Innovative Start-ups: D64 für nachhaltiges Gründen

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Veröffentlicht am 17.07.2020

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Deutschland braucht mehr innovative Start-ups, auch für die Raumfahrt, heißt es aus Politik und Wirtschaft. Dafür ist aber nicht nur mehr Kapital in der Wachstumsphase nötig, schreibt der digitalpolitische Verein D64. Gründen muss familienfreundlicher, inklusiver und nachhaltiger werden. Zu den Vorschlägen für einen Kulturwandel in der Start-up-Szene zählt auch ein neues Gesetz für flexible Arbeitszeiten.

Der Traum vom All ist auch in der Politik groß. Innovationen und Impulse für kreative und digitale Geschäftsmodelle erhoffen sich Wirtschaft und Politik von jungen Unternehmen, gerade im Bereich Künstliche Intelligenz, Blockchain und auch für die Raumfahrt. „Unser Ziel ist es, neben den etablierten Launcher-Anbietern neue Akteure aus dem Start-up-Umfeld aufzubauen“, sagt Thomas Jarzombek, der neben seiner Position als Start-up-Beauftragter des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) auch Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt ist. „Der Staat soll nicht mehr alles selbst entwickeln, sondern verstärkt Leistungen bei Start-ups einkaufen“, lautet seine Devise. Nach Vorbild der USA will er die Raumfahrt auch privatwirtschaftlich organisieren, wobei ihm Firmen wie das private Raumfahrtunternehmen SpaceX von Tesla-Chef Elon Musk vorschweben.

Große Erwartungen, die an drei süddeutsche Raketen-Start-ups gerichtet sind. HyImpulse Technologies aus Baden-Württemberg, IsarAerospace Technologies und Rocket Factory Augsburg aus Bayern haben es in die zweite Runde des Mikrolauncher-Wettbewerbs des DLR Raumfahrtmanagements geschafft. Sie entwickeln „kleine und moderne Trägerraketen mit einer Nutzlast von einigen hundert Kilogramm“, erklärt das BMWi. Für die Ausarbeitung ihrer Konzepte erhalten sie nun jeweils 500.000 Euro. In zwei bis drei Jahren sollen die Raketen bei Demonstrationsflügen dann abheben. Insgesamt stellt das Ministerium dafür 25 Millionen Euro bereit.

Mehr Kapital gefragt

Die Finanzierung, zum Beispiel durch Wettbewerbe oder andere erfolgreiche Unternehmen, ist für Start-ups essentiell, weil sie anfangs kaum Geld verdienen, aber viel investieren müssen. Lisa Gradow, stellvertretende Präsidentin des Bundesverbands Deutsche Startups, betont aber: „Startups sind bereits jetzt Innovations- und Jobmotoren. Sie können, wenn man ihnen die richtigen Rahmenbedingungen gibt, zu den neuen Aushängeschildern unserer Wirtschaft werden.“ Durch die Coronakrise sind diese Bedingungen aber nicht gerade besser geworden. Nur jedes zehnte Start-up sieht den Kapitalzufluss als gesichert an, wie eine Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom im Mai und Juni unter 112 Start-ups ergab. „Ohne erfolgreiche Finanzierungsrunden drohen Startups mit ihren hochqualifizierten Arbeitsplätzen und innovativen Technologien und Lösungen unverschuldet zu verschwinden“, warnt Bitkom-Präsident Achim Berg.

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Die Bundesregierung hat im April ein 2-Milliarden-Euro-Hilfspaket geschnürt, woraus das erste Geld im Mai fließen sollte. Bisher wurde aber noch nichts ausgezahlt. „In Kürze“ soll es nach den Worten von Jörg Goschin, Co-Geschäftsführer von KfW Capital, aber soweit sein. Außerdem plant die Bundesregierung einen Zukunftsfonds für Start-ups. Trotzdem scheint für Gründer*innen das Ausland attraktiver zu sein: Fast jedes vierte Start-up überlegt laut Bitkom-Umfrage, Deutschland zu verlassen, weil es hier zu wenig Kapital gibt. Der durchschnittliche Kapitalbedarf liegt demnach bei 3,3 Millionen Euro.

