Gesetzentwurf zum automatisierten Fahren geht in die Ressortabstimmung
Während in den USA immer wieder Unfälle mit automatisiert fahrenden Autos von Tesla und Google zu verzeichnen sind, unternimmt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) mit einem Entwurf zur Änderung der Straßenverkehrsordnung jetzt den Vorstoß, die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Fahren mit automatisierten Fahrsystemen zu schaffen. Dobrindt will, dass Deutschland als erstes Land einen Regelbetrieb für das Auto mit Autopilot zulässt. Das BMVI widmet sich mit der Gesetzesinitiative einem weiteren Punkt der „Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren“, die das Ministerium im September vergangenen Jahres vorgelegt hatte.
Kern des Gesetzentwurfs, der dem Tagesspiegel Politikmonitoring als Arbeitsentwurf in der Fassung vom 27. Juni vorliegt, ist die Schaffung von Rechtssicherheit für Fahrer wie Automobilhersteller während des Zeitraums, in dem automatisierte Fahrsysteme im Einsatz sind. Der Entwurf aus dem BMVI sieht vor, „dass eine Missachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht vorliegt, wenn sich der Fahrzeugführer während der Phase des automatisierten Fahrens vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugführung abwendet“. Dies gilt nur für Fahrfunktionen, die technisch vorsehen, dass der Fahrzeugführer das System nicht dauerhaft überwachen muss. Der Fahrer darf sich laut Gesetzentwurf aber nicht vollkommen vom Verkehr abwenden, sondern muss „ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit“ aufbringen, auch wenn er nebenbei andere Tätigkeiten ausführt. Andernfalls würde er fahrlässig handeln und müsste für die Folgen einstehen, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs. Was genau das geforderte „Mindestmaß an Aufmerksamkeit“ ist und wie schnell der Fahrzeugführer das Fahrzeug bei einem Zwischenfall wieder selbst unter Kontrolle haben muss, verrät der Gesetzentwurf nicht. Die Konkretisierung der Anforderungen habe hier im Einzelnen durch die Rechtsprechung zu erfolgen, so sieht es das BMVI vor. Mit dieser Formulierung kommt Dobrindt Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) entgegen, der ursprünglich die Gerichte in jedem Einzelfall entscheiden lassen wollte, ob sich der Fahrer fahrlässig verhalten hat, indem er sich auf das computergesteuerte Fahrzeug verlassen hat.
Datenspeicherung
Um bei einem Unfall zweifelsfrei klären zu können, ob in dem Moment der Fahrer oder das automatisierte Fahrsystem die Kontrolle über das Fahrzeug hatte, sollen die Autos mit Speichermedien ausgestattet werden, die ähnlich einer Blackbox die Systemaktivität „korrespondierend mit einer durch ein globales Navigationssatellitensystem ermittelten Orts- und Zeitbestimmung“ aufzeichnen. Ebenfalls gespeichert werden soll, ob das System den Fahrzeugführer dazu aufgefordert hat, die Fahrzeugführung zu übernehmen oder ob eine technische Störung des automatisierten Systems aufgetreten ist. Auf diese Weise sei sichergestellt, dass sich ein Fahrer bei eigenem Fehlverhalten nicht pauschal auf einen Fehler des automatisierten Systems berufen könne. Umgekehrt könne der Fahrer aber auch seine Unschuld beweisen, wenn er zu Unrecht eines Fehlers bezichtigt wird, argumentiert das BMVI. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die aufgezeichneten Daten bei einem Vorfall zum einen den „zuständigen Kontrollorganen“, also den jeweils zuständigen Polizeien des Bundes und der Länder zugänglich gemacht werden sollen. Zum anderen sollen Dritte Zugang zu den Daten bekommen, wenn diese „zur Geltendmachung, Befriedung oder Abwehr von Rechtsansprüchen“ im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall benötigt werden. Übermittelt werden sollen aber „auf das zur Zweckerreichung notwendige Maß“ begrenzt werden. Die erhobenen Daten sollen nach drei Jahren gelöscht werden. Bei dieser langen Zeitspanne orientiert sich das BMVI an Verjährungsfristen aus unerlaubter Handlung gemäß § 195 BGB und der Regelung in § 14 StVG.
Reaktionen von Stakeholdern
Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar sieht den Gesetzentwurf des BMVI kritisch. „Es kann nicht sein, dass das Auto in eine rollende Datentonne verwandelt wird, die das gesamte Fahrgeschehen dokumentiert, aber keine klaren Regelungen dafür existieren, welche Daten gespeichert werden müssen, wer Zugriff auf diese Daten nehmen kann, wie diese Datenbestände gesichert sind und vor allem unter welchen Bedingungen welche Pflichten und Haftungsfolgen ausgelöst werden“, sagte Caspar dem Handelsblatt. Seiner Ansicht nach könne man Opfer von Unfällen nicht auf einen „langwierigen Marsch durch Gerichtsinstanzen verweisen“, um im Einzelnen zu klären, gegen wen sich die Ansprüche richten. Der Vorsitzende des Verbraucherzentrale Bundesverbands Klaus Müller hingegen begrüßt, dass mit dem Gesetzesvorstoß von Dobrindt Bewegung in die Debatte kommt. Aber auch er warnt davor, die Klärung der Verantwortung der Rechtsprechung der Gerichte zu überlassen. Hier müsse sich das BMJV bewegen, sagte Müller dem Handelsblatt.
Zeitplan
Die Ressortabstimmung des Gesetzes zur Änderung der Straßenverkehrsordnung war nach Angaben des BMVI für Ende Juli vorgesehen. Die anfängliche Ablehnung soll Bundesjustizminister Heiko Maas nach Informationen aus Koalitionskreisen inzwischen aufgegeben haben. Der Koalitionspartner SPD bleibt allerdings zurückhaltend bei dem Thema. So warnt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Sören Bartol, vor „vorschnellen Festlegungen“. Ein Autofahrer könne nicht für Fehler der Technik haften, wenn diese das Auto steuert. Er rate daher dazu, „Schnellschüsse in der Diskussion über rechtliche Änderungen zu vermeiden“, sagte Bartol dem Handelsblatt.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Nadine Brockmann ist als Analystin für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.