EU-Kommission: Vestager soