Europawahlkampf 2019: Parteien sollen auf Mikrotargeting verzichten

Foto: CC BY 2.0 Flickr User Walter. Bildname: DSC_4149_pp. Ausschnitt bearbeitet.
Veröffentlicht am 28.05.2018
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Spätestens seit dem US-Wahlkampf und dem Brexit-Referendum ist diese These verbreitet: Facebook nimmt Einfluss auf Wahlen. Die Enthüllungen um Cambridge Analytica haben diesen Eindruck nur verstärkt. Vertreter verschiedenster Parteien – sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene – forderten deshalb Internet- und Medienunternehmen auf, sich selbst zu regulieren. European Digital Rights (EDRi), eine europäische Zivil- und Menschenrechtsorganisation, dreht den Spieß um und fordert nun dasselbe von den politischen Parteien. Sie sollen ein Zeichen setzen und im Europawahlkampf auf politisches Mikrotargeting verzichten.

„Politicians have asked everyone else to ‘self-regulate’, now it is their turn to turn words into deeds”,

findet Joe Mc Namee, Executive Director von European Digital Rights. Um Druck auf die europäischen Parteien auszuüben, hat die Organisation sich am 14. Mai per Brief an die sechs im Europäischen Parlament vertretenen Parteienbündnisse gewandt. Darin fordert EDRi sie auf, sich selbst zu einem Wahlkampf ohne „tracking-based online advertisement“ zu verpflichten.

Rückenwind von EU-Kommissarin

Rückenwind für ihre Aktion bekommt die Organisation sicherlich von der EU-Justizkommissarin Věra Jourová. Denn diese sprach sich bei einem Besuch in Berlin am 15. Mai sehr deutlich dafür aus, dass die Mitgliedsstaaten ihre Spielregeln für Wahlen überprüfen sollten. Ihrer Meinung nach sind die großen Internet-Plattformen eine „Black Box“ und Bürger könnten in sozialen Medien „Objekte der Manipulation“ werden. Notwendig seien daher klare Regeln und Transparenz. Bereits Ende April hatte die Kommission sich mit Vertretern der 28 nationalen Wahlbehörden in Brüssel getroffen, um über den Umgang mit Wahlkämpfen im Internet zu sprechen. Dabei wurde den Vertretern ein Katalog mit Fragen vorgelegt, die durchscheinen lassen, welche Themen Jourová den EU-Staaten gerne auf die politische Agenda setzen würde. Zum Beispiel:

„Wer ist für die Kontrolle politischer Anzeigen zuständig? Haben Sie begonnen, Online-Archive für politische Anzeigen zu entwickeln?”

Mikrotargeting bei der #BTW2017

Ein derartiges Online-Archiv haben beispielsweise die Grünen in Deutschland angelegt. Sie veröffentlichen seit Juli 2017 alle Anzeigen – auch jene, die an definierte Zielgruppen ausgespielt werden. Dennoch: Einen Überblick, wie viel Wahlwerbung insgesamt im Netz geschaltet wird, ist schwer zu bekommen. Nicht mal in Deutschland ist klar, wie viele Anzeigen die Parteien zur Bundestagswahl allein bei Facebook schalteten – geschweige denn, wie viel Geld sie dafür ausgaben. In einem Interview mit UdL Digital am 14. August 2017 sagte Digitalexperte und Wahlberater Martin Fuchs, dass wir in Deutschland in „dem wohl datenschutzfreundlichsten Land der Welt“ leben – und trotzdem wurden auch hier die Werbeformen Mirkotargeting und Dark Posts von allen Parteien im Bundestagswahlkampf 2017 genutzt. Matching bzw. Scoringverfahren, die z.B. im US-Wahlkampf verwendet wurden, sind aufgrund der Datenschutzregeln in Deutschland allerdings nicht erlaubt. Doch wie sieht es da bei den anderen EU-Staaten aus?

„Wir müssen reden“

Am Ende gilt, was die EU-Kommissarin Věra Jourová in Berlin sagte:

„Wir müssen darüber reden, ob wir solche Methoden wollen […].“

In ungefähr einem Jahr findet die Europawahl statt, der Wahlkampf könnte schon nach der Sommerpause inoffiziell beginnen. Ein bisschen Zeit für eine Diskussion und eventuell die Durchsetzung einiger Schutzmaßnahmen bleibt den 28 Mitgliedsstaaten. Und vielleicht haben die Briefe von EDRi an die Fraktionen im EU-Parlament ja schon interne Diskussionen angeregt.

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