EU-Netzinfrastruktur: Mit dem ERT zu beschleunigtem Gigabitausbau

Credit: iStock/Fahroni
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Veröffentlicht am 19.01.2024

Deutschland und die EU laufen Gefahr, die Netzausbau-Ziele im Rahmen der europäischen Digitalen Dekade zu verfehlen. Um dies zu verhindern und die aktuelle “Slow Lane” in eine “Fast Lane” zu verwandeln, schlägt der European Round Table for Industry (ERT) diverse Maßnahmen vor, die den Gigabit-Ausbau beschleunigen und der EU so zu gesteigerter globaler Wettbewerbsfähigkeit verhelfen sollen. Wir stellen einige dieser Ansätze vor.

Zwei Drittel der deutschen Breitbandanschlüsse nutzen noch Kupferkabel, 29 % der Haushalte bundesweit verfügen über keinen gigabitfähigen Anschluss. Zu diesen Ergebnissen kam 2023 die Gigabit-Studie des VATM und lieferte so bereits ein eindeutiges Signal für einen schnelleren Gigabitausbau in Deutschland. Unterstützt wird diese Forderung  auch durch eine kürzlich erschienene Studie des European Round Table for Industry (ERT), die sich mit dem Ausbau der Netzinfrastruktur auseinandersetzt und Forderungen an die Politik formuliert.

Der European Round Table for Industry vereint Vertreter:innen von rund 60 in Europa tätigen Unternehmen aus dem industriellen und technologischen Sektor. Seit seiner Gründung im Jahr 1983 setzt er sich für einen wettbewerbsfähigen, nachhaltig wachsenden europäischen Wirtschaftsraum ein und bringt dafür zwei Mal im Jahr CEOs und Vorstände zusammen, um bei Plenarsitzungen über zentrale Probleme zu diskutieren, zudem arbeitet der ERT in diversen untergeordneten Arbeitsgruppen. In seinem Expert Paper zu Konnektivität beschäftigen sich ERT-Mitglieder aus dem Bereich der digitalen Transformation mit der Frage, welche Policies für einen schnellen und wettbewerbsfähigen Gigabitausbau notwendig sind und von der EU und ihren Mitgliedstaaten umgesetzt werden sollten.

Die Ausbauziele der “Digitalen Dekade” – und der aktuelle Stand

Foto: Flickr Christoph Scholz | CC BY-SA 2.0 | Ausschnitt bearbeitet

Dies ist gerade aufgrund der aktuellen Situation in Europa notwendig, die vom ERT als “Slow Lane” bezeichnet wird: Obwohl die EU sich im Rahmen der “Digitalen Dekade” spezifische Ausbauziele für den Mobilfunk und die Netzinfrastruktur gesetzt hat, ist sie vom Erreichen dieser Ziele aktuell noch weit entfernt. Vor allem die Umstellung auf 5G-fähige Netze geht nur langsam voran: Die DESI Studie der EU Kommission hat im Sommer 2022 Deutschland einen besonders weit vorangeschrittenen 5G Ausbau bescheinigt, zugleich aber gezeigt, dass in mehr als der Hälfte der EU Länder die 5G Abdeckung noch unter 50% liegt oder mit einem Ausbau noch gar nicht begonnen wurde. Insgesamt besteht zum Erreichen der Ziele aktuell ein Investment Gap von rund 174 Milliarden Euro, so die Europäische Kommission. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der EU, sondern führt auch zu Nachteilen für die Industrie und den Wohlstand der europäischen Gesellschaft. Zudem blockiert ein derart langsam voranschreitender Ausbauprozess die Twin Transition hin zu einer grünen und digitalen Wirtschaft. Zum einen sind hier höhere Investitionen erforderlich, zum anderen aber auch gezielte Maßnahmen, für die der ERT Empfehlungen formuliert.

Ziel muss es dabei laut ERT sein, aktuelle wirtschaftspolitische Regelungen der EU zu modernisieren und so Chancen für den Binnenmarkt zu schaffen, um Anreize für Investitionen und einen gesunden Wettbewerb zu generieren. Daraus ergeben sich diverse inhaltliche Forderungen: Zentral ist zunächst eine umfassende Erneuerung des regulatorischen Frameworks, damit dieses den aktuellen Stand der Ausbauziele und der aktuellen Marktbedingungen reflektiert und die Erreichung dieser Ziele ermöglicht.

Die Vorschläge des ERT

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Darüber hinaus ist es laut ERT notwendig, die Marktbedingungen so anzupassen, dass Investitionen in die Netzinfrastruktur erleichtert werden. So wäre es möglich, die privatwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, Innovationen zu ermöglichen und für eine weit verbreitete Nutzung digitaler Dienste zu sorgen. Dafür schlägt das Paper diverse Maßnahmen vor, so etwa die Schaffung eines harmonischen Rahmens für die Vergabe, Einführung und den Betrieb von Frequenzen. Weiterhin umfassen die Vorschläge eine rasche Verabschiedung des Kommissionsvorschlags zum Gigabit-Infrastrukturgesetz, um nationale Zersplitterung zu vermeiden und den Infrastrukturausbau europaweit zu harmonisieren. Als dritte beispielhafte Maßnahme werden mehr Investitionen in die digitalen Fähigkeiten und Kompetenzen der EU-Bürger:innen gefordert, um die bereits bestehende Gigabitinfrastruktur optimal nutzen zu können.

Durch diese und weitere mögliche Maßnahmen soll ein möglichst schneller Roll-Out der nötigen Netzinfrastruktur ermöglicht werden. Dabei verfolgt der ERT einen marktorientierten Ansatz, der einen Telekommunikationsbinnenmarkt schaffen und fördern soll. Erforderlich ist nun ein zügiges Handeln des Gesetzgebers, um einen angemessenen Rechtsrahmen und passende Marktbedingungen zu schaffen. Idealerweise lassen sich Investitionen auf diesem Weg erleichtern und beschleunigen, gleichzeitig fördert diesen Vorgehen eine längerfristig angelegte Vision für die Marktkonsolidierung. Damit decken sich die Forderungen und Vorschläge des European Round Table mit den oftmals wiederholten Positionen der europäischen Telekommunikationsanbieter, wie etwa Telefónica in einem eigenen Artikel nochmals betont.

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