Inklusion: Wie digitale Technologien Barrieren abbauen

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Veröffentlicht am 20.03.2020

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Wir alle nutzen immer mehr digitale Technik, die uns den Alltag erleichtert und im Beruf unterstützt. Einen noch größeren Unterschied können intelligente Lösungen auf das Leben von Menschen machen, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung auf Barrieren in Alltag und Beruf stoßen.

Wie uns digitale Technologien im Alltag helfen können, erleben wir gerade im Zuge der Ausbreitung des Corona-Virus: Während das Leben draußen zum Erliegen kommt, können wir via Live-Stream an Veranstaltungen teilnehmen oder mit Hilfe von Online-Kommunikationsdiensten und digitaler Vernetzung von Zuhause aus unseren Büro-Job meistern. Dank dem Einsatz moderner Technologie lassen sich also räumliche Barrieren gut überbrücken.

Doch wie steht es um die Personen in unserer Gesellschaft, die durch körperliche und gesundheitliche Beeinträchtigungen im Alltag mit Barrieren konfrontiert sind? Nach Angaben der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) leben allein in der EU rund 80 Millionen Menschen mit einer Behinderung. Menschen, die beispielsweise nicht sehen, hören oder sprechen können, in ihrer Fähigkeit zum Gehen beeinträchtigt oder sogar gänzlich bettlägerig sind. Kann die Digitalisierung ihnen neue Möglichkeiten der Teilhabe am Gesellschafts- und Arbeitsleben eröffnen?

Mehr Inklusion am Arbeitsmarkt dank Digitalisierung

Aufschluss über die Situation in Deutschlands Unternehmen liefert uns eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) mit Sitz in Köln. Erfreuliches Ergebnis: Die Digitalisierung wirkt sich positiv auf die Inklusion von Menschen mit Behinderung aus. So setzt bereits jedes fünfte Unternehmen gezielt digitale Technologien ein, um Mitarbeiter*innen mit einer Behinderung im Arbeitsalltag zu unterstützen. Darüber hinaus verspricht sich fast jedes dritte aller befragten Unternehmen von der Digitalisierung zusätzliche Chancen für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung.

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Derzeit beschäftigen aber nur 46 Prozent aller Unternehmen Mitarbeiter*innen mit Handicap, unter den Großunternehmen sind es nahezu 100 Prozent. „Mögliche Gründe dafür könnten sein, dass größere Firmen einerseits einen Wissensvorsprung haben, weil sie besser über behindertengerechte Hilfsmittel informiert sind. Andererseits verfügen sie über mehr Ressourcen und erleichtern so behinderten Menschen den Arbeitsalltag“, heißt es dazu seitens des IW.

Teilhabe am Arbeitsleben durch digitale Technologien

Eine digitale Lösung, die Menschen mit Behinderung den Einstieg in das Arbeitsleben erleichtern soll, liefert das Start-up DIA.AI aus dem indischen Bangalore. Dabei handelt es sich um eine Rekrutierungsplattform, mit „automatisierten, virtuellen KI-Agenten, die speziell für Blinde, Taubstumme sowie Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung […] gedacht sind“, erklärt Mitgründerin Swati Hegde. Das Start-up entwickelte auch spezielle Hörgeräte für die Rekrutierung von taubstummen Bewerber*innen sowie Indiens erste Braille-Tastatur zum Programmieren.

Wie steht es um Menschen mit schweren körperlichen Handicaps, die in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt sind? Das digitale Technologien auch in diesen Fällen Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen kann, demonstrierte das japanische Start-up Ory Lab im November 2018 in Tokio: Für zwei Wochen wurde das Dawn Ver Beta-Café eröffnet, in dem Kunden ausschließlich von den Avatar-Robotern OriHime bedient wurden. OriHime lässt sich dank einer ausgefällten Eye-Tracking Technologie gänzlich durch Augenbewegungen steuern. Dadurch war es möglich, alle Roboter von bettlägerigen Menschen mit schweren, körperlichen Behinderungen durch Krankheiten wie Amyotropher Lateralsklerose (ALS) fernsteuern zu lassen.

