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Durch Datenanalyse die besseren Personalentscheidungen treffen
Foto: Henrik Andree
Von links: Prof. Dr. Tim Weitzel, Dr. Nanne von Hahn, Lars Gaede, Marlon Litz-Rosenzweig, Adam Robinson (Foto: Henrik Andree)
Veröffentlicht am 09.10.2017
Fotos: Henrik Andree „Die Mitarbeiter sind der einzige wirkliche Wettbewerbsvorteil von Unternehmen“, sagte Adam Robinsonam Mittwoch bei unserer future.work-Veranstaltung über data-driven Recruiting. Produkte, Technologien und Marketing-Strategien könne man kopieren, erklärte der Personalexperte und CEO der Chicagoer Firma Hireology, deren Lösungen zum datenbasierten Zusammenstellen von Teams schon bei 4.000 Unternehmen im Einsatz sind. Dennoch hätten viele Firmen sogar bessere Prozesse für den Einkauf von Büromaterial, als für das Finden und Einstellen von neuen Mitarbeitern.
Die Recruiter würden sich zu stark auf ihr Bauchgefühl verlassen und bei Einstellungen die falschen Fragen stellen. Doch durch die Digitalisierung und den verschärften Kampf um die besten Talente stehen jetzt Umbrüche bevor, zeigte die Diskussionsrunde im Telefónica BASECAMP, die wir mit der deutschen Ausgabe des WIRED-Magazins organisiert hatten.
Recruitung: Von Sachbearbeitung zu Beratungsgeschäft
Die Personalwirtschaft holt nun in Windeseile jene Entwicklungen nach, die erst durch die Analyse von großen Datenmengen möglich sind. Und die in den vergangenen Jahren schon das Marketing komplett verändert haben: vom Gießkannenprinzip zur präzisen Ansteuerung von exakt definierten Zielgruppen.
„Die Digitalisierung hilft uns bei der Informationsverarbeitung zur Vorbereitung von Recruiting-Entscheidungen“, erklärte Nanne von Hahn bei der Diskussion im Telefónica BASECAMP. Sie arbeitet als Director Talent, Development & HR Strategy bei Telefónica Deutschland und treibt dort das datenbasierte Personalwesen voran. In ihrer Abteilung herrscht große Begeisterung über die neuen Lösungen für data-driven Recruiting, die beispielsweise passende Kandidaten für bestimmte Jobs ganz automatisch durch Datenanalysen von frei verfügbaren Internet-Informationen finden. Das entlastet von Routine-Aufgaben und gibt mehr Zeit für bessere Entscheidungen sowie ausführlichere Vorstellungsgespräche. Und man muss weniger Geld für Headhunter ausgeben.
„Vor 20 Jahren war Recruiting noch reine Sachbearbeitung“, erklärte Tim Weitzel, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Bamberg und Experte für IT-Prozesse für die Personalbeschaffung. „Aber heute ist es ein kompliziertes Beratungsgeschäft„, bei dem auch endlich auf Controlling und Prozessoptimierung geschaut werde. Selbst das Performance-Marketing, also der Einsatz von Instrumenten aus dem Online-Bereich und die Messung aller Klicks und Kontakte bis zur Vereinbarung eines Vorstellungsgesprächs, sei inzwischen im HR-Bereich angekommen.
Robo-Recruiting: Menschen bevorzugen Bots
Aber dennoch würde es immer noch 13,5 Tage dauern, bis ein Bewerber in Deutschland die erste Reaktion bekommt. Dieser Durchschnittswert sei seit 20 Jahren gleich, aber heute müsse das dringend schneller werden, „weil die Leute ständig ihr Handy zücken„ und durch die mobile Internet-Nutzung viel schnellere Abläufe gewohnt sind. Bei Telefónica Deutschland gibt es deswegen schon die One-Click-Bewerbung vom Smartphone und selbst Snapchat kommt beim Recruiting zum Einsatz.
