EU-Ratsvorsitz: Digitaler Fortschritt und Souveränität im Fokus

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Veröffentlicht am 26.05.2020

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Mit einer deutsch-französischen Initiative wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron den wirtschaftlichen Auswirkungen von COVID-19 Paroli bieten. Zu den Zielen gehören digitaler Fortschritt und digitale Souveränität. Deutschland will diese Themen auch in seiner anstehenden EU-Ratspräsidentschaft voranbringen.

Die COVID-19-Pandemie hat auf EU- und Bundesebene die Prioritäten verschoben: Ursprünglich wollte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Digitalisierung und den Klimaschutz zu den Schwerpunkten dieses Jahres machen – zwei Themen, die auch zentrale Anliegen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sind. Nun haben Gesundheitsschutz und Krisenbewältigung Vorrang. Am Mittwoch, 27. Mai, wird die EU-Kommission voraussichtlich ihr aktualisiertes Arbeitsprogramm beschließen, was auch Auswirkungen auf die EU-Ratspräsidentschaft hat, deren Vorsitz Deutschland am 1. Juli übernimmt

Auch wenn „krisenbedingte Anpassungen“ nötig seien, strebe die Bundesregierung „eine ambitionierte Klimaschutzpolitik und Gestaltung eines nachhaltigen, digitalen Europas an“, heißt es in einem internen Papier des Auswärtigen Amtes zu den Schwerpunkten der deutschen Ratspräsidentschaft. Themen müssten zwar „stark priorisiert“ werden, ein „innovatives und zukunftsorientiertes Europa“ setze aber „den Ausbau digitaler und technologischer Souveränität (u. a. verantwortungsvolle und innovative Datenpolitik und Nutzung von KI) sowie die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit eines gut funktionierenden Binnenmarkts voraus“, heißt es weiter.

Deutsch-französische Initiative

Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stellten Montag, 18. Mai, ihre deutsch-französische Initiative zur wirtschaftlichen Erholung Europas vor. Die Digitalisierung wollen die beiden Länder dafür beschleunigen, wie es in dem Dokument heißt. Die Ziele seien „nachhaltiger digitaler Fortschritt und digitale Souveränität“. Vor allem der 5G-Ausbau soll vorangetrieben werden sowie Maßnahmen für „sichere und vertrauenswürdige Infrastrukturen und Cybersicherheitstechnologien“. Zu den weiteren deutsch-französischen Plänen gehören ein „digitales Identitätsmanagement, förderliche Rahmenbedingungen für Künstliche Intelligenz und eine faire EU-Regulierung für Digitale Plattformen“.

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Von den beiden letztgenannten Maßnahmen dürfte in diesem Jahr aber nur wenig umgesetzt werden. Die Plattform-Regulierung – Digital Services Act (DSA) – wird voraussichtlich Corona-bedingt erst Anfang 2021 statt Ende des Jahres fertig werden. Sie soll unter anderem einheitliche Regeln dafür schaffen, wie Plattformen europaweit mit Hasskommentaren umgehen müssen sowie Transparenzpflichten für Unternehmen verschärfen.

KI-Weißbuch und Digitalstrategie

Ihr KI-Weißbuch hatte die EU-Kommission am 19. Februar veröffentlicht. Folgemaßnahmen waren bis Ende des Jahres angekündigt, wovon während des deutschen Ratsvorsitzes aber „nur noch mit der Initiative zur Produktsicherheit zu rechnen“ ist, wie es in einem internen Kurzbericht zu EU-Angelegenheiten aus dem Bundestag heißt. Die Evaluationen zur Maschinenrichtlinie, zur Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit und die Haftungsinitiative könnten auf 2021 verschoben werden.

