Serie Gen Z und ihre Eltern: Warum Soziale Medien gefährlich sind

Fotos: Rawpixel McKinsey und Minty | Royalty Free Photo | Montage | Ausschnitt bearbeitet
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Veröffentlicht am 10.08.2022

Nicht erst seit Veröffentlichung der sogenannten „Facebook Files“ im vergangenen Jahr ist vielen bewusst, dass Soziale Medien nicht nur Gemeinschaft und Nähe schaffen. Die geleakten Files zeigen deutlich: Der Meta-Konzern, welcher mit Facebook, Instagram und WhatsApp drei der größten Kommunikationsplattformen vereint, weiß seit Jahren, dass sich die Nutzung seiner Plattformen für Jugendliche negativ auswirkt. Doch wo genau liegen die Probleme beim Konsum von Inhalten auf Instagram, Snapchat oder TikTok und wer trägt die Schuld an der Entwicklung?

Die Scheinrealität auf Instagram

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Insbesondere auf Instagram tauchen Jugendliche oftmals in eine idealisierte, perfekte Welt, die geprägt ist von „idealen Körpern“ und „fehlerfreien Charakteren“. Studien zeigen, dass Jugendliche durch diese Ideale stark beeinflusst werden können. Vergleichen sie sich mit den dargestellten Körpertypen auf Social Media, entsteht eine sogenannte „Realistisch-Ideal-Körper-Diskrepanz“, welche nachweislich mit dem Unzufriedenheitsgrad über ein eigenes Körperbild und möglichen depressiven Emotionen zusammenhängt.

Doch die Auswirkungen jener perfekten Welt beschränken sich nicht nur auf physische Aspekte. Folgen Jugendliche beispielsweise Influencer:innen in einer ähnlichen Altersklasse, ist die psychologische Wirkung nochmals größer, Konsumierende tendieren dann auch dazu, Charaktereigenschaften zu vergleichen, zum Beispiel Erfolgserlebnisse oder den „Beziehungsstatus“. Zwar kann sich die Auseinandersetzung mit den online präsentierten Inhalten auch positiv auf die Entwicklung von Jugendlichen auswirken, um beispielsweise eine eigene Identität oder politische Haltung entwickeln zu können. Jedoch kann eine nachhaltige Reflektion nur stattfinden, wenn auch ersichtlich ist, welche Inhalte bearbeitet sind und welche die Realität abbilden. Studien argumentieren hier, dass derzeit genau das Gegenteil der Fall ist. Die Realität retuschierter Bilder wird zunehmend „normalisiert“, was den Druck auf Jugendliche weiter erhöht.

Isolation, COVID-19 und die mentale Gesundheit

Der Kontakt zu Gleichaltrigen ist für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen essenziell. Die COVID-19 Pandemie und die dadurch verursachten Schulschließungen haben gezeigt, wie stark sich ein Entzug zwischenmenschlicher Kontakte auf Teenager:innen auswirken kann. Wie wir im ersten Artikel unserer Serie erläutert haben, konnten Soziale Medien hier Abhilfe schaffen und haben den notwendigen Austausch (zumindest vorläufig) im digitalen Raum weiterhin ermöglicht.

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Foto: CC0 1.0, Pixabay User nastya_gepp | Ausschnitt angepasst

Eine Studie des Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung stellte 2021 jedoch fest, dass der Anteil an Jugendlichen mit klinisch relevanten, depressiven Symptomen sprunghaft von circa 10 Prozent auf über 25 Prozent anstieg, wobei weibliche Jugendliche mit einem Anstieg von 22 Prozent deutlich stärker betroffen waren. Während in der Forschung über die genauen Auswirkungen der gestiegenen Social Media Nutzung bei Kindern und Jugendlichen noch Uneinigkeit herrscht, zeichnet sich dennoch ein genereller Trend ab. Jugendliche haben sich, trotz erhöhten Social-Media-Konsums zur Kompensation des fehlenden persönlichen Kontakts, vermehrt allein gefühlt. Die zusätzlich verbrachte Zeit online hatte einen negativen Effekt auf die allgemeine Zufriedenheit.

Cyber-Mobbing

Eine aktuelle Studie offenbart, dass in Deutschland über die Hälfte aller Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren bereits eigene Erfahrungen mit Cybermobbing machte und identifiziert 14 Prozent aller befragten Personen als mindestens einmalige Opfer von koordinierten Mobbingattacken im digitalen Raum. Ein Sinken oder mindestens die Stagnation dieses Trends ist gegenwärtig nicht absehbar. Michelle O’Reilly, Associate Professor of Communication and Mental Health an der Universität Leicester, beschreibt in ihrer Forschung beispielsweise, dass mit dem steigenden Konsum sozialer Medien Cyber-Aggressionen weiter ansteigen werden, und somit auch deren Wirkung auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen.

