Informationen und Manipulation im Netz: Ein Generationendialog mit Kevin Kühnert

Foto: Till Budde
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Veröffentlicht am 06.04.2022

Welchen medialen Bildern und Informationen kann man heute eigentlich noch vertrauen? Wo und wie kann ich mich informieren, um unsere Demokratie konstruktiv mitzugestalten? Und wie sollten wir mit Desinformation umgehen? Zu diesen Fragen fand am 5. April ein Austausch zwischen jungen und älteren Menschen im BASECAMP statt, bei dem sich auch Kevin Kühnert den Fragen des Publikums stellte.

Ein so generationenübergreifendes Publikum wie an diesem Morgen war wohl noch nie vor Ort im BASECAMP versammelt. Zusammen mit mehreren Senior:innen verteilten sich über 50 Neunt- und Zehntklässler aus zwei Berliner Gymnasien an den Gruppentischen, um über die Themen Desinformation und digitale Medien zu sprechen. Das Event brachte erstmals die beiden Sozialprogramme von Telefónica, „WAKE UP!” sowie Digital mobil im Alter, zusammen und wurde gemeinsam mit der Stiftung Digitale Chancen und dem Verein Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter organisiert.

Foto: Till Budde

Warum der Austausch zwischen jungen und älteren Menschen wichtig ist

Gleich zu Beginn erläuterten die beteiligten Organisationen ihre Anliegen und Motivation für die Themen des Events:

„Wir möchten Älteren die vielfältigen Möglichkeiten des Internets aufzeigen, ihren digitalen Einstieg unterstützen und zugleich mit ihnen ins Gespräch über aktuelle gesellschaftliche Themen kommen.“ (Stephan Seiffert, Stiftung Digitale Chancen)

„Auch wenn es jungen Menschen leichter fällt, sich im Internet zu bewegen, brauchen sie ebenfalls Aufklärung und Anleitung, um Desinformationen zu erkennen und richtig damit umzugehen.“ (Lidia de Reese, Medienpädagogin und Vertreterin des Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e. V.)

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Die Journalistin Anna Metzentin führte als Moderatorin durch die gesamte Veranstaltung, erklärte den Anwesenden zentrale Begriffe wie Desinformation oder Verschwörungsmythos und lockerte den Generationen­dialog immer wieder mit kleinen, thematisch passenden Quizfragen ans Publikum auf. Nach der Begrüßung durch die Gastgeber konnten sich die Teilnehmer:innen in Kleingruppen zunächst über ihre Mediennutzung und ihr Informationsverhalten austauschen sowie Fragen an Kevin Kühnert vorbereiten.

Beim anschließenden Talk mit dem SPD-Generalsekretär und ehemaligen Juso-Chef betonte dieser unter anderem die Bedeutung des professionellen Journalismus für die Einordnung von vertrauenswürdigen Quellen und sprach darüber, wie er sich täglich mittels zusammengestellter Pressespiegel plus diverser Social Media-Kanäle jenseits der eigenen Filterblase informiert. Dabei sei es im Sinne eines offenen und ehrlichen Diskurses auch wichtig, im eigenen Team „Leute einzustellen, die einem richtig Kontra geben können“. Politiker:innen seien wie alle Menschen anfällig für Falschnachrichten, hob Kühnert hervor.

„Wenn ich Nachrichten lese, versuche ich immer kurz innezuhalten, ob sie tatsächlich stimmen können. Wenn Zweifel vorhanden sind, ist es wichtig sie zu überprüfen und nochmal dazu zu recherchieren.“

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Die Bedeutung von vertrauenswürdigen Informationsquellen

In seinen Antworten auf weitere Fragen des Publikums plädierte er zudem für eine stärkere Einbindung von jungen Menschen in politische Prozesse – gerade auf Landes- und kommunaler Ebene – sowie eine Absenkung des Wahlalters, damit die Interessen der Jüngeren mehr Berücksichtigung finden. Und auch die großen digitalen Plattformen wie YouTube waren Thema, da sich deren Empfehlungs-Algorithmen zwar für den Konsum von ähnlichen Musik- und Unterhaltungsvideos eignen würden, aber nicht für die notwendige Vielfalt politischer Information, so Kühnert.

