ICANN– Internet-Regierung sucht Verfassung

Veröffentlicht am 17.11.2015

Im September sollte eigentlich die neue Struktur der Internet Assigned Numbers Authority (IANA) beschlossen werden, doch noch immer ist man sich innerhalb der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) nicht einig, wie die neue Verfassung aussehen soll, die zukünftig den Rahmen für die Entwicklung des Internets vorgibt. In Dublin hat die als gemeinnützig eingetragene ICANN Ende Oktober einen neuen Anlauf unternommen, um den Übergang der Aufsicht vom US-Handelsministerium auf eine globale Multistakeholder Community zu organisieren. Spätestens seit 2014, als die zuständige „National Telecommunications and Information Administration“ (NTIA) ihren Rückzug bekanntgegeben hat, wird darüber innerhalb der beteiligten ICANN-Gremien und auf Regierungsebene gestritten.

Nach langer Diskussion unter den Mitgliedsregierungen, Business-Stakeholdern sowie Vertretern der Domain-Industrie und der Zivilgesellschaft hatte es im Juli einen 200-seitigen Entwurf gegeben mit einem Lösungsvorschlag für die zwei Kernfragen: Kompetenzverteilung und Stimmengewicht der Regierungen. Bis zum 8. September hatte die interessierte Öffentlichkeit Zeit den Entwurf zu kommentieren.

 

Designator-Modell und Einstimmigkeit

Die Internet-Community, die den Änderungsprozess begleitet, wünscht sich, dass die Selbstverwaltungsgremien die bisherige Aufsicht des Vorstandes durch die US-Regierung ersetzen. Da natürlich nicht damit zu rechnen ist, dass dann alle immer einer Meinung sind, ist ein abgestufter Eskalationsprozess geplant. Das sogenannte „Designator-Modell“ sieht vor, dass der Vorstand zwar ein Haushaltsveto nicht akzeptieren muss, die Gremien jedoch den gesamten Vorstand entlassen können.

Schwerer zu lösen, ist der Richtungsstreit im Regierungslager. Die vorgeschlagene Satzungsänderung sieht vor, dass die Position des Govermental Advisory Committee (GAC) nur gehört werden muss, wenn die 150 Mitglieder sich auf einen gemeinsamen Beschluss verständigen. Das wäre allerdings nicht so einfach, da Länder wie USA, Brasilien, Frankreich, Russland oder der Iran oft ganz unterschiedliche Interessen verfolgen, wenn es um die Regulierung des Internets geht.

Weitere Diskussionen

Von den Regierungen gibt es daher auch keine Unterstützung für diesen Vorschlag. In Dublin hat das GAC klargemacht, dass jedes Komitee selbstständig definieren sollte was es unter Konsensus versteht – und Einstimmigkeit scheint dabei nicht vorgesehen. Kritisch sehen die vertretenen Regierungen auch den Vorschlag, dass der ICANN-Vorstand die Entscheidung des Regierungsbeirats mit einer Zweidrittelmehrheit zurückweisen kann. Man wolle sich aber weiter an der Diskussion beteiligen, wird im GAC Communiqué festgehalten.

Auf einen endgültigen Bericht will sich die ICANN-Community bis Jahresende einigen, damit die US-Präsidentschaftswahl die mühsam erarbeiteten Pläne nicht durchkreuzt. Denn im konservativen Lager der Republikaner gibt es durchaus den einen oder anderen Unterstützer für eine Vormachtstellung der USA innerhalb einer Internet-Regierung.

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion