EU Video und EU Voice: Was steckt hinter den Plattformen der Europäischen Union?
Vor kurzem hat die Europäische Union zwei eigene Social Media-Plattformen gestartet: EU Video und EU Voice. Wie funktionieren sie und welche Ziele verfolgt die EU mit diesem Schritt?
Warum abwarten, bis sich andere anpassen, wenn man es selbst auch besser machen kann? Das dachte sich wohl auch die Europäische Union und lancierte im April dieses Jahres überraschend zwei Social Media-Plattformen als Alternativen zu YouTube und Twitter. Angesichts der langen Tradition von lautstarker Kritik der EU gegenüber den großen US-amerikanischen Tech-Unternehmen ist dies besonders bemerkenswert. Doch können sich die beiden Plattformen EU Video und EU Voice tatsächlich als ernstzunehmende Konkurrenz zu Twitter, Facebook, YouTube und Co. etablieren?
Wie funktionieren die neuen Plattformen?
Mit der Veröffentlichung ihrer eigenen Social Media-Plattformen versucht die EU Alternativen anzubieten, die primär den Schutz der Nutzer:innendaten stärken sollen. Beide Plattformen verfolgen kein kommerzielles Ziel und werden ohne Werbung angeboten. So kann die Sammlung von Daten auf ein Minimum reduziert werden, personalisierte Werbetracker werden hinfällig. Möglich ist dies auch, weil sich die Plattformen rein über öffentliche Gelder finanzieren und nicht auf Werbeeinnahmen angewiesen sind.
Die Angebote der EU unterscheiden sich von ihren Geschwisterplattformen zudem dahingehend, dass die Entwickler:innen auf Open Source Software zurückgreifen. Die EU hat das Rad hier aber nicht neu erfunden, sondern greift vielmehr auf bestehende Technologie zurück: EU Video beispielsweise basiert auf der dezentralisierten und frei zugänglichen Technologie Peertube, während bei EU Voice auf die etwas bekanntere Plattform Mastodon zurückgegriffen wird. Mastodon erlangte in diesem Frühjahr mehr Aufmerksamkeit und einen signifikanten Nutzer:innenzuwachs, nachdem Elon Musks Absicht Twitter zu kaufen öffentlich wurde.
Doch von der technologischen Ebene einmal abgesehen unterscheiden sich die Social Media-Plattformen kaum voneinander. So bieten EU Voice und EU Video auf inhaltlicher Ebene keine neuen Features oder etwa ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber YouTube, Twitter und Co.: EU Video fokussiert sich auf die Veröffentlichung von Video- und Podcast-Material. Mit EU Voice wurde die Möglichkeit geschaffen, kurze Texte, Bilder oder Videomaterial – ganz im Stil von Twitter – zu veröffentlichen. Der Fokus der publizierten Inhalte liegt dabei auf Informationscontent und versucht nicht, den Nutzer:innen Unterhaltungsmaterial anzubieten.
Gut gemeint, aber doch kritisiert
Die EU verfolgt mit der Lancierung dieser beiden Plattformen gleich mehrere Ziele. Einerseits möchte sie aufzeigen, dass ihre Forderungen nach mehr Datenschutz technisch umsetzbar sind. Andererseits helfen die Plattformen dabei, die Ziele der 2020 verabschiedeten Open Source Software-Strategie der EU-Kommission zu erreichen. Die Bestrebungen der EU könnten in der Tat dazu beitragen, die momentanen Monopolstellungen von Facebook, Twitter, YouTube etc. aufzubrechen und einen positiven Wandel innerhalb der Branche anzustoßen.
Allerdings musste sich die EU auch Kritik an ihren Plattformen anhören. Beispielsweise ist die bei EU Video verwendete Technologie nicht unumstritten, da Peer-to-Peer Technologien auch gerne von Querdenker:innen verwendet werden. Da diese Plattformen dezentralisiert sind, finden sich auch keine Besitzer:innen, die eine Moderationsrolle übernehmen können. Die Nutzer:innen haften somit allein für ihre publizierten Inhalte. Ob diese Kritik nun die Vorteile einer werbe- und trackerfreien Social Media-Plattform beeinträchtigen kann, wird sich in der noch laufenden Testphase zeigen.
Müssen sich die Platzhirsche vor der neuen Konkurrenz fürchten?
Die Antwort auf diese Frage lautet bisher klar: Nein. Die beiden Social Media-Plattformen befinden sich aktuell noch in einer Testphase, weshalb sich momentan keine Nutzer:innen registrieren und neue Inhalte publizieren können. Dies zeigt sich deutlich auf EU Video: Bis Mitte August 2022 wurden insgesamt lediglich 43 Videos hochgeladen. Und an den wenigen Klicks dieser Videos – keines hat momentan 1.000 Aufrufe erreicht – zeigt sich, dass die Angebote der breiten Bevölkerung bisher nicht bekannt sind. Dass beide Plattformen in der aktuellen Testphase weiter nur von EU-Institutionen genutzt werden können (EU Voice zählt daher nur 19 Nutzer:innen), trägt auch nicht zu einer größeren Popularität bei. Zudem ist derzeit noch unklar, wie lange diese Testphase dauern soll, in welcher Form die Portale anschließend weiterbetrieben werden sollen und wie viel der Betrieb die EU kosten wird.
Unbestritten ist, dass die beiden Social Media-Plattformen für die Nutzer:innen eine verbesserte Ausgangslange im Bereich des Datenschutzes bieten. Einen echten positiven Wandel können die beiden Alternativ-Plattformen jedoch nur dann bewirken, wenn sie eine gewisse Popularität erlangen und so tatsächlich eine Konkurrenz zu YouTube und Twitter darstellen. Aufgrund des aktuellen Zustands der Plattformen ist es fraglich, ob die EU diese Ziele erreichen kann. Einen Hype haben EU Video und EU Voice bisher zumindest noch nicht ausgelöst.
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