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Im weiteren Verlauf der Veranstaltung wurde in einem Gespräch mit den beiden Gästen Olivia Busse vom Youth Think Tank und Elisabeth Graff von der Senior:innenvertretung Berlin-Mitte nochmal deutlich, wie wichtig der Austausch zwischen jungen und älteren Menschen ist – gerade, um beim Thema Desinformation voneinander zu lernen. Die 82-jährige Graff betonte, dass es ihr ein besonderes Anliegen sei, an dieser Veranstaltung teilzunehmen, da es auch darum ginge Vorurteile abzubauen, die teilweise sowohl bei Älteren als auch bei Jüngeren über die jeweils andere Altersgruppe herrschten. Busse als Vertreterin der U20-Generation verdeutlichte, dass junge Menschen zwar gut durch die sozialen Medien navigieren können, aber genauso wie alle Menschen auf emotionale Inhalte reagieren und deshalb für entsprechende Desinformationen empfänglich seien.

Moderatorin Anna Metzentin gewährte den Teilnehmenden in einem kurzen Vortrag noch einen Einblick in ihre Arbeit als Journalistin in Nachrichten-Redaktionen: von der Themenplanung über die Recherche bis zur Produktion und Veröffentlichung von Artikeln. Dabei hob sie ebenfalls die Bedeutung von Informationsquellen und des eigenen Fact-Checking hervor. Als Tipp zum Erkennen von Desinformation gab sie den Anwesenden den Hinweis mit, dass man skeptisch werden sollte, wenn Informationen in Artikeln oder Videos sehr emotional aufbereitet sind, z.B. mit dramatischer Musik hinterlegt.

Kriegsvideos auf Tik Tok und ein erfolgreicher Event-Abschluss

Daran anknüpfend klärte Julia Schmengler, Erziehungswissenschaftlerin und Autorin eines Schulhandbuchs über Fake News, die Jugendlichen und Senior:innen über die aktuelle Rolle von Tik Tok und die dort verbreiteten Videos aus dem Krieg in der Ukraine auf.

„Tik Tok ist ein geeignetes Medium um große Reichweite zu generieren, aber auch um Falschnachrichten zu verbreiten.“ (Julia Schmengler)

Im zweiten Teil der vierstündigen Veranstaltung im BASECAMP machten sich die Teilnehmenden unter Anleitung von Julia Schmengler in ihren jeweiligen Gruppen nochmals Gedanken darüber, woher sie ihre Informationen eigentlich bekommen und wie vertrauenswürdig ihre Quellen sind. Mithilfe des „Newstest“ konnten die Gruppen dabei herausfinden, wie gut sie im Umgang mit Nachrichten aus dem Internet sind und gemeinsam darüber diskutieren.

„Ich war mir bisher unsicher, ob Artikel jetzt eigentlich von privaten oder von staatlichen Quellen stammen.“, erklärte ein teilnehmender Schüler.

Elisabeth Graff hat den zweiten Weltkrieg noch selbst miterlebt. Im Gespräch mit den Jugendlichen berichtete sie davon, wie die die derzeitige Berichterstattung ihre Erinnerung an die damalige Zeit wieder aufwühle.

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Zum Abschluss des Events wurden die Ergebnisse der Workshops präsentiert und sowohl Anna Metzentin als auch Julia Schmengler zeigten sich beeindruckt von den Erkenntnissen der Teilnehmenden: über die Größe der Herausforderung, bisher unbekannte Quellen und Hintergründe von Informationen richtig einzuschätzen; aber auch mit welchen Schritten man Fake News identifizieren und andere davor warnen kann – und das zweifelhafte Informationen in sozialen Medien nicht ungeprüft weiterverbreitet werden sollten.

Das Ziel der Veranstaltung – die Informations- und Nachrichtenkompetenz der Teilnehmenden zu stärken, damit sie Desinformationen, politische Propaganda besser erkennen und souverän damit umgehen können sowie durch den generationenübergreifenden Austausch von Erfahrungen voneinander zu lernen – schien somit durchaus erreicht worden zu sein.

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Mehr Informationen:

Desinformation und Radikalisierung im Netz: Interview mit Rita Schwarzelühr-Sutter
Forschung gegen Desinformation: Diese Projekte fördert das BMBF
Safer Internet Day: Gegen die Gefahren von Cybermobbing und Desinformation

Weitere Impressionen von der Veranstaltung:

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