#EU2020DE: Interview mit Axel Voss
Axel Voss | Pressefoto: Frank Beer, Pixabay User loginueve_ilustra, ADMC u. GregMontani
Axel Voss ist Europaabgeordneter der EVP-Fraktion und sitzt seit 2009 im EU-Parlament. Bekanntheit erlangte er als Berichterstatter zur Urheberrechtsreform. Voss setzt sich für ein digital souveränes Europa ein, dass im internationalen Wettbewerb bestehen kann.
Der rechtspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Axel Voss, ist einer breiteren Öffentlichkeit durch seine Arbeit als Berichterstatter zur EU-Urheberrechtsreform bekannt. Aufgrund seiner Position, das Internet stärker zu regulieren und die Rechte von Kreativen zu stärken, wurde der CDU-Politiker zum Ziel harscher Kritik aber auch von Beleidigungen und Hass im Netz. Aber schon seit seiner ersten Wahl ins Parlament im Jahr 2009 befasste sich Voss mit Themen rund um die Digitalisierung – zunächst als Mitglied des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres.
Aktuell ist die digitale Souveränität Europas ein zentrales Anliegen von Axel Voss. Er will verhindern, dass die EU eine „digitale Kolonie der USA oder Chinas“ wird. In einem Digitalmanifest hat Voss deshalb zahlreiche Vorschläge gesammelt, um die digitale Souveränität und die geopolitische Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken. Der CDU-Politiker appelliert darin, in der EU-Digitalpolitik „radikal umzudenken“, da die wachsende Abhängigkeit von Software, Hardware und Cloud-Diensten aus Drittstaaten zutiefst beunruhigend sei.
Darüber hinaus ist der Datenschutz einer von Voss Arbeitsschwerpunkten. Für seine Fraktion war er Berichterstatter zur so genannten Fluggastdatenspeicherung und für die Überarbeitung der EU-Datenschutzverordnung. Wir haben mit ihm über die aktuellen Herausforderungen der EU-Digitalpolitik und die Pläne der Europäischen Kommission gesprochen.
Während der Corona-Pandemie ist auch die Cybersicherheit wieder stärker in den Fokus gerückt. Welche Schwerpunkte sollten bei der anstehenden Überarbeitung der Richtlinie zur Netz- und Informationssicherheit (NIS) gelegt werden?
Schon vor Corona haben Cyberangriffe stetig zugenommen, durch die Pandemie und vermehrtes Teleworking ist die Vulnerabilität natürlich nochmal erhöht. Daher hat die vollständige Umsetzung des Cybersecurity Acts und der Richtlinie zur Netz- und Informationssicherheit in allen Mitgliedsstaaten höchste Priorität. Die bevorstehende Überprüfung der NIS sollte dazu genutzt werden, sie in eine unmittelbar geltende Verordnung umzuwandeln, um zur Harmonisierung innerhalb eines wirklichen Digitalen Binnenmarktes beizutragen. Zudem sollte ihr Anwendungsbereich auf weitere Sektoren ausgedehnt und geprüft werden, ob es angesichts der bestehenden DSGVO-Verpflichtungen zu Überschneidungen kommt. Insgesamt sollte gewährleistet werden, dass alle Maßnahmen des europäischen und nationalen Gesetzgebers zur Cybersicherheit kohärent sind und nicht zu einem Wettbewerbsnachteil werden.
Ein weiteres Legislativvorhaben der Kommission ist der Digital Services Act, der die veraltete eCommerce-Richtlinie ersetzen soll, die im Jahr 2000 entstanden ist. Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Elemente, um die globale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Internetunternehmen zu fördern?
Mit Vorhaben wie dem DSA soll den strukturellen Nachteilen vorgebeugt werden, denen europäische Unternehmen im eigenen Binnenmarkt ausgesetzt sind, da dieser gerade im digitalen Bereich enorm von amerikanischen und chinesischen Akteuren dominiert wird. Wir brauchen eine Reform des europäischen Wettbewerbsrechtsrahmens, damit der Missbrauch von Marktmacht gezielter und einfacher bekämpft und den Risiken neu entstehender Monopole effektiver, schneller und flexibler begegnet werden kann. Zudem müssen die Ressourcen und Kapazitäten der Wettbewerbsbehörden aufgestockt werden, um eine rasche Durchsetzung der Wettbewerbsregeln zu ermöglichen.
