihres Ministeriums und der neuen Landesregierung für die kommenden Jahre?

Wir wollen den Fortschritt unseres Landes in der Digitalisierung durch gezielte Förderprogramme vorantreiben. So können wir den Aufbau von Wissenszentren unterstützen und Themen wie AI, Blockchain und New Work voranbringen. Und es gibt weitere interessante Entwicklungen, ich sage an dieser Stelle drei Schlüsselbegriffe: Low-Code, IoT und Cloud-Computing. Aus jeder einzelnen Technologie müssen wir einen Mehrwert für unsere Wirtschaft generieren und die Anwendung in Niedersachsen sukzessive erweitern. Für die Landesregierung insgesamt stehen natürlich auch Spezialthemen wie Cybersecurity im Fokus – und auch von der Politik oft zu Unrecht eher als Nischen betrachtete Bereiche, wie der Gaming-Sektor, haben echtes Potenzial.

Gibt es Punkte, bei denen Bund und Länder zum Gelingen der Digitalisierung aus Ihrer Sicht noch besser zusammenarbeiten könnten?

Ja, für den Bereich Breitbandförderung des Bundes ist es wichtig, dass hier schnell Klarheit herrscht, wie es mit der Förderung weitergeht. Um den Kommunen in nicht-wirtschaftlichen Gebieten eine Perspektive zu bieten, ist es wichtig, schnell eine neue Richtlinie auf den Weg zu bringen. Wir als Land – wie auch die anderen Bundesländer – stehen bereit, müssen aber die Eckpunkte der Bundesförderung abwarten.

Mehr Informationen:

Digitale Infrastruktur: „Deutschland-Tempo“ für den Netzausbau
Digitalisierung in den Ländern: Was ist das D16-Treffen?
Telekommunikation: Ergebnisse der VATM-Marktstudie 2022

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