Wirtschaftsministerium: Fachdialog Netzneutralität
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat seine umfangreichen Aktivitäten zum Thema Netzneutralität in einem Fachdialog der Öffentlichkeit vorgestellt. Eröffnet wurde die Konferenz von Staatssekretär Stefan Kapferer. Er bezeichnete ein freies und leistungsfähiges Internet als „unverzichtbaren Baustein unserer Gesellschaft“ und konstatierte: „Wir brauchen deshalb eine breit geführte öffentliche Debatte zur Netzneutralität. Denn bei diesem Thema geht es ebenso um Medienvielfalt und Datenschutz, wie auch um Investitions-, Diskriminierungs- und Wettbewerbsfreiheit als Grundprinzipien unserer Sozialen Marktwirtschaft.“
Teilnehmer aus Wissenschaft, Netzcommunity, Politik und Wirtschaft debattierten erste Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien, die im Auftrag des BMWi entstehen. Der Dresdner Steuer- und Wirtschaftsrechtler Prof. Dr. Thomas Fetzer, LL.M. moderierte die Veranstaltung und stellte die Studienreihe „Netzneutralität – Handlungsbedarf und –optionen des Staates“ vor. Es handelt sich um ein Kooperationsprojekt der TU Dresden, Prof. Dr. Thomas Fetzer (Gesamtprojektverantwortung), der Universität Mannheim, Prof. Dr. Martin Peitz und Prof. Dr. Heike Schweitzer, und dem ZEW im Auftrag des BMWi.
Der Mannheimer Wirtschaftsprofessor Prof. Dr. Martin Peitz präsentierte erste Ergebnisse der Studie über „Ökonomische und juristische Grundlagend er Netzneutralität“. Sein Überblick gängiger Hypothesen machte eines ganz deutlich: das Diskriminierungspotenzial hängt von den konkreten Marktgegebenheiten ab und insbesondere davon, inwieweit chancengleicher Wettbewerb herrscht. Das Stichwort Wettbewerbs griff in der Diskussion auch Markus Beckedahl auf, der Kopf hinter netzpolitik.org und Mitglied der Bundestags-Enquetekommission zu Internet und digitaler Gesellschaft. Beckedahl sieht zumindest im Mobilfunk zu wenig Wettbewerb. Die Forderung nach mehr Wettbewerb unterstützte auch Wolf Osthaus, ebenfalls Mitglied der Enquetekommission und Vertreter der 1&1 Internet AG. Eine Vertreterin der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern bezeichnete das Thema gar als „Ballungsraumdiskussion“, denn in vielen Landesteilen sei als Internet-Grundversorgung gerade einmal eine stationär genutzte Mobilfunklösung vorhanden.
Deutlich wurde das hohe Interesse der etablierten Rundfunkanbieter am Thema Netzneutralität, sowohl seitens der privaten Sender aus dem VPRT als auch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF. Ihnen ist die weitere Erreichbarkeit ihrer Zuschauer ohne Zusatzkosten wichtig.
Die aktuellen politischen Handlungsmöglichkeiten wurden ebenfalls in mehreren Runden diskutiert. Für das Bundeswirtschaftsministerium machte Abteilungsleiter Dr. Andreas Schuseil deutlich, dass die Verordnungsermächtigung zur Netzneutralität aus der TKG-Novelle eine „Verpflichtung“ für die Bundesregierung sei. Allerdings herrsche nach wie vor zu wenig Klarheit, welche Probleme in Zukunft entstehen könnten. Die vom Bundestag erarbeitete Lösung zur Netzneutralität sieht neben einer technischen Richtlinie der Bundesnetzagentur eine Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates und des Bundestages vor. Die darin formulierten Grundsätze entsprechen beispielsweise der gemeinsamen Positionierung von Bundesregierung und TK-Branchen, zuletzt im Rahmen des IT-Gipfels 2010. Eine über solche Grundsätze hinausgehende gesetzliche Detail-Regelung ist aus Sicht der E-Plus Gruppe aktuell nicht angemessen. weil die Dynamik des Netzes nicht vorhersehbar ist. Somit wäre es nicht im Sinne der Nutzer, 2011 etwas zu definieren, das 2013 als überholt gilt. Wichtig ist es, die inhaltliche Freiheit des Netzes zu gewährleisten.
Netzneutralität ist natürlich kein deutsches Thema und so kam beim Fachdialog auch Peter Stuckmann als Vertreter der EU-Kommission zu Wort. Die neu vorgesehenen Regeln zur Netzneutralität im deutschen Telekommunikationsgesetz hält er aus Sicht des EU-Rechts nicht für problematisch. Stuckmann kündigte für Frühjahr 2012 eine europäische Studie zum Thema an. Diese wird zurzeit von GEREK erarbeitet, eine Koordinierungsstelle der Regulierungsbehörden in der EU. Im März 2012 wird auch der Fachdialog des deutschen Wirtschaftsministeriums fortgesetzt. Das Thema Netzneutralität wird zu Recht auf allen Ebenen und zwischen allen wissenschaftlichen Disziplinen diskutiert – denn diese Klärungsprozesse sind nötig, um ganz im Sinne von Staatssekretär Kapferer ein freies und leistungsfähiges Internet zu garantieren.