Interview mit Herbert Behrens zur Netzpolitik der Linken

Veröffentlicht am 20.08.2014

Herbert Behrens vertritt seit 2009 den Wahlkreis Osterholz – Verden, Niedersachen. Nach einer Ausbildung zum Schriftsetzer war Behrens als selbständiger Journalist und seit 2002 als Gewerkschaftssekretär tätig. Er ist Obmann der Fraktion Die Linke im Ausschuss für Verkehr und Digitale Infrastruktur sowie ordentliches Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda und im Rechnungsprüfungsausschuss. Daneben engagiert er sich unter anderem bei der Gewerkschaft ver.di, bei Attac, der AWO, BUND und der Rosa-Luxenburg-Stiftung Niedersachsen. Wir haben mit ihm über die aktuelle Netzpolitik seiner Partei gesprochen.

Auf welche Bereiche der Netzpolitik legt die Linke in dieser Legislatur besonderen Wert?
Herbert Behrens: Die Wahrung und der Ausbau der Rechte der Nutzerinnen und Nutzer stehen auf unserer digitalen Agenda nach wie vor ganz oben. Es ist ja nicht wirklich geklärt, wie deren Interessen und jene der Urheberinnen und Urheber im Sinne einer demokratischen, partizipativen Netzpolitik zusammengebracht werden können. Ein umfassender Daten- und Verbraucherschutz ist das zweite große Thema, das angesichts aggressiver politisch und ökonomisch motivierter Ausspähaktivitäten dringend bearbeitet werden muss. Der Breitbandausbau ist der dritte Punkt in unserem Arbeitsprogramm. Dabei wird auch das gesellschaftlich wichtige und spannende Thema der fortschreitenden Digitalisierung der Gesellschaft und Arbeitswelt zu bearbeiten sein.

Welchen Stellenwert hat für Sie die bürgerrechtliche Dimension der Netzpolitik?
Herbert Behrens: Als Linker bewerte ich die Bürgerrechte höher als wirtschaftspolitische Kriterien. Gerade jetzt, wo die Netzpolitik in der Politik der Bundesregierung noch praktisch ausgeformt werden soll, ist es für mich wichtig, dass die ökonomischen Interessen die gesellschaftlichen Implikationen nicht unterpflügen. In der aktuellen Situation ist es vor allem wichtig, die defensive Schutzpolitik, die angesichts der Datenskandale zu Recht viel Raum einnimmt, zu überwinden. Mir geht es darum, alsbald der Ausweitung der Rechte und den Ausbau der Gestaltungsmöglichkeiten wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Die Bundestagsfraktion Die Linke stellt sehr viele Kleine Anfragen zu netzpolitischen Themen. Welche Impulse für die Netzpolitik verspricht sie sich von dieser Strategie?
Herbert Behrens: Unsere Mitarbeiter erhalten am Jahresende einen Bonus für jede Kleine Anfrage. Große Anfrage zählen doppelt. ACHTUNG: SCHERZ!!! Scherz beiseite. Für unsere Arbeit als kritische und konstruktive Opposition brauchen wir Informationen. Die Ministerien verfügen über diese Informationen oder auch nicht. Beides wollen wir mit Anfragen transparent machen. Ich glaube, die so zu Tage geförderten Informationen sind auch für die Mitglieder der Koalitionsfraktionen wichtig, denn auch sie haben die Aufgabe den Gesetzgeber zu kontrollieren. Eine ganz wesentliche Bedeutung haben die Anfragen natürlich für die netzpolitischen Initiativen, die uns wesentliche Impulse für parlamentarische Anfragen geben. Das bietet Chancen, ihre Arbeit und unsere parlamentarische Arbeit zu qualifizeren.

Welche weiteren netzpolitischen Initiativen ergreift die Linke zur Ausgestaltung ihrer Netzpolitik?
Herbert Behrens: Wir haben verschiedene Veranstaltungsformate in Planung. Anlässlich des Juristentages in Hannover wird es eine Fachveranstaltung zum Thema Urheberrecht geben. Wir haben bereits viele Kleine Anfragen an die Bundesregierung eingereicht (siehe oben). Gesetzesinitiativen und Anträge wird es weiterhin geben. Die enge Zusammenarbeit mit den Akteuren in der progressiven Netzpolitik-Szene ist dafür die gute Grundlage, die wir pflegen.

Einige Parteien haben netzpolitische Think Tanks, etwa der SPD-nahe Verein D64 oder der Unions-nahe Verein cnetz, mit denen auch Meinungen außerhalb der Parteistrukturen eingebunden werden. Gibt es bei der Linken ähnliche Pläne? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit diesen und anderen Netzaktivisten, wie beispielsweise dem Chaos Computer Club oder anderen Bürgerinitiativen?
Herbert Behrens: Wir gehörten zu den ersten Parteien, die eine Bundesarbeitsgemeinschaft zum Thema eingerichtet hat. Statt seltsamer Akronyme trägt sie den einfachen Titel Bundesarbeitsgemeinschaft Netzpolitik. Als Partei mit flachen Hierarchien ist uns besonders wichtig, dass in dieser Arbeitsgemeinschaft interessierte Parteimitglieder und parteilose Expertinnen und Experten und Abgeordnete aus den Landesparlamenten, dem Bundestag und dem Europaparlament gleichberechtigt arbeiten. Daraus entwickelt unsere Netzpolitik ihre Stärke; das es eben keine Top-Down-Politik ist.

Wie schätzen Sie die aktuellen Pläne zur digitalen Agenda der Bundesregierung ein?
Herbert Behrens: Der aktuelle Entwurf zur digitalen Agenda bleibt noch hinter dem Koalitionsvertrag zurück. Nach der parlamentarischen Sommerpause ist ein Jahr dieser Legislatur rum und passiert ist bisher nicht viel. Der Ausschuss Digitale Agenda wurde von der Regierungskoalition zu einem Randausschuss ohne Federführung degradiert. Das ist ein echter Skandal. Da konnten wir nach meinem Eindruck wirkungsvoller im früheren Unterausschuss Neue Medien arbeiten. Der Breitbandausbau ist nicht mit heißer Luft aus dem Verkehrsministerium hinzukriegen. Eine Reform des Urheberrechts im Sinne einer Veränderung, die die Interessen der Urheberinnen und Urhebern schützt, ohne die der Nutzerinnen und Nutzer zu einer Restgröße verkommen zu lassen, ist nicht in Sicht. Die Lösung in Sachen offenes W-Lan und Störerhaftung wird wohl auch eher halb gar ausfallen. Die Liste ließe sich fortsetzen. Einzig die ökonomischen Interessen sollen einigermaßen bedient werden. Das ist keine zukunftsweisende gesellschaftspolitische und wirtschaftspolitische Netz-Strategie. Darum wird es auch darum gehen, die netzpolitischen Akteure, die an diesen Themen arbeiten, in die parlamentarische Debatte einzubeziehen. Ich verstehe meine parlamentarische Arbeit in diesem Sinne und weiß auch unsere Linksfraktion an meiner Seite.

Zur Netzpolitik der anderen Parteien

Welche Schwerpunkte setzen die anderen Parteien beim Thema Netzpolitik und der Gestaltung der Digitalen Agenda? Hier findet man weitere Texte zum Thema:

Interview mit Nadine Schön zur Netzpolitik der CDU

Die SPD: Von der netzpolitischen Raupe zum Schmetterling?

Interview mit Dr. Konstantin von Notz zur Netzpolitik von Bündnis 90/Die Grünen

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion