Freies WLAN: Gottseidank
In Berlin gibt es immer mehr offene WLAN-Netze – Gottseidank! Neben den Teilnehmern des Free-WiFi-Projekts, das die Berliner Senatskanzlei Anfang Juni auf den Weg gebracht hat, bekennt sich nämlich noch eine ganz andere Organisation zum freien WLAN für alle und errichtet seit neustem kostenlose WLAN-Hotspots in der ganzen Hauptstadtregion. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) hat angekündigt, bis zum Kirchentag 2017 alle Kirchen der Region mit sogenannten „Godspots“ auszustatten.
Landing-Page informiert über Glauben
Der „Godspot“ – in Anlehnung an den Hotspot – soll bis im Frühjahr 2017 in allen 3000 Kirchen und kirchlichen Einrichtungen wie Gemeindehäusern oder Kindergärten zur Verfügung stehen. In der Testphase werden 220 Kirchen mit WLAN ausgestattet. Das Angebot ist kostenlos, Nutzer müssen sich nicht anmelden, bleiben also anonym. Das Netz ist sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kirchengebäude verfügbar. Damit ist das freie Kirchen-WLAN also auch auf den öffentlichen Plätzen vor den Kirchengebäuden nutzbar, so in etwa auf dem Gendarmenmarkt in Berlin-Mitte. Wer als Kirchenbesucher, Passant oder Tourist das freie WLAN nutzen will, muss vorher eine Landing-Page passieren, auf der Informationen zur jeweiligen Kirchengemeinde und zum Thema Glauben und Leben abrufbar sind.
Kirche digital
„WLAN unser im Himmel“, „Gehet hin und öffnet alle Router“ und „Unser täglich Internet gib uns heute“ – die Kommentatoren geizten nicht mit biblischen Kalauern als sie die „frohe Botschaft“ vernahmen. Und tatsächlich ist die Kombination von Kirche und Internet auf den ersten Blick ungewöhnlich. Doch den neuen Lebensrealitäten der Menschen will sich die progressiv gesinnte Evangelische Kirche in der Hauptstadtregion nicht verschließen. Fabian Kretschmer, der bei EKBO für die IT verantwortlich ist, begründete den ungewöhnlichen Vorstoß so: „Menschen sind nicht weniger spirituell als früher. Aber die Orte der Kommunikation haben sich verschoben, vieles findet in digitalen sozialen Netzwerken und Communities statt. Mit ‚Godspot‘ wollen wir als Evangelische Kirche eine sichere und vertraute Heimstatt in der digitalen Welt bauen.“ Ob das die Kirchen, die sich deutschlandweit um Mitglieder und Gottesdienstgänger bemühen, attraktiver macht, weiß Fabian Kretschmer nicht einzuschätzen. Mehr Sichtbarkeit erlangt sie bei internetaffinen Gläubigen und Nicht-Gläubigen auf jeden Fall. Selbst der Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier ließ sich das Projekt an der Französischen Friedrichstadtkirche vom Team der Landeskirche und dem Facebook-affinen EKD-Ratsvorsitzendem Heinrich-Bedford Strohm präsentieren.
Die Reaktionen anderer evangelischer Kirchenverbände auf den Vorstoß aus Berlin-Brandenburg sind unterschiedlich. Manche Geistliche stören sich daran, dass die ohnehin wenigen Kirchenbesucher dann auch noch unaufmerksam sein könnten. „Wenn sich ein Besucher eines Gottesdienstes ablenken lässt, egal wovon, dann haben wir ein Predigtproblem und kein ‚Godspot‘-Problem“, kommentiert Fabian Kretschmer diese Haltung. Die mitteldeutschen evangelischen Kirchen finden hingegen Gefallen an der Idee und prüfen bereits die Umsetzbarkeit in ihren Kirchenkreisen.
Berlin will WLAN-Hauptstadt werden
Das Projekt „Godspot“ passt gut zur Vision von Björn Böhning, dem Chef der Berliner Senatskanzlei, Berlin zur Digital-Hauptstadt zu machen. Der Startschuss für das Projekt „Free WiFi Berlin“ fiel Anfang Juni. Seitdem werden an öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Einrichtungen wie etwa Rathäusern, Bürgerämtern, Bibliotheken oder Volkshochschulen kostenlose Hotspots installiert. Der WLAN-Vorstoß der Evangelischen Landeskirche steht auch im Kontext der Debatte um die Störerhaftung. Die Koalitionsfraktionen im Bundestag hatten vor wenigen Wochen die Abschaffung der Störerhaftung für die Betreiber offener WLAN-Netze beschlossen. Wenn das Gesetz im Herbst 2016 in Kraft tritt, müssen Anbieter den Zugang nicht mehr verschlüsseln