Für eine ökologische Digitalisierung: Interview mit Dieter Janecek

Veröffentlicht am 14.01.2020

Pressefoto: Uwe Schroepf Fotodesign
Digitalisierung und Klimaschutz sind zentrale Treiber des Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft. Wir haben den Sprecher für digitale Wirtschaft der Grünen-Bundestagsfraktion dazu befragt, wie beides miteinander vereinbart werden kann.

Das Verhältnis von Digitalisierung und Klimaschutz ist aktuell zweischneidig. Großen Chancen für Klima und Umwelt durch Innovationen in verschiedensten Branchen stehen ein steigender Strom- und Ressourcenverbrauch durch Rechenzentren und elektronische Geräte gegenüber. Dieter Janecek, den Sprecher für Industriepolitik und digitale Wirtschaft der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen haben wir gefragt, wie eine nachhaltige Digitalisierung gestaltet werden kann und wie er die bisherigen politischen Bemühungen zum Thema bewertet.

Ist die Digitalisierung eine Chance oder eher eine Belastung für Umwelt und Klima?

Momentan entwickelt sich die Digitalisierung eher zur Belastung für Umwelt und Klima – durch den enormen Stromverbrauch des Netzes, durch den Ressourcenverbrauch für immer mehr digitale Endgeräte. Allein das weltweite Streaming verursachte 2018 einen Stromverbrauch von 200 Mrd. Kilowattstunden – so viel wie alle Privathaushalte in Deutschland, Italien und Polen pro Jahr zusammen verbrauchen. Gleichzeitig bietet die Digitalisierung enorme Chancen für mehr Umwelt- und Klimaschutz, durch eine intelligentere Steuerung von Verkehrsströmen, smarte Gebäudetechnik oder KI-Einsatz in der Landwirtschaft. Derzeit scheint es mir aber so, dass viele Potenziale nicht oder zu langsam gehoben werden, der Energie- und Ressourcenhunger aber sehr schnell wächst. Da müssen wir dringend ran.

Was sind die größten Herausforderungen für eine ökologische Digitalisierung?

Der Stromverbrauch der IT, vor allem in Rechenzentren, ist natürlich eine zentrale Herausforderung. Viele der großen Anbieter setzen bereits auf Erneuerbare Energien – das ist gut so, hilft dem Klima aber nur bedingt, wenn der Stromverbrauch der IT weiter so stark steigt und gleichzeitig noch immer viel Strom in anderen Bereichen aus fossilen Quellen stammt. Sauberen Strom brauchen wir ja auch für die Elektromobilität oder die Dekarbonisierung der Industrie. Wenn die Wachstumsraten der IT so hoch bleiben, dann bekommen wir da schlicht ein Mengenproblem. Bei der Ressourcenseite haben wir eine mindestens ebenso große Herausforderung. Von einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft im Bereich elektronischer Geräte sind wir meilenweit entfernt. Das Recycling funktioniert ja schon bei Handys eher schlecht als recht – und mit dem Internet of Things, mit allerlei digitalen Endgeräten, Wearables etc. bekommen wir eine regelrechte Explosion von digitalen Geräten.

Foto: CC0 1.0, Pixabay User PublicDomainPictures | Ausschnitt angepasst

Kann Politik eine nachhaltige Digitalisierung gestalten?

Nicht im Alleingang. Aber wir können natürlich politisch die richtigen Rahmenbedingungen setzen, für den Ausbau der Erneuerbaren Energien sorgen, einen wirksamen Preis für CO2 festlegen oder Vorgaben für die Energieeffizienz von Geräten machen. Allein Bundeseinrichtungen betreiben rund 1.000 Rechenzentren – da kann die Bundesregierung in Sachen Energieeffizienz, Einsatz moderner Wasserkühlung oder Abwärmenutzung eine Vorbildfunktion übernehmen, genauso bei der Beschaffung von Hard- und Software. Die Digitalisierung wird aber ganz wesentlich von Unternehmen, von Start-ups vorangetrieben – deshalb ist es entscheidend, dass Unternehmen mitziehen, besser noch vorangehen. Da gibt es auch einige ermutigende Beispiele, aber in der Breite ist das noch nicht angekommen.

