Google Trends: Echter Hellseher aus Daten oder Nostradamus 4.0?
Foto: flickr / Mirko Tobias Schäfer (CC)
Die Hellseher auf einschlägigen Online-Portalen und TV-Kanälen müssen sich warm anziehen, denn es weht ein kalter Konkurrenzwind gegen ihre Glaskugel und wirbelt die Karten durcheinander: Der digitale Nostradamus, der angeblich mit erschreckender Genauigkeit so ziemlich alles – vom Eurovision Songcontest, über Fußball-Ergebnisse bis zu den nächsten Bundestagswahlen – vorhersagen sagen kann, ist immer nur ein paar Klicks entfernt. Sein Name? Google Trends.
Unsere Kollegen von UdL Digital nahmen ihn neulich genau unter die Lupe. Und seine Methode? Er macht sich unsere eigenen Suchanfragen zu Nutze. Denn genau wie die meisten Wahrsager ist dieser Nostradamus 4.0 auch nur ein geschickter Analytiker unserer menschlichen Bedürfnisse und Sehnsüchte.
Wie beim Wahrsager: In der Frage liegt die Antwort
Oft liegt in der Frage nämlich bereits die Antwort: Google Trends ist ein Statistik-Service, der alle Suchanfragen auf der Suchmaschine erfasst und dabei Tendenzen und Zusammenhänge analysiert. Das Tool zeigt in Echtzeit an, was die Nutzer im Internet suchen, und kann dabei Anfragen für einen beliebigen Zeitraum und verschiedene Länder oder Regionen visualisieren.
Und schon lang bevor sich anscheinend die Welt auf die Suche nach den putzigen japanischen Monstern machte, konnte Google Trends vorhersagen, dass Pokémon Go ein riesiger Hype wird. Ob Helene Fischers Konzert oder Mario Götzes Transfer: Google kennt den Trend. Auch bei wichtigen politischen Ereignissen, wie den Primaries bei den US-Vorwahlen, zeigt der Statistikdienst ein hohes Maß an Zuverlässigkeit. Zu den wichtigsten Fragen erstellt er automatisch umfangreiche Analytics-Sammlungen.
Orakel aus Daten: Zu schön um wahr zu sein?
Doch leider ist es mit diesen Angaben, wie so oft im Leben, nicht ganz so einfach: Wie zuverlässig sind die Aussagen des digitalen Google-Orakels eigentlich, wenn man sie genauer unter die Lupe nimmt? Es melden sich immer mehr kritische Stimmen. Einige Datenanalysten, wie der Amerikaner Danny Page, raten bereits davon ab, Google Trends überhaupt zu verwenden.
Eine der größten Diskussionen betraf beispielsweise die Brexit-Abstimmung: Viele Medien griffen die Nachricht auf, dass die Briten sich erst nach der Abgabe ihrer Stimmen informiert hätten, was überhaupt die Folgen eines EU-Austritts sind. Spott und Häme waren die Folge – und natürlich die Frage, ob die Wähler überhaupt in der Lage waren, die Auswirkungen ihrer Entscheidung abzuschätzen.
Trends bei Suchen: Ohne Zahlen wenig wert
Fakt ist, dass Google Trends interessante Einsichten in die Nutzung der Suchmaschine bietet. Aber so richtig nützlich sind solche Daten nur, wenn auch Informationen über die Menge der Suchen vorliegen und man sie beispielsweise beim Brexit mit den Tagen vor dem EU-Referendum vergleicht. Das Problem ist aber, dass wir das nicht können, denn Google gibt keine genauen Daten darüber heraus. Wir bekommen keine absoluten Zahlen geliefert, sondern immer nur Prozentwerte.
Wir wissen also lediglich, dass am Abend nach dem Brexit-Referendum die Suchanfragen zu „What happens if we leave the EU“ bei Google.co.uk um 250 Prozent zunahmen. Ob es aber tausend Menschen waren oder vielleicht eine Million, die der Suchmaschine diese Frage stellten, das wissen wir nicht. Bei einer Gesamtbevölkerung von 64 Millionen wäre das ein großer Unterschied. Genauso wenig wissen wir, ob es sich dabei um Wähler aus dem Remain-Lager handelte, die Google aus Angst um ihre Zukunft befragten, oder um Brexit-Befürworter, die sich voll Freude über die Folgen ihrer Entscheidung informierten.
Google 2016: Deutschland sucht den Bundeskanzler
Aber warum in die Ferne schweifen? Ganz ähnlich verhält es sich, wenn wir die Aussagen über die Trends für die nächsten deutschen Bundestagswahlen anschauen:
Der Vergleich der bundesweiten Suchanfragen über Spitzenpolitiker wie Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier, Heiko Maas oder Andrea Nahles lässt vermuten, dass die SPD den Bundesjustizminister als Kanzlerkandidaten aufstellen sollte. Heiko Maas wurde nämlich 2016 doppelt so oft gegoogelt wie Gabriel oder Steinmeier und sogar sechsmal mehr als Nahles. Besonders im März war das Interesse sehr hoch, doch das lag leider vor allem am Privatleben des Ministers. Die Aussagen von Google Trends hätten also zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich die falsche politische Empfehlung gegeben.
Überhaupt sollten wir nicht vergessen, dass die Zahlen der Google-Suchen während politischer Skandale oder Unruhen steigen. Sie sind also keineswegs nur ein Ausdruck von Interesse und Beliebtheit. Auch die tatsächlichen Absichten der Suchen bleiben meistens unklar, denn die meisten Menschen stellen ihre Fragen nicht als komplette Sätze sondern googeln nur nach Stichwörtern.
Google Trends scheint also ein gutes Tool für unterhaltsame Aussagen zu sein. Für ernstzunehmende Analysen von aktuellen Themen wird aber mehr benötigt.
Mehr Informationen:
Online Statistiken: Google Trends