Fair Play für den Netzausbau: „Wir wollen auf Augenhöhe verhandeln können“

Fotos: Henrik Andree
Veröffentlicht am 28.09.2023

Ein besonders umstrittenes Thema stand dieses Mal auf dem Programm in der FishBowl-Veranstaltung im Berliner BASECAMP von Telefónica, dass sich als „Plattform für digitales Vordenken“ versteht: Wer zahlt für den Netzausbau? Die großen Internetplattformen wie Google und die Streaming-Anbieter, die immer größere Datenmengen produzieren? Die Telekommunikationsbetreiber, die wegen des Grundsatzes der „Netzneutralität“ alles ohne Vorrang für einzelne Anliegen übertragen müssen? Oder die Verbraucher:innen, die durch das Abrufen immer größerer Datenmengen bei den großen Tech-Firmen den ständigen Netzausbau letztendlich nötig machen?

Philippe Gröschel, Director Government Relations bei Telefónica Deutschland, erklärte: „Wir haben bei diesem Thema eine sehr starke eigene Meinung, wollen aber die Neutralität des BASECAMPs erhalten und nehmen deshalb nicht teil.“ Die Branche der Telekommunikationsbetreiber blieb aber nicht ohne Vertreter am FishBowl-Tisch: Die Forderung der Netzbetreiber nach „Fair Play“ beim Netzausbau, durch einen finanziellen Beteiligung von Seiten der großen Tech-Firmen, vertrat Dr. Jakob Greiner, Vice President European Affairs der Deutschen Telekom.

Wenige große Content-Anbieter, so Greiner, seien für über die Hälfte aller Daten verantwortlich, das Volumen wachse jedes Jahr um 20 bis 30 Prozent. Die Netzbetreiber müssten deshalb ständig ausbauen. Die EU-Vorgabe „Gigabit für alle“ bis 2030 sei mit bisherigen Mitteln nicht zu schaffen. Die Telekom investiere jedes Jahr 20 Prozent ihres Umsatzes, bekomme aber „keinen Return on Invest“, weil die Endnutzerpreise in Deutschland und der EU politisch gewollt „extrem niedrig“ seien.

Dr. Andreas Schwab | Foto: Henrik Andree

Eigentlich hatten die Diskussionsteilnehmer erhofft, dass zur FishBowl bereits eine Empfehlung der EU-Kommission vorliegen würde, die bereits im Februar 2023 zu einer Konsultation eingeladen und um Stellungnahmen aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik dazu gebeten hatte. Da aber noch keine Ergebnisse vorlagen, bat Moderatorin Tanja Samrotzki den Freiburger CDU-Europaabgeordneten Dr. Andreas Schwab, um  Auskunft, wie die Diskussion in Brüssel laufe. Schwab erklärte, man suche einen „Mittelweg“ in dieser Kontroverse zwischen den Anbietern wachsender Datenvolumen und den Netzbetreibern und deren „deflationären Preisen“. Es gehe aber auch darum, gegen Spams und andere ungewollte Inhalte vorzugehen, unnötigen Datenmüll etwa bei Online-Spielen oder Filmen auf dem Smartphone zu vermeiden und vor allem das Gebot der „Netzneutralität“ zu wahren. Die Tech-Anbieter sollten ihren Beitrag zur Datenminimierung leisten, meinte er. Auf den Hinweis Samrotzkis, dass seine konservative Fraktion EVP sich in dieser Frage offenbar nicht einig sei, verwies Schwab auf die sehr unterschiedliche Situation in den Mitgliedsländern. In Italien beispielsweise steht die italienische Telecom bei der Finanzierung des Netzausbaus vor Herausforderungen, so dass dort jetzt die Regierung erwägt, einzusteigen. Um das Ziel der EU zu erreichen, ein „digitaler Kontinent“ zu werden, müssen Investitionen in die Netze einfacher werden.