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Cybermobbing hat den gefährlichen Effekt, dass sich Betroffene, anders als bei „klassischem Mobbing“ an Schulen oder in Vereinen, bei Cybermobbing oft nicht von einer Situation entfernen beziehungsweise distanzieren können. Erfahren Jugendliche zusätzlich auch online Mobbing, eliminiert dies all deren „Safe-Spaces“.

Extremismus in den Sozialen Medien

Letztendlich eröffnet sich Jugendlichen in den sozialen Medien nicht nur die Welt der nahezu endlosen Unterhaltung und verschiedensten Austauschmöglichkeiten, sie sind auch ohne große Hürden extremistischen Ansichten ausgesetzt. Die COVID-19 Pandemie hat auch im digitalen Raum das Potential für gesellschaftliche Spannungsfelder in aller Deutlichkeit offenbart. Bereits mehr als jede:r zweite Jugendliche war bereits mit extrem politischen Ansichten im Netz konfrontiert.

Forscher:innen wie Laura Maren Michel betonen diese Gefahr, denn Jugendliche gelten in ihrer Identitätsbildungsphase als wichtigste Zielgruppe rechtsextremer Ideologien. Aufgrund des negativen Verhältnisses rechtsextremer Menschen zu etablierten Medien bieten soziale Medien die ideale Rekrutierungs-Alternative. Dass die Inhalte praktisch frei und einfach zugänglich sind, trägt laut Michel nur weiter zur Problematik bei. Jugendlichen und Kindern fällt es oft noch schwer, die tatsächlichen Absichten rechtsextremer Personen auf Social Media zu erkennen und so sind sie deutlich anfälliger für die Übernahme gefährlicher Gedankengüter.

Wer ist schuld?

Sind soziale Medien aber nun an allem Leid der Jugendlichen schuld? Nein. Dennoch, der Konsum und das Teilen von Inhalten auf diesen Plattformen sollte mit einer gewissen Vorsicht passieren. Die Forschung zeigt, dass die Auswirkungen auf Jugendliche durch Soziale Medien so unterschiedlich sein können wie die Jugendlichen selbst. Während sich einige früh kritisch mit den dargestellten Inhalten auseinandersetzen können, bieten diese Plattformen gerade für bereits psychisch schwächere oder gefährdete Jugendliche einen Nährboden für (weitere) psychische Erkrankungen. So sollte der Konsum immer abgesprochen und transparent Diskussionen über Erfahrungen im Netz zwischen Erziehungsberechtigten, Kindern und Jugendlichen geführt werden. So werden Gefahren und Anzeichen für negative Auswirkungen frühzeitig erkannt.

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Doch was kann gegen diese möglichen negativen Aspekte unternommen werden und wie können soziale Medien zu einem „gesünderen“ Konsum beitragen? Die Antwort liegt auf der Hand: Es muss Verantwortung geschaffen werden. Solange die Plattformen intransparent und einzig profitorientiert vorgehen (Instagram tüftelte beispielsweise an einer Kinder-Version, um eine Nutzer:innen-Abwanderung zu Tiktok verhindern zu können) und interne Studien zu Gefahren ihrer Plattformen für Jugendliche ignorieren, können Kinder und Jugendliche nicht genügend geschützt werden.

Es darf nicht die Norm bleiben, dass Cybermobbing über die Hälfte aller Jugendlichen in Deutschland betrifft, ebenso wenig dürfen klar illegale und politisch extreme Ansichten weiter ohne signifikante Hürden zugänglich sein. Aber auch seitens der Nutzer:innen sind weitere Sensibilisierungen nötig. Statistiken zeigen, dass Jugendliche und junge Erwachsene mit Abstand die größte Nutzer:innen-Gruppe von sozialen Medien sind, Aufklärungsarbeit muss also da stattfinden. Und das möglichst früh, denn die Gefahren und negativen Effekte werden mit Bestimmtheit nicht weniger.

Mehr Informationen:

Desinformation und Radikalisierung im Netz: Interview mit Alice Echtermann (CORRECTIV)
WAKE UP! Initiative: Ein Jahr Peer-to-Peer-Beratung über Cybermobbing

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