Ein Roboter, der niemanden die Arbeit wegnimmt, sondern Teilhabe am Arbeitsleben erst ermöglicht. Was hier in einem kleinen Feldversuch mit lokalem Netz funktioniert, ist mit einer Mobilfunktechnologie wie 5G sogar für die ganze Außenwelt denkbar, wodurch Teilhabe am beruflichen wie auch am gesellschaftlichen Leben wieder erreichbar ist.

Neue Freiheiten und Möglichkeiten im Alltag

Querschnittsgelähmte und Menschen, die durch Muskelerkrankungen ihre Bewegungsfähigkeit eingebüßt haben, sind in ihrer Mobilität auf Hilfe angewiesen. Die Erfindung des in München beheimateten, deutschen Start-ups munevo gibt diesen Menschen die Möglichkeit, ihren Rollstuhl durch Kopfbewegungen zu steuern. Dazu entwickelte das Gründer-Team eine smarte Brille mit integrierter Sensorik. „Je nach Bewegungsradius kann die Sensibilität der Sensoren eingestellt werden. So können wir immer sicherstellen, dass die Nutzer die Brille sicher und gut bedienen können“, erklärt munevo-CEO Claudiu Leverenz.

Dokumente lesen oder Personen und deren Emotionen erkennen sowie die Umgebung beschreiben – was für die Mehrheit selbstverständlich ist, wird nun auch für Menschen mit Sehbehinderung dank einer Smartphone App von Microsoft möglich. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz teilt Seeing AI per Sprache mit, was konkret zu sehen ist: Somit wird die visuelle Welt zu einer hörbaren Erfahrung.

Barrieren sind aber auch bei Anwendungen auf Basis von Spracherkennung vorhanden, beispielsweise für Menschen mit Erkrankungen wie ALS. Der fortschreitende Muskelschwund schränkt mit der Zeit die Motorik sowie das Sprachvermögen zunehmend ein. Aber auch hier kann Technologie helfen, wie wiederum Google mit dem Projekt Euphonia zeigt: Mit Hilfe maschinellen Lernens ist es möglich, die Spracherkennung so personalisiert zu trainieren, dass selbst schwer verständliche Sprache korrekt erkannt wird. Der Algorithmus ist aktuell auf Englisch konditioniert sowie auf sprachliche Beeinträchtigungen, die typischerweise mit ALS verbunden sind – in Zukunft soll er auch für andere Sprachen und auf weitere Sprachstörungen trainiert werden.

Sicherheit und Komfort für altersbedingte Einschränkungen

Aber auch das Alter kann dazu führen, dass geistige sowie körperliche Fähigkeiten nachlassen, manche Bewegungen schwerer fallen und sich beispielsweise das Sturzrisiko erhöht. Hinzu kommen altersbedingte Krankheiten wie Demenz, die ein selbständiges Leben ebenfalls erschweren und zusätzlich das Risiko von Unterernährung oder Dehydrierung steigern. Digitale Helfer können auch hier unterstützen – vor allem durch das Internet der Dinge.

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Sensoren im Haushalt können einen Sturz erkennen und im Gefahrenfall schnell Pflegepersonal oder Angehörige alarmieren. Intelligente Gegenstände wie vernetzte Gläser erinnern daran, ausreichend zu trinken, während intelligente Pillenschachteln die Medikamenten-Einnahme überwachen. Das Licht per Sprachbefehl einschalten oder einen Anruf durch den Sprachassistenten zu tätigen – für ältere Menschen mit körperlichen Einschränkungen können auch smarte Lautsprecher eine Hilfe sein. Somit sorgen digitale Technologien nicht nur für mehr Sicherheit, sondern auch für mehr Komfort im Alter.

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