Wo sollte die Bundesregierung mit Priorität tätig werden?

Zunächst braucht es überhaupt ein Bewusstsein fürs Thema. Bislang war dazu sehr wenig zu sehen, aber langsam entwickelt sich da immerhin an der einen oder anderen Stelle was. Sowohl im Umweltministerium als auch im Forschungsministerium nehme ich wahr, dass man sich dort jetzt endlich Gedanken macht. Wenn man sich aber den Koalitionsvertrag ansieht, die Digitalstrategie oder die KI-Strategie der Bundesregierung, dann findet man dort ziemlich viele Leerstellen. Und eine umfassende Green-IT-Strategie der Bundesregierung existiert bis heute nicht. Da besteht dringender Nachholbedarf.

Kann die nachhaltige Digitalisierung zum Wirtschaftsmodell für Deutschland und die EU werden?

Europa kann zum Modell werden, wenn wir zeigen, wie die ökologische und soziale Transformation der Wirtschaft gelingen kann. Da geht es natürlich um mehr als um nachhaltige Digitalisierung – dazu braucht es sauberen Strom, nachhaltige Batterietechnik, eine postfossile Grundstoffindustrie, eine echte Verkehrs- und Agrarwende. Aber in vielen Branchen und Bereichen könnten digitale Anwendungen helfen, diese Transformation voranzubringen und umzusetzen.

Pressefoto: Uwe Schroepf Fotodesign

Sehen sie Ansätze im „europäischen Grünen Deal“ der EU-Kommission oder in der Klima- und Digitalpolitik der Bundesregierung, die darauf abzielen?

Bezugspunkte sind im Green Deal auf jeden Fall vorhanden, aber bislang ist der Green Deal ja noch ein grober Rahmen, und noch ist unklar, was genau wie und bis wann umgesetzt werden wird. Die Kommission ist erst frisch im Amt und insofern nachvollziehbar, dass das zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht konkreter ausgearbeitet sein kann. Von der Bundesregierung würde ich mir wünschen, dass sie die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr nutzt, um „Digitalisierung für Nachhaltigkeit“ zu einem Arbeitsschwerpunkt auf EU-Ebene zu machen. Im jüngsten Klimaschutzprogramm der Bundesregierung finden sich zwar sinnvolle Einzelmaßnahmen, z.B. zur Energieeffizienz der Bundes-IT, einen systematischen und strategischen Ansatz, um die Digitalisierung tatsächlich im Sinne des Klimaschutzes zu gestalten, kann ich aber nicht erkennen.

Über Dieter Janecek

Dieter Janecek ist Obmann seiner Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Energie, dem Ausschuss Digitale Agenda und in der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“. Er war auch federführend an der Ausarbeitung eines Antrags der Grünen zur ökologischen Gestaltung der Digitalisierung beteiligt, dessen Beratung im Plenum bisher noch aussteht. Darin fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, eine Green-IT-Strategie zu entwickeln und ihre Digitalpolitik an den international vereinbarten Klima- und Nachhaltigkeitszielen auszurichten. Hinsichtlich digitaler Endgeräte, wie Smartphones, Tablets und Co., setzen sich die Grünen für eine europäische IT-Ökodesign-Richtlinie ein. Diese soll hocheffiziente Produkte zum Standard machen und für die Verbraucher*innen ein „Right to repair“ einführen, um den Ressourcenverbrauch zu verringern.

Zwischen 2008 und 2014 war Dieter Janecek Landesvorsitzender der bayerischen Grünen und hat mehrere hundert Unternehmen in ganz Bayern besucht, um mit ihnen in einen Dialog über nachhaltiges Wirtschaften zu treten. Zuvor war der Diplom-Politologe als Landesgeschäftsführer der Grünen sowie als Kommunikationsberater im IT-Bereich tätig.

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion