G20: Digitalminister wollen Internet für alle bis 2025

Veröffentlicht am 10.04.2017

Nach einer langen Verhandlungsnacht trat Wirtschaftsstaatsekretär Matthias Machnig am 7. April neben Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) vor die Presse. Beim Treffen der G20-Digitalminister in Düsseldorf hatte er bis morgens um halb acht um die letzten Formulierungen in der Abschlusserklärung gerungen. Zypries sprach von „durchaus nicht einfachen Verhandlungen am Papier“. Mit den Ergebnissen zeigten sich die Ministerin und ihr Staatssekretär aber recht zufrieden. Es sei gelungen, sich mit den USA zu einigen, „allen Unkenrufen zum Trotz“, sagte Machnig, „die Amerikaner sind nun eingebunden in ein multilaterales System“. Die digitale Ökonomie könne protektionistische Maßnahmen nicht vertragen, so der Staatssekretär. Er betonte außerdem, dass die chinesische Regierung sich zum „free flow of data“ bekannt habe.

Bei ihrem ersten Treffen in dieser Form haben die Digitalminister der G20 eine Ministererklärung mit drei Anhängen beschlossen:

  • eine „Roadmap for Digitalisation“ mit dem Titel: „Policies for a Digital Future“
  • Anhang 2 beschäftigt sich mit Bildung: „Digital skills in vocational education and training“
  • und ein Papier zum digitalen Handel: „G20 Priorities on Digital Trade“.

Digitaler Handel

Die Aussagen zum Handel standen wegen der Haltung der US-Regierung im Mittelpunkt des Interesses. Der Annex zum Handel hat drei Abschnitte. Im ersten geht es um die Verbesserung der Datengrundlage zum digitalen Handel. „Die G20 sind sich einig, dass verbesserte Statistiken zum digitalen Handel notwendig sind, um dessen Bedeutung besser abschätzen zu können“, heißt es in der deutschen Zusammenfassung des Papiers. Die G20 appellieren an die internationalen Organisationen, Vorschläge zu machen, um die Erfassung des digitalen Handels zu verbessern – auch wenn der keine finanziellen Spuren hinterlässt.

WTO-Regelwerk

Im zweiten Abschnitt geht es um „International Frameworks on Digital Trade“. Unter anderem wurde vereinbart, dass sich die G20-Mitgliedsstaaten konstruktiv in die Diskussionen der Welthandelsorganisation (WTO) zum E-Commerce einbringen:

„G20 recognize that full implementation of the WTO Trade Faciliation Agreement holds the prospect of enhancing the contribution E-commerce makes to lowering costs and increasing efficiency in international trade“. „Recognizing the Development Dimension of Digital Trade“ ist der Titel des dritten Abschnitts. Zypries erklärte in der Abschluss-Pressekonferenz, dass Digitalisierung das Potential habe, weniger entwickelte Länder weiter voranzubringen, aber auch negative Entwicklungen zu verstärken. In der Erklärung steht dazu:

„G20 Members recognize that enhancing the ability of developing and least developed countries to achive Digital Trade readiness and more fully engage in Digital Trade requires specific capacities in a number of areas. These include digital infrastructure, technological development, skills, transparent and predictable regulatory frameworks, and availibity of payment solutions.“

Was für weniger entwickelte Länder gilt, das gilt zu großen Teilen auch für die Industrieländer. Auch hier sind nach Ansicht der Minister weitere Anstrengungen beim Ausbau der Infrastruktur und bei der Regulierung nötig. Ministerin Zypries sagte zum Ausbau der Netzanbindung:

„Alle Länder außer Korea, wo 100 Prozent der Haushalte einen Internetzugang haben, müssen da noch nacharbeiten.“

Netzzugang für alle Haushalte bis 2025

Die G20-Digitalminister hatten unter chinesischem Vorsitz bereits das Ziel vereinbart, bis 2020 weitere 1,5 Milliarden Menschen an das Internet anzuschließen. In der Düsseldorfer Erklärung bekräftigten sie diese Absicht und fügten die nächste Etappe hinzu: „We […] will encourage the domestic deployment of connectivity to all people by 2025.“ Konkret heißt das:

„Für schnelle und moderne Hochgeschwindigkeitsnetze sind massive Investitionen nötig, mit und ohne Förderung. In jedem Fall sollte ein investitionsfreundliches Umfeld geschaffen werden. Dazu gehören auch flexible Lösungen für Wagniskapital sowie für Gründerinnen und Gründer.“

Eines der umstrittensten Themen bei der Multi-Stakeholder-Konferenz am Tag zuvor war die Regulierung von Plattformen. In einer der drei Panel-Diskussionen stritten vor allem Machnig und die Google-Vertreterin Annette Kroeber-Riehl über den deutschen Weg der Regulierung. Ins Abschlusspapier der Ministerkonferenz kam dann eine ausgewogene Formulierung: Die Minister begrüßen innovative digitale Geschäftsmodelle einschließlich Plattformen und die Sharing Economy und fordern die Verantwortlichen in den Regierungen auf, Investitionen und Innovationen unterstützen und für den Schutz von geistigem Eigentum Sorge zu tragen. Dann wird aber auch Regulierung gefordert:

„These developments should be accompanied by a sound and balanced system of policy approaches that should be based on supportable evidence and developed in an inclusive and transparent manner.“

Inklusives Wachstum ist der Schlüsselbegriff, den Zypries und Machnig im Laufe der Konferenz immer wieder erwähnten – und der auch den Weg ins Abschlusspapier gefunden hat.

Gendergap im Netz

Ein weiteres Thema der Erklärung ist der Gendergap im Netz. Die Minister weisen darauf hin, dass immer noch 250 Millionen Frauen weniger online sind als Männer. Das soll unter anderem mit der Unterstützung der Initiative #eSkills4girls geändert werden. Die Erklärung betont, dass auch andere unterrepräsentierte oder benachteiligte Gruppen „digitally included“ werden sollen. Zypries berichtete nach der Konferenz, dass ihre Amtskollegen vor allem auf die Kluft in der Internetnutzung zwischen Stadt und Land und zwischen jung und alt aufmerksam gemacht hätten.

Das weitere Vorgehen haben die Digitalminister in der Roadmap „Policies for a Digital Future“, dem Annex 1 festgehalten. Darin sind elf Themenfelder aufgezählt, dazu zählen unter anderem Zugang zum Internet und Ausbau der Infrastruktur, aber auch die Weiterentwicklung neuer Geschäftsmodelle, Digitale Bildung und Online-Verbraucherschutz. Konkret vereinbart wurden zum Beispiel ein Dialog politischer Maßnahmen zum Datenschutz, ein Austausch über wettbewerbspolitische Fragen und die Unterstützung von Initiativen, um die Finanzierung von Unternehmerinnen zu verbessern. Die Regierung von Argentinien, die den G20-Vorsitz von Deutschland übernimmt, habe bereits angekündigt, das Thema Digitalisierung weiter voranzutreiben, sagte Zypries.

Keine schnellen Ergebnisse

Machnig zeigte sich optimistisch, dass die jetzt angestoßenen internationalen Diskussionsprozesse auch zu konkreten Vereinbarungen führen. Das sei aber ein mehrjähriger Prozess:

„Es wird keine schnellen Ergebnisse geben, aber es wird Ergebnisse geben müssen.“

Multi-Stakeholder Konferenz

Im Vorfeld des G20-Digitalministertreffens “Digitalisation: Policies for a Digital Future” veranstaltete das BMWi am 6. April die G20 Multi-Stakeholder-Konferenz. Drei hochrangige Podiumsdiskussionen mit internationalen Experten aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft haben neue Anstöße und Ideen gegeben, wie die Potenziale der globalen Digitalisierung ausgeschöpft, wie die Vernetzung der Wirtschaft weiter vorangetrieben und wie durch mehr Transparenz das Vertrauen in den digitalen Wandel gestärkt werden können. Die Telefónica Gruppe wurde auf dieser Konferenz im Panel „Encouraging transparency – Creating confidence in the digital world“ von Carlos López Blanco, Global Head of Public and Regulatory Affairs, repräsentiert.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Sascha Klettke ist Chef vom Dienst und Analyst für Netzpolitik.

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