Geschlechtergerechtigkeit: Wie gleichgestellt ist Europa?

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Veröffentlicht am 15.11.2019

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Zum Ende seiner Amtszeit verwies EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf den Erfolg, den Anteil von Frauen in der Führungsebene der Kommission erhöht zu haben. Aber wie steht es in der EU insgesamt um die Geschlechtergerechtigkeit? Ein Blick in den Gleichstellungsindex des Europäischen Instituts für Geschlechtergleichheit liefert Antworten.

Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist eines der Ziele der Europäischen Union. Das Frauen und Männer den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit erhalten sollen, ist seit 1957 Bestandteil der EU-Verträge. Obwohl der Prozess hin zur vollen Parität eher im Schneckentempo verläuft, lassen sich dennoch einige Fortschritte feststellen. Das zeigt der vom Europäischen Institut für Geschlechtergleichheit (EIGE) veröffentlichte Gleichstellungsindex 2019. Demnach nehmen immer mehr Frauen in ganz Europa auf dem Chefsessel der Führungsetagen Platz. Die unangefochtene Top-Position belegt wie schon die Jahre zuvor Schweden, gefolgt von Dänemark. Deutschland liegt insgesamt knapp unter dem Durchschnitt aller EU-Mitgliedsstaaten.

Langsame Fortschritte in der EU

Zur Untersuchung der geschlechtsbezogenen Diskrepanzen betrachtet der Index mehrere Faktoren, die sich in sechs größere Themenbereiche gliedern lassen: Arbeit, Geld, Wissen, Zeit, Macht und Gesundheit in Kombination mit Alter, Behinderung, Geburtsland, Bildung und Familientyp. Die Ergebnisse werden auf einer Skala von 1 bis 100 abgebildet, wobei mit einem Score von 100 Punkten die totale Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht wäre. Doch davon ist die EU noch genau 32,6 Punkte entfernt.

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Der Bericht des EIGE macht deutlich, dass die EU im Vergleich zu 2017 den durchschnittlichen Wert für die bisher erreichte Gleichberechtigung um gerade einmal 1,2 Punkte auf insgesamt 67,4 erhöhen konnte. „In 14 Jahren haben wir nur mickrige 5,4 Prozent auf den Weg gebracht. In diesem Schneckentempo darf es nicht mehr weitergehen. Wir müssen mehr und das viel schneller tun“, sagte Evelyn Regner, Vorsitzende des Ausschusses für Frauen und Gleichbehandlung im EU-Parlament bei der Vorstellung des diesjährigen Index. Mit 66,9 Punkten liegt Deutschland knapp unter dem Durchschnitt der 28 EU-Mitgliedstaaten.

Frauen steht mehr „Macht“ zu

Ein hohes Ungleichgewicht der Geschlechter lässt sich im Bildungssektor in fast allen EU-Ländern feststellen. Deutschland muss hier sogar einen Rückschlag verzeichnen. Doch mit einem EU-Durchschnitt von lediglich 51,9 Punkten weist der Bereich „Macht„, der sich mit der Gleichberechtigung in der Entscheidungsfindung befasst, den mit Abstand geringsten Messwert auf. In Bezug auf die Entwicklung der letzten Jahre lassen sich in diesem Bereich allerdings einige Erfolge konstatieren. EU-weit stieg der Index-Wert seit 2015 um 13 Punkte, gegenüber 2017 um 3,4 Punkte an. „Geschlechterungleichheit hindert Europa an der Entfaltung seines vollen Potenzials“, unterstrich Verá Jourová, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung.

Dem Bericht zufolge lässt sich dieser Zuwachs auf die stärkere Präsenz von Frauen in Unternehmensvorständen zurückführen. Auch in der Politik seien Frauen deutlich sichtbarer geworden. Die deutsche Politik liegt mit einem Wert von 15 Punkten immerhin über dem Durchschnitt. Schweden erreicht mit 95,1 Punkten nahezu gleichgestellte Verhältnisse. „Wir bewegen uns in die richtige Richtung, sind aber immer noch weit vom Ziel entfernt“, kommentierte die EIGE-Direktorin Virginija Langbakk die Ergebnisse. Das Problem bestehe darin, dass beinahe die Hälfte aller Mitgliedsstaaten der EU unter die 60-Punkte-Marke falle.

Entwicklungen auf Bundes- und EU-Ebene

Der Frauenanteil im Deutschen Bundestag sank mit der Bundestagswahl 2017 von 36,3 auf 31,2 Prozent. Im Europäischen Parlament wuchs der Anteil der Parlamentarierinnen durch die Wahl im Mai dieses Jahres hingegen von 36,4 auf 40,4 Prozent. Und auch der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kann zum Ende seiner Amtsperiode Erfolge verkünden. Denn das von Juncker im Jahr 2014 gesetzte Ziel, bis zum Ende seiner Amtszeit 40 Prozent der mittleren und oberen Führungsebene der Kommission mit Frauen zu besetzen, wurde mit 41 Prozent leicht übertroffen. Damit ist der Frauenanteil in der Führung der Kommission seit Beginn von Junckers Amtszeit um 11 Prozentpunkte angestiegen. Die Bemühungen um eine Vorreiterrolle der Kommission waren auch Teil des 2017 vorgestellten Aktionsplans zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles.

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