Maximilian Funke-Kaiser | Foto: Henrik Andree

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Maximilian Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher seiner Fraktion, sprach sich gegen zu viel Regulierung und eine Art „Datenmaut“ aus, auch weil er Einschränkungen der Netzneutralität befürchte. Aber der Hauptgrund der FDP gegen eine Kostenbeteiligung der Datenanbieter am Netzausbau sei folgender: „Wir sehen keine Finanzierungslücke.“ Es gebe private und staatliche Investitionen in den Netzausbau, gerade werde auch wieder darüber für den Bundeshaushalt beraten. Er warf der Telekom Deutschland aber auch vor, den Ausbau der Glasfasernetze seit Jahren verschleppt und zu wenig in die Entwicklung der Netze investiert zu haben. Was Greiner mit dem Hinweis auf das Super-Vectoring-System konterte:

„Dass wir gut durch die Pandemie gekommen sind und nicht jammern mussten beim Speed, lag an der Super Vectoring Technologie.“

Den Vorwurf des zu langsamen Ausbaus des Netzes an die Telekom wiederholten auch Vertreterinnen aus der Filmproduktion und des Verbands privater Medien (Vaunet), als der freie Stuhl am FishBowl-Tisch am Schluss allen offen stand.

Benjamin Sokolowski, Vice President Government Relations beim Chip- und Halbleiter-Hersteller Qualcomm, bezifferte dagegen die von Funke-Kaiser bestrittene „Finanzierungslücke“ beim Netzausbau auf 174 Milliarden Euro:

„Wir haben perspektivisch ein strukturelles Defizit in der Infrastruktur.“

Die von der EU geforderte „digitale Dekade“ sei wichtig für Wohlstand und auch die politische Rolle der EU, die Souveränität und Resilienz. Auch in Hinsicht auf Projekte wie autonomes Fahren und 6G sei Deutschland hinten dran. Es sei „gut, dass die Diskussion jetzt stattfindet“.

„Mit Künstlicher Intelligenz auf dem Smartphone komme eine große Chance hinzu, sagte Sokolowski. Zukünftig werde KI viel stärker direkt auf dem Endgerät statt in der Cloud eingesetzt und erlebbar.“

v.l.n.r.: Benjamin Sokolowski, Maximilian Funke-Kaiser, Tanja Samrotzki, Lutz Mache, Dr. Jakob Greiner | Foto: Henrik Andree
v.l.n.r.: Benjamin Sokolowski, Maximilian Funke-Kaiser, Tanja Samrotzki, Lutz Mache, Dr. Jakob Greiner | Foto: Henrik Andree

Lutz Mache, Government Affairs and Public Policy Manager bei Google, einer der großen Internetplattformen und Streaming-Anbieter, welche die Netzbetreiber gerne zur Kasse bitten wollen, meinte, die Diskussion drehe sich „seit zwei Jahren im Kreis“. Er wies darauf hin, dass die Tech-Firmen wie Google selbst großes Interesse daran hätten, die Kosten zu optimieren. Google investiere in Apps und andere Möglichkeiten mehr als 20 Prozent des Umsatzes, und entwickle Kompressionsmethoden, mit denen man zum Beispiel den Datenverkehr bei Youtube um ein Drittel reduziert habe. Es gäbe aber auch ein gemeinsames Interesse, Dienste anzubieten die Traffic verursachen, wie beispielsweise die „Sovereign Cloud“, die mit der Telekom zusammen aufgebaut wurde. Die Initiativen zur Datenreduzierung kommentierte der EU-Abgeordneten Schwab erfreut, wenn alle Anbieter so handelten, brauche es ja keine Regulierung. Das täten nur leider noch nicht alle Tech-Firmen. Aber „die Zutaten für eine gute Lösung haben wir gefunden“, resümierte er die Diskussion.

Dr. Jakob Greiner | Foto: Henrik Andree
Dr. Jakob Greiner | Foto: Henrik Andree

Dazu, so Greiner von der Telekom, müsse es aber einen finanziellen Anreiz zur Datenminimierung geben, vergleichbar einer CO2-Abgabe. Der Datenverkehr habe auch mittelbare Auswirkungen auf die Energieeffizienz und in vielen EU-Ländern sei die Telekom-Branche ein überschuldeter Sektor. Eine Erhöhung der Verbraucherpreise, wie etwa die vergleichsweise hohen Preise in den USA, stelle keine geeignete Maßnahme dar und wäre gesellschaftlich und politisch bestimmt nicht gewollt. Deshalb fordert er für die Netzbetreiber im Umgang mit den riesigen Tech-Konzernen:

„Wir wollen auf Augenhöhe über einen fairen Preis verhandeln können“.

Und bei Scheitern der Verhandlungen sollte ein Streitbeilegungsmechanismus wie etwa ein Schiedsgericht existieren.

Weitere Impressionen von der Veranstaltung:

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