Kulturwandel nötig

Was muss sich also ändern, um junge Unternehmen in Deutschland zu fördern und zu halten? Der Bundesverband Deutsche Startups hat im Juni acht Maßnahmen vorgeschlagen, die der Bundesrepublik zu einer „neuen Gründerzeit“ verhelfen sollen. Dazu gehören Wachstumskapital über den geplanten Zukunftsfonds, Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung und Vereinfachungen bei der Steuer. Außerdem sollten Start-ups von Bürokratie entlastet werden. Nach französischem Vorbild schlägt der Verband permanente „Ansprechpartner*innen aus verschiedenen Ministerien und Behörden“ vor. Zudem sollten die Kompetenzen und Ressourcen des Start-up-Beauftragten des BMWi ausgeweitet und gestärkt werden.

Der Verein D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt fordert darüber hinaus insgesamt einen Paradigmenwandel. „In Deutschland werden neue Ideen öfter als andernorts aus Angst vor dem Scheitern gar nicht erst ausprobiert. Wir müssen aber unternehmerisches Scheitern als Chance begreifen, beim nächsten Mal aus diesen Erfahrungen zu lernen und nicht stigmatisieren“, schreiben die Autor*innen in dem Papier „10 Maßnahmen für eine progressive Gründungskultur“. Dafür heben sie besonders drei Punkte hervor: Inklusivität, Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung.

Gründen soll familienfreundlicher werden

Auch Menschen, die sich um Kinder, Kranke oder ältere Menschen kümmern, sollten die Möglichkeit haben, Unternehmen zu gründen. Das gilt ebenfalls für Menschen mit Migrationshintergrund und ohne reiche Familien – das meinen die Autor*innen mit Inklusivität. Um mehr Frauen zum Gründen zu bewegen, seien eigenständige Mentoring-Programme ein erster wichtiger Schritt. Darüber hinaus sollten auch Entscheidungsgremien, die über die Finanzierung von Start-ups abstimmen, diverser zusammengesetzt sein. Das könnte zum Beispiel über eine Quote in den Gremien staatlicher Förderstellen geregelt werden. „Vor allem braucht es zeitlich umfassende und leistbare Kinderbetreuung für Gründerinnen und Gründer: Eltern gründen deutlich anders und Gründen kann auch familienfreundlich sein“, heißt es in dem Papier. Dazu müsse aber das Risiko reduziert werden, etwa dadurch, dass die Bemessungsgrundlage für Selbstständige bei der Krankenversicherung verändert wird. Der Eigenanteil der Gründenden sollte in der Anfangsphase bezuschusst werden.

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Der zweite Punkt, Nachhaltigkeit, ist nicht auf die Umwelt bezogen, sondern auf den Weg zum Erfolg. Es geht darum, Geschäftsideen Zeit zu geben, sich zu entwickeln, nach dem Motto: Viele verschiedene Wege können zu einem erfolgreichen Unternehmen führen. Mit dem dritten Punkt, gesellschaftliche Verantwortung, beziehen sie sich dann auf den Respekt von arbeits-, steuer-, und umweltrechtlichen Standards, die sie für eine „nachhaltig erfolgreiche Startup-Szene“ voraussetzen. Das Thema ist aktuell durch den Vorschlag für ein Lieferkettengesetz wieder in den Fokus gerückt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) haben ein solches Gesetz noch in dieser Legislaturperiode angekündigt, da sich Unternehmen nicht freiwillig ausreichend an Menschenrechte sowie Arbeits-, Umwelt-, und Sozialstandards halten, wie eine Umfrage ergab.

Im Papier von D64 wird auch ein neues Gesetz gefordert – für „mobiles und flexibles Arbeiten“. Die Begründung: Start-ups müssen mit etablierten Unternehmen um Fachkräfte konkurrieren, wobei attraktive Arbeitszeiten ein Plus sind. Home-Office-Regelungen würden aber „von der aktuellen Gesetzeslage ausgebremst“, kritisieren die Autor*innen und fordern: „Alle im Startup-Ökosystem sollen ein Anrecht bekommen, bis zu 20 % der Arbeitszeit im Home-Office zu leisten.“ Gleichzeitig müssten auch der Schutz der Beschäftigten und die Möglichkeit der Nicht-Erreichbarkeit rechtlich gesichert werden. Vor allem durch die Coronakrise, während der viele Menschen von zuhause arbeiten, hat diese Debatte nicht nur bei Start-ups neue Fahrt aufgenommen.

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