Für digitale Identitäten, mittels derer sich Bürger im Internet sicher und eindeutig identifizieren können, gibt es derzeit verschiedene Angebote. Die Digitalstrategie der EU-Kommission von Februar hält dazu fest: „Es bedarf einer allgemein anerkannten öffentlichen elektronischen Identität (eID), die es den Verbrauchern ermöglicht, sicher auf ihre Daten zuzugreifen und die gewünschten Produkte und Dienstleistungen zu nutzen, ohne dafür unabhängige Plattformen nutzen und ihnen unnötig personenbezogene Daten weitergeben zu müssen.“ Eine Überarbeitung der eIDAS-Verordnung ((EU) 910/2014) über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste war ursprünglich für das vierte Quartal 2020 geplant. Bis zum 1. Juli 2020 sollte die Kommission Parlament und Rat einen Bericht über die Verordnung vorlegen, der auch Verbesserungsvorschläge beinhaltet. Die Kommission will eine Evaluierung durchführen, die eine öffentliche Konsultation miteinbezieht. Aufgrund von COVID-19 könnte sich der Zeitplan aber verschieben.

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Das Problem sei „das Gestrüpp unterschiedlicher digitaler Identitäten, das Fehlen von Standardlösungen“ und „die mangelnde Interoperabilität über einzelne Anwendungen hinweg“, kritisieren Martin Schallbruch und Isabel Skierka vom Digital Society Institute der European School of Management and Technology (ESMT), die ein Forschungsprojekt zu digitalen Identitäten durchführten. Tech-Konzerne wie Google, Facebook oder Amazon versuchten zwar die Zersplitterung mit Single-Sign-On-Diensten über Login-Buttons mit einfacher Nutzung und großer Reichweite zu überwinden, was aber die Abhängigkeit von globalen Plattformunternehmen weiter verstärken werde: „Die technologische Souveränität Europas wäre dahin.“ Schallbruch und Skierka schlagen daher eine Partnerschaft zwischen Wirtschaft und Staat vor, die ein auf „interoperablen und offenen Standards basierendes Ökosystem“ schafft.

Das Thema Cybersicherheit wird im Rahmen der Trio-Ratspräsidentschaft von Deutschland, Portugal (1. Halbjahr 2021) und Slowenien (2. Halbjahr 2021) hervorgehoben. Ihre jeweilige Amtsperiopde wollen die drei Länder eng miteinander abstimmen, wozu klare Prioritäten wie die Cybersicherheit gehören. Die EU will ein „Europäisches Kompetenzzentrum für Cybersicherheit in Industrie, Technologie und Forschung“ aufbauen, das durch ein Netz nationaler Koordinierungszentren unterstützt wird.

Am kommenden Mittwoch soll auf der „Konferenz der Präsidenten“ über die deutsche EU-Ratspräsidentschaft gesprochen werden, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am 20. Mai ankündigte. Merkel werde sich in einer Videokonferenz mit David Sassoli, Präsident des Europäischen Parlaments, sowie den Fraktionsvorsitzenden des Parlaments darüber austauschen. Auf deutscher Seite sollen daran außerdem Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU), Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundesaußenminister Heiko Maas (beide SPD) teilnehmen.

Minister wollen Wettbewerb und Bildung stärken

Unterdessen sprechen sich die deutschen Minister mit ihren Kollegen aus anderen EU-Ländern ab. So tauschte sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vergangenen Dienstag mit seiner österreichischen Amtskollegin, Margarete Schramböck, Ministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, aus. Die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie werde „ein zentrales Thema der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sein“, sagte Altmaier. Besonders wichtig ist ihm, die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Unternehmen zu verbessern. „Und wir brauchen offene Märkte sowie mehr europäische digitale und technologische Souveränität“, betonte Altmaier.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) traf am vergangenen Montag, 18. Mai, per Videokonferenz zum dritten Mal mit ihren Amtskollegen zusammen. Sie will digitale Bildung zu einem Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft machen. Neben der Schulbildung soll auch die berufliche Bildung in den Fokus rücken, um „die europäischen Gesellschaften für den Arbeitsmarkt der Zukunft zu wappnen“. Ein aktualisierter Aktionsplan der EU für digitale Bildung sollte eigentlich am 24. Juni vorgelegt werden, wie aus dem internen Kurzbericht aus dem Bundestag hervorgeht. Nun soll der Aktionsplan in eine größere Struktur integriert und „mit der aktualisierten Agenda der Kompetenzen und der Initiative zur Schaffung eines europäischen Bildungsraums als Paket zu Bildung und Kompetenzen“ vorgelegt werden.

Tagesspiegel Politikmonitoring

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf der Website des BASECAMP.

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