Gotta Catch ´Em All: Wählerstimmen fangen mit Pokémon GO
In den USA läuft der Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen im November auf Hochtouren und die Wahlkampfhelfer von Hillary Clinton und Donald Trump setzen alles daran, die entscheidenden Stimmen zu sichern. „Gotta Catch ´Em All“ ist auch das Motto des Trend-Games Pokémon GO und tatsächlich hatten die Wahlkämpfer die App schon wenige Tage nach Launch für sich entdeckt. Denn Pokémon GO macht süchtig nach virtuellen Monstern, die an ganz bestimmten Orten zu finden sind, sogar unser BASECAMP hat seinen eigenen Poké-Stop. Wer das System durchschaut, kann Wählerregistrierungskabinen dort aufstellen, wo Pokémon-Jäger gerade ein wildes Taubsi einfangen oder seine Wahlkampfveranstaltungen in virtuellen Poké-Arenen abhalten. Auch bei der anstehenden Berlin-Wahl versucht ein Abgeordneter bereits, per Smartphone-Jagd Wähler zu fangen.
Pokémon-Wahlkampf in den USA
Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter & Co. sind längst nicht mehr der einzige Weg, bei den jungen Wählern, den „Digital Naturals“, zu punkten. Die Präsidentschaftskandidaten in den USA wissen digitale Trends blitzschnell für ihre Zwecke umzusetzen.
Hillary Clintons Wahlkämpfer, zum Beispiel, nutzen die Pokémon GO-App um potenzielle Wähler zur Registrierung zu überreden und um bei den „Millennials“ die Werbetrommel für die Kandidatin zu rühren. “Join us as we go to the Pokestop in Madison Park and put up a lure module, get free pokemon, & battle each other while you register voters and learn more about Sec. Hillary Clinton!!! Kids welcome!” lautete die Aufforderung des Wahlkampfteams, die die Pokémon-Verrückten zu Clintons Wahlkampfveranstaltung locken sollte. Madison Park ist ein gewöhnlicher öffentlicher Platz in Lakewood, Ohio, einem für die Wahlkämpfer strategisch wichtigen Swing-State. Doch in der Pokémon-Welt ist Madison Park eine Poké-Arena, ein Ort wo Pokémon-Begeisterte ihre virtuellen Monster gegeneinander antreten lassen. „Catch them all“ heißt die Veranstaltung und das scheint auch das Ziel zu sein.
Im Gegensatz zu Clintons Strategie, Pokémon GO-Fans zu politischem Handeln zu ermuntern, nutzt Donald Trump’s Wahlkampfteam den Kultstatus des Smartphone-Games um seine politische Gegnerin schlecht zu machen. „Crooked Hillary NO“ – Nein zur korrupten Hillary – lautet eine Videobotschaft des Republikanischen Präsidentschaftskandidaten auf Facebook in Anlehnung an den Namen des beliebten Spiels. In dem Video wird Clinton als Polit-Pokémon mit – wenig überraschend – ausschließlich negativen Eigenschaften darstellt wird.
Gratiskaffee und Dating-Apps im Berliner Wahlkampf
Auch in Deutschland ist Pokémon Go als Campaigning-Tool angekommen. Der Reinickendorfer CDU-Abgeordnete Tim-Christopher Zeelen hat bereits einen Poké-Stop, einen Lockpunkt für Monster-Fänger, vor seinem Wahlkreisbüro eingerichtet und hält für die potenziellen Wähler eine „Pokémon-GO-Sprechstunde“ ab, mit Gratis-Kaffee und selbst gebackenem Pokémon-Zitronenkuchen. Der 33-Jährige ist selbst „süchtig“ nach der virtuellen Monsterjagd und weiß deshalb genau, was sich Pokémon-GO-Spieler wünschen: „Wer ein Pokémon fängt, es auf Facebook hochlädt mit dem Hashtag #TimZeelenGoesPokemon, der bekommt im Büro einen Kaffee gratis und kann seinen Akku aufladen. Wir haben massenhaft Steckdosen besorgt, denn die Pokémon-Jagd kostet viel Energie.“ Politisch Interessierte ohne Pokémon-GO-Konto sind laut Zeelen aber genauso willkommen in seinem Wahlkreisbüro. Andere Politiker zeigen sich auf Twitter als Pokémon-Fans.
Doch Zeelen ist nicht der einzige Kandidat für das Berliner Abgeordnetenhaus, der eine beliebte Smartphone-App zu Wahlkampfzwecken nutzt. Der SPD-Politiker Alexander Freier versucht es mit der Dating-App Tinder. Freier gibt an seit Mitte Juli schon mehrere Hundert „Matches“ mit Menschen im Umkreis von zwei Kilometern gehabt zu haben und ist stolz, dass er somit die Leute erreicht, die er sonst nie erreicht hätte. Einen Haken gibt es allerdings: Auf Tinder können nur diejenigen, die in der Dating-App nach Männern suchen, mit ihm in Kontakt treten und sich auf einen Polit-Chat einlassen. Heterosexuelle Männer erreicht der SPD-Politiker auf diese Weise also nicht. Doch der Tinder-Wahlkampf kommt gut an. Einige Tinder-Matches bieten sich sogar als – ganz analoge – Wahlkampfhelfer an, berichtet Freier.
Pokémon-Wahlkampf, kann das funktionieren?
Ob Pokémon GO oder Tinder, die Idee hinter den unkonventionellen digitalen Wahlkampfmethoden ist dieselbe: Die jungen Leute erreichen, egal auf welchem Weg. Dass Politik dabei im Zweifelsfall eine Nebenrolle spielt, muss in Kauf genommen werden. Ob Wahlkampf per Monsterjagd am Ende wirklich die erhofften Wählerstimmen einbringt, muss man also zumindest anzweifeln. Der Hashtag des Berliner Pokémon-Wahlkämpfer Zeele findet in den sozialen Netzen noch keinen großen Zuspruch. Doch vielleicht zahlt sich beim spielerischen Internet-Wahlkampf wie in der Politik langer Atem aus: Bei gemeinsamen Pokémon-Spaziergängen der Moabiter CDU trafen sich beim dritten Anlauf bereits mehr als 100 Monsterjäger.