Handys im Meeting: OK oder No Go?
Pro: Im Meeting mehr zum Handy greifen!
Von Roland Schweins
Unhöflich. So bezeichnen viele das Verhalten, wenn im Meeting zum Handy gegriffen wird. Das ist natürlich Quatsch. Vielmehr muss man differenzieren: Zum Beispiel, wie groß das Meeting angelegt ist. Trifft man sich zu dritt, so ist der Blick auf das Handy sicher nur dann angebracht, wenn man eine wichtige Nachricht erwartet. Schon ab einer Personenzahl von zehn Teilnehmern hingegen ist die dezente Mobilnutzung – solange diese den Meetingablauf nicht stört – in Zeiten permanenter Erreichbarkeit mehr als legitim.
Je größter ein Unternehmen wird, desto mehr Personen werden in der Regel zu Meetings eingeladen. „Hol diese und jene Abteilung noch mit ins Boot“, heißt es dann häufig – ohne zu reflektieren, ob der entsprechende Partizipant überhaupt etwas zum Treffen beitragen kann. Nur in den seltensten Fällen wird davon Gebrauch gemacht, die Meetingteilnahme auf die Kostenstelle des Einladenden mit einem internen Tages-Verrechnungssatz zu buchen.
Und in genau dieser Meeting-Kultur entstehen viel zu hohe Arbeitsausfall-Zeiten. Ein Glück, wenn beim Meeting dann zum Handy gegriffen wird und eine schnelle Entscheidung fallen kann, so dass das Gegenüber schon am Projekt weiterarbeiten kann. Das gilt besonders, wenn nur einzelne Teilbereiche für den Meeting-Teilnehmer überhaupt von Interesse sind und die Person sich zu diesen äußern soll. Die Voraussetzung lautet stets: Niemals die anderen stören – etwa laut telefonieren, auf der Tastatur herumklimpern oder durch auffälliges Verhalten, Stöhnen, Gestikulieren die anderen ablenken. Wird diese Regel eingehalten, so bedeutet jeder Griff zum Mobiltelefon Produktivität. Und diese steht bei zahlreichen Meeting-Marathons leider inzwischen oft im Hintertreffen. Wer sich der Kommunikation während eines Treffens aus moralischen Gründen verweigert, agiert an der Realität vorbei. Heute ist jeder permanent erreichbar, und dies wird auch erwartet. Selbstdisziplin ist gefragt und ergibt sich aus der Natur der Sache: So wird niemand bei den eigenen Gehaltsverhandlungen oder beim Kunden im Verkaufsgespräch zum Handy greifen.
Dazu noch ein Tipp: Der Moderator kann gleich zu Beginn der Sitzung aktiv feststellen: X und Y sind heute nur für den dritten Teil dabei – wundern Sie sich nicht, wenn sie ab und wann mit ihrem Mobilgerät weiterarbeiten. Wenn wir Fragen haben, dann kommen wir auf die beiden zu.
Roland Schweins (39) ist Online-Strategieberater unter Let’s spread it und betreibt das Modeportal styleranking. Der mehrfache Buchautor (u.a. Klicks, Quoten, Reizwörter: Nachrichten-Sites im Internet – Wie das Web den Journalismus verändert, Gutachten im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung) ist Vater zweier Kinder und lebt in Düsseldorf. Privat bloggt er unter Passionpapa.de.
Schon mal was von Respekt gehört?
Von Sachar Kriwoj
Wir sitzen zusammen und reden über dieses neue Projekt. Zum mittlerweile dritten Mal wiederhole ich meinen Satz, weil die Kollegen ständig auf ihre Blackberrys, iPhones und Android-Smartphones schauen. Ehrlich: Mir geht dieses Verhalten nicht nur auf die Nerven, ich verstehe auch die Welt nicht mehr. Unser Meeting soll 30 Minuten dauern; das ist doch nicht die Welt. Da werden wir es alle aushalten, für diese kurze Zeitspanne mal nicht auf das Display zu schauen. Keine Mail der Welt ist so wichtig, dass sie innerhalb von 30 Minuten beantwortet werden MUSS. Kein facebook-Update ist so bahnbrechend, dass es live gelesen werden MUSS. Und keine Eilmeldung (geht es nur mir so, dass es mittlerweile fast täglich eine Eilmeldung zu geben scheint?) ist so eilig, dass man sie nicht auch 30 Minuten später lesen könnte.
Smartphones wurden erfunden, damit sie unser Leben leichter machen. Und das tun sie: Ich höre darüber Musik, ich fotografiere damit, ich schreibe Mails und kommuniziere auf allen möglichen Social Networks, ich spiele damit und informiere mich auch, was alles in der Welt passiert. Und bisweilen telefoniere ich sogar mit meinem Smartphone. Problematisch wird das alles dann, wenn man das Smartphone eben nicht in der Hand halten, sondern sich auf etwas ganz Anderes konzentrieren soll. So etwa auf Meetings und seine Mitmenschen.
Das passiert – gefühlt – immer seltener. Ständig schaut jemand auf sein Handy. Ständig entstehen Gesprächspausen, weil der Mensch eben nicht multitaskingfähig ist – auch Frauen nicht. Und diejenigen, die sich tatsächlich auf das Wesentliche, das Meeting, konzentrieren, sind die Dummen. Die sitzen da und warten. Darauf, dass man ihnen antwortet. Darauf, dass man sie respektiert. Daraus, dass man ihnen in die Augen schaut.
Smartphones sind super. Sie aber in der Anwesenheit von Mitmenschen zu nutzen und dabei eben diese Mitmenschen zu negieren, ist ein ganz blöder Brauch, der sich in unsere Gesellschaft einschleicht. Das ist keine Mahnung eines alten Mannes sondern eine Beobachtung eines überzeugten Digitalen. Mir gefällt dieser Zustand überhaupt nicht, weswegen ich zu keinem Meeting mehr mein Handy mitnehme.
Sachar Kriwoj (33) arbeitet als Leiter Digital Public Affairs für die E-Plus Gruppe. Sein privates Blog findet man hier.