Doch Professor Weitzel stellte noch weitere Möglichkeiten zur Professionalisierung der Personalarbeit vor, die er unter dem Begriff Robo-Recruiting zusammenfasste: die Datenfokussierung und Automatisierung der meisten Recruiting-Prozesse. Viele Standard-Fragen von Bewerbern ließen sich beispielsweise durch Chatbots beantworten und Lebensläufe könnten auch Maschinen lesen, die sie in weniger als einer Sekunde auswerten. Schon 1999 habe er seine ersten Computer-Systeme zum Abarbeiten von Bewerbungsstapeln entwickelt: Eine Software beobachtet Recruiter bei ihrer Tätigkeit und entwickelt daraus ein Entscheidungsmodell, das diese Arbeit automatisiert.
Algorithmen seien nicht nur schneller, sondern träfen auch bessere Entscheidungen, weil sie analytisch vorgehen. Deswegen habe auch eine Umfrage seines Fachbereichs bei 16.000 Bewerbern gezeigt, dass die meisten Befragten sich lieber maschinell bewerten lassen, weil sie das objektiver finden.
Bei Recruitern könne es dagegen passieren, dass sie beispielsweise gut aussehende Bewerber ablehnen, weil sie gerade erst gelesen haben, dass schöne Menschen in Bewerbungsprozessen oft bevorzugt werden. So denkt ein Mensch. Und solche Entscheidungen sind mit zu bedenken, wenn wieder einmal jemand sein großartiges Bauchgefühl lobt.
Einstellungskriterien: Intelligenz schlägt sie alle
Die meisten Firmen würden ihre Bewerber nach komplett falschen Kriterien bewerten, hatte Adam Robinson schon bei seiner Keynote gesagt. Sie schauten beispielsweise vorrangig nach der Berufserfahrung, obwohl sie kaum einen Einfluss auf den Erfolg im neuen Job habe – und am wenigsten für Vorhersagen über zukünftige Leistungen tauge.
Das hätten statistische Untersuchungen von Hireology bei über einer Million Recruiting-Vorgängen gezeigt. Auch Persönlichkeitstests, Referenzen oder Überprüfungen der emotionalen Intelligenz seien kaum etwas wert. Aber es gebe einen Faktor, der extrem relevant sei und dennoch kaum geprüft wird: die Intelligenz. Sie habe eine Korrelation von 2/3 zum späteren Erfolg im Job und kein Indikator sei aussagekräftiger für den späteren Erfolg im Job. Und wahrscheinlich stellen Google und Apple genau deswegen so schwere Fragen bei ihren Einstellungen.
Hotel Atlantic: Vom Kirchturm zum Job
Auch der Hamburger Job-Vermittler Talerio schaut längst nicht mehr auf Bewerbungsschreiben oder Lebensläufe, erklärte CEO Marlon Litz-Rosenzweig im Telefónica BASECAMP, sondern prüft seine Kandidaten lieber mit standardisierten Tests im Internet. Denn mit einer Frage wie „Welcher Kirchturm steht hinter dem Hamburger Hotel Atlantic?“ lässt sich nicht nur Wissen abfragen, sondern auch Disziplin und Frustrationstoleranz prüfen.
Wer auf„weiß ich nicht“ klickt, statt ein neues Browser-Tab für eine Internet-Suche zu öffnen, ist wahrscheinlich weniger geeignet für die kreative Lösungsfindung. „Oder er ist besonders ehrlich und empfiehlt sich deswegen für einen Job als Controller“, erklärte Marlon Litz-Rosenzweig dem erstaunten Publikum. Das lässt sich alles aus den Daten lesen.
Ganze zwei Milliarden Datenpunkte habe seine Firma schon über die Bewerber in ihren Datenbanken gesammelt. Unternehmen können sie anonymisiert abfragen und exakt mit ihren Anforderungen vergleichen. Für solche vollautomatischen Prozesse, die vor allem für Freelancer oder zeitlich begrenzte Projekte eingesetzt werden, ist kein Recruiter mehr nötig.
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