Europa Digital: Wie digital ist die Politik von Ursula von der Leyen?

Pressefoto Ursula von der Leyen: BPA/Steffen Kugler
Pressefoto Ursula von der Leyen: BPA/Steffen Kugler
Veröffentlicht am 11.07.2019

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist überraschend als Kandidatin für das Amt der EU-Kommissionspräsidentin nominiert worden. Ob sie erfolgreich sein wird, entscheidet sich aber erst nächste Woche. Am 16. Juli stimmt das Europäische Parlament über die Spitze der EU-Kommission ab. Wenn von der Leyen das Amt übernehmen will, muss sie nun binnen kürzester Zeit reichlich Überzeugungsarbeit leisten – vor allem bei den Parlamentariern. Dafür legte sich die CDU-Politikerin am Tag der Bekanntgabe ihrer Nominierung einen „europäischen“ Twitter-Account zu und begrüßte die Netzgemeinde mit „Hallo Europa! Hello Europe! Salut l’Europe!“ Doch wie viele digitalpolitische Meilensteine liegen eigentlich hinter der designierten Kommissionspräsidentin?

Bundeswehr verkauft interne Daten

Jüngst veröffentlichte Informationen der Süddeutschen Zeitung (SZ) lassen Zweifel am digitalen Know-how des Verteidigungsministeriums aufkommen. Laut dem Bericht verkaufte die Bundeswehr ausrangierte Laptops und vergaß dabei, vertrauliche Informationen auf der Festplatte zu löschen. Dabei handelte es sich um die als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestufte Bedienungsanleitung für den Raketenwerfer „Mars“. Das Verteidigungsministerium erklärte nach eingehender Prüfung, dass ein weiterer Rechner mit ungelöschter Festplatte verkauft worden sei. Ob dieser ebenfalls vertrauliche Daten enthielt, ließe sich nicht mehr feststellen.

SPD blockiert Cyberagentur

Um EU-Kommissionschefin werden zu können, braucht von der Leyen die Mehrheit des Parlaments hinter sich. Doch insbesondere die deutschen Sozialdemokraten scheinen nicht gewillt, die Personalie und damit den Umzug von der Leyens nach Brüssel abzunicken. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Sozialdemokraten gegen ein Vorhaben von der Leyens sperren. Kurz vor der Bekanntgabe ihrer Nominierung stellte sich die SPD gegen die Pläne des Innen- und des Verteidigungsministeriums zur Gründung der „Agentur für Innovation in der Cybersicherheit“ (Cyberagentur). Die Sozialdemokraten stören sich vor allem an der privaten Rechtsform (GmbH), auf der die Agentur gegründet werden soll. Nachdem auch der Bundesrechnungshof (BRH) das finanzielle Konzept infrage stellt, bewegt sich das geplante Projekt der Verteidigungsministerin weiterhin auf Glatteis. Ziel der Agentur ist es, „ambitionierte Forschungs- und Innovationsvorhaben im Bereich der Cybersicherheit anzustoßen, zu fördern und zu finanzieren“. Von der Leyen sieht die neue Agentur als „Schatzsucher“, um hochinnovative und disruptive Forschung aufzuspüren und diese letztlich zu fördern.

Cyber Innovation Hub als „schlagkräftige Einheit“

Dass es von der Leyen mit der Digitalisierung ernst meint, machte sie kürzlich in einem Interview klar, in dem sie ein Digitalministerium für die Bundesregierung forderte. Von der Leyen erklärte, Digitalisierung müsse Chefsache werden:

„Ich bin überzeugt, dass es in der nächsten Legislaturperiode ein Digitalministerium geben muss“,

sagte sie dem Nachrichten-Portal „t-online.de“. „Ein Nebeneinanderher und einen Tempostopper“ könne man sich nicht mehr leisten. Denn auch innerhalb der Bundeswehr sei die digitale Vernetzung von erheblicher Bedeutung. Um die Innovationsgeschwindigkeit der Bundeswehr zu erhöhen, gründete das Verteidigungsministerium unter der Leitung von der Leyens den Cyber Innovation Hub.

„Der Cyber Innovation Hub ist eine kleine, schlagkräftige Einheit“, die als „Schnittstelle zwischen Startups und Bundeswehr digitale Innovationen voranzutreiben soll“,

sagte sie auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2019. In der nächsten Dekade sei das Cyber- und Digitalisierungsthema das Top-Thema der Bundeswehr.

„Zensursula“

Als digitale Revoluzzerin hat die Netzkultur von der Leyen nicht gerade in Erinnerung. Nachdem sich die damalige Familienministerin 2009 für das „Zugangserschwerungsgesetz“ ausgesprochen hatte, durch das Internetseiten mit strafbaren Inhalten gesperrt und geheime Sperrlisten unter Verwaltung des BKA angefertigt werden sollten, kassierte sie den satirischen Spitznamen „Zensursula“. Kritiker befanden den Vorschlag als ineffektiv und argumentierten deshalb mit dem Slogan „Löschen statt sperren“. Im Internet wurde die damalige Familienministerin und Initiatorin der „Netzsperren“ durch den Song „Zensi, Zensa, Zensursula“ zu einem viralen Hit.

Juncker hinterlässt einige To-Do´s

Noch-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat indes einen Zehn-Punkte-Plan von unerledigten Aufgaben für seine/n Nachfolger/in zusammengestellt. Sollte von der Leyen das Amt übernehmen, müsste sie sich unter anderem um die noch nicht verabschiedete ePrivacy-Verordnung, die für den Datenschutz im Bereich der elektronischen Kommunikation steht, die Verordnung gegen die Verbreitung von terroristischen Inhalten im Netz und um die eEvidence-Verordnung kümmern. Ein weiterer roter Punkt auf der von Juncker hinterlassenen To-Do-Liste: Eine Einigung in Sachen Digitalsteuer.

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