Globaler Handel: Der unterschätzte Faktor Daten

Veröffentlicht am 18.03.2019

Schnell, wer war nochmal der 39. Präsident der USA? Richtig, der Demokrat Jimmy Carter. Wenn Sie nicht gerade ein enzyklopädisches Wissen in amerikanischer Geschichte haben, verlassen Sie sich wahrscheinlich wie die meisten von uns bei solchen Fragen auf internetbasierte Services, wie Wikipedia. Was uns oftmals nicht bewusst ist: unsere Suche ist Teil eines intensiv wachsenden Zweigs des weltweiten Handels: (kostenlose) grenzüberschreitende Datenströme.

Obwohl die Bedeutung von datenbasierten Dienstleistungen stetig zunimmt, findet das Thema bei Diskussionen rund um Globalisierung, Handel und Digitalisierung noch wenig Beachtung, wie das McKinsey Global Institute (MGI) feststellt. In seinem Bericht, „Globalization in transition: The future of trade and value chains“, zeigt das MGI auf, wie das Wachstum von Datenströmen und Dienstleistungen den globalen Handel neu definiert.

Wachsender Handel, sinkende Intensität

Globaler Handel-Default-Motiv-1500x984In absoluten Zahlen wuchs das globale Handelsvolumen in den letzten Jahrzehnten stetig. Die „Handelsintensitität“ – der Anteil an den produzierten Gütern, der gehandelt wird – ist hingegen von 28,1 Prozent in 2007 auf 22,5 Prozent in 2017 gesunken. Das liegt zum einen an dem wirtschaftlichen Wachstum in China und den Schwellenländern. Dort wächst die Nachfrage, auch nach im eigenen Land produzierten Gütern. Dadurch sinkt zwar nicht das Handelsvolumen selbst, aber der Anteil am inländischen Output, der das Land verlässt.

2017 betrug das Bruttohandelsvolumen von Dienstleistungen 5,7 Billionen Dollar. Diese Zahl scheint nicht so eindrucksvoll angesichts von 17,3 Billionen Dollar Handelsvolumen bei Gütern im selben Jahr. Das MGI betont allerdings, dass zwischen 2007 und 2017 der Handel von Dienstleistungen mehr als 60 Prozent schneller gewachsen ist als der Güterhandel. In Bereichen wie Telekommunikation, IT Services und geistiges Eigentum war das Wachstum sogar zwei bis dreimal so schnell.

Bedeutung von Dienstleistungen unterschätzt

In den „traditionellen“ Handelsstatistiken geht die Bedeutung von Services für die globalen Wertschöpfungsketten zumeist unter, ist im Bericht zu lesen. Das liegt laut dem MGI an drei Faktoren. Erstens basiert ein Drittel der Wertschöpfung bei gehandelten Gütern auf Dienstleistungen, wie Forschung und Entwicklung, Marketing und Finanzen. Zweitens werden immaterielle Vermögensgegenstände in den Statistiken nicht berücksichtigt. Dazu zählt zum Beispiel Software, die ein multinationales Unternehmen an einem Standort entwickelt und an seine Abteilungen weltweit weitergibt. Drittens fehlen in den Handelsstatistiken, die zuvor beschriebenen freien digitalen Services, wie Email, soziale Medien, Wikipedia et cetera.

Die Denkfabrik schätzt, dass diese drei unberücksichtigten Kanäle jährlich bis zu 8,3 Billionen Dollar an Wertschöpfung ausmachen. Dabei entfallen 3,2 Billionen auf die freizugänglichen grenzüberschreitenden Datenströme. In einem früheren Bericht bezifferte das MGI für 2014 außerdem weltweit Zuwächse durch Datenströme in Bruttonationalprodukten auf 2,8 Billionen Euro.

Regulieren oder freien Lauf lassen

Die immense Wichtigkeit von Datenströmen im globalen Kontext bedeutet auch, dass Entscheidungsträger auf nationaler und internationaler Ebene sich damit beschäftigen, wie eine mögliche Regulierung ausgestaltet werden soll. Die unterschiedlichen Einstellungen hierzu definierte die Unternehmensberatung Control Risk als eine der Top 5 Risiken für Unternehmen für 2019:

„For China, data is something to be controlled; for the EU, data is something to be protected; the United States sees data as something to be commercialised.“ 

Naturgemäß beschäftigt sich auch die Welthandelsorganisation (WTO) mit Dienstleistungen im Handel. Besonders beim Thema E-Commerce – dem Handel von Waren im Internet – gab es laut Jahresbericht der WTO, im Jahr 2017 einige Diskussionen. Befürworter einer globalen Regulierung, beriefen sich auf Erfahrungen mit Regulierung auf nationaler und Handelsverträgen auf regionaler Ebene, unter anderem in Bereichen der elektronischen Bezahlung. Gegner einer WTO Regulierung argumentierten, dass dies nicht in den Aufgabenbereich der Organisation falle und betonten die Wichtigkeit, sich bei der Diskussion auf die Interessen von Entwicklungsländern zu konzentrieren.

Beratungen auf der 11. WTO Ministerkonferenz im Dezember 2017 führten zu einem Arbeitsprogramm zum Thema E-commerce. Zudem einigten sich 71 Mitglieder darauf, „to initiate exploratory work together towards future negotiations on trade-related aspects of e-commerce, with participation open to all WTO members.“ Zudem einigte man sich auch auf ein zweijähriges Moratorium auf Zölle für „electronic transmissions“.

Das Thema soll auf der nächsten Ministerkonferenz im Juni 2020 wiederaufgenommen werden. Welche Philosophie zu Daten und ihrem Zweck sich bis dahin durchsetzen wird, bleibt offen.

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