Engagiert sich die EU aus ihrer Sicht ausreichend bei Forschung und Innovation? Können wir bei den Themen KI und Quantencomputing international mithalten?
Nein, die EU engagiert sich nicht ausreichend bei Forschung und Innovation. Dieser Bereich kommt auch noch in den Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen zu kurz und wir setzen uns derzeit massiv dafür ein, hier mehr Budget zu bekommen. Noch können wir international mithalten, wenn wir schnell agieren und investieren. Allerdings läuft uns die Zeit davon und die Konsequenzen für unseren Wohlstand und auch unsere Sicherheit wären verheerend, sollten wir scheitern. Um unsere digitale Souveränität zu stärken, müssen wir in Europa klare Prioritäten setzen, indem wir uns auf Vorreiterbereiche – wie eben KI, Quantencomputing oder Robotik – festlegen, die dann massiv gefördert werden.
Kommission und Parlament wollen gemeinsame Ladegeräte für Mobiltelefone und ähnliche Geräte. Welche anderen Bausteine braucht es für eine nachhaltige Digitalisierung?
Die Mitgliedstaaten der EU müssen lernen zu verstehen, dass gerade die digitale Entwicklung vor ihren Regelungskompetenzen keinen Halt macht. Das bedeutet, wenn wir uns weiter in Europa fragmentieren, werden wir uns nicht wettbewerbsfähig und nachhaltig genug entwickeln. Gerade der Ausbau digitaler Infrastruktur und Smart Cities trägt besonders zur Nachhaltigkeit und zu grünem Wachstum bei, da so zum Beispiel die Energieeffizienz massiv erhöht wird. Auch hier müssen wir strategisch investieren.
Die Kommission hat in ihrem Arbeitsprogramm einen Schwerpunkt auf die Digitalisierung gelegt, das Parlament war in der Vergangenheit insbesondere bei der DSGVO die führende Kraft. Wer wird in dieser Legislaturperiode die Triebfeder in der Digitalpolitik sein – die Kommission oder das Parlament?
Die Kommission hat in dieser Legislatur mit der Vorlage der Datenstrategie und dem KI-Weißbuch Anfang des Jahres schon früh im digitalen Bereich geliefert. Allerdings sind die Vorschläge nicht mutig genug, um eben auch in Zukunft international mithalten zu können und nicht zur digitalen Kolonie Chinas oder der USA zu werden. Bei der Förderung der Harmonisierung des digitalen Binnenmarktes durch Verordnungen statt Richtlinien und bei der Forderung nach mehr Investitionen ist eindeutig das Parlament die treibende Kraft.
Die EU ist aufgrund der Corona-Pandemie im Krisenmodus. Werden die EU und ihre Institutionen gestärkt daraus hervorgehen oder zerstrittener als zuvor? Welche Rolle wird dabei das Europaparlament spielen?
Jean-Claude Juncker sagte einmal: „Die EU hat jahrzehntelange Erfahrung in der Bewältigung von Krisen und ist stets gestärkt daraus hervorgegangen“. Ja, Corona ist eine enorme Herausforderung. Die Mitgliedsstaaten sind zu Beginn der Pandemie völlig unkoordiniert vorgegangen, die europäische Solidarität wurde massiv in Frage gestellt, selbst die Arbeitsweise des Europäischen Parlaments wurde durch das Virus enorm eingeschränkt. Die wirtschaftlichen Konsequenzen haben wir noch gar nicht richtig zu spüren bekommen. Aber ich hoffe, dass man die Pandemie im Nachhinein einen Weckruf nennen wird. Dass endlich verstanden wird, dass wir europäische Krisen auch europäisch lösen müssen. Dass wir unsere Entscheidungen nicht von den Befindlichkeiten Einzelner abhängig machen dürfen, um vorwärts zu kommen. Gerade im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas kommt dem Parlament dabei eine wichtige Rolle zu. Noch haben wir unsere eigene Entwicklung in der Hand, doch es fehlt meines Erachtens bei den Verantwortlichen in der EU – insbesondere im Digitalen – an einer Strategie und an dem unbedingten Überlebenswillen in einer zunehmend bipolaren Welt, in der wir uns als Player auf Weltniveau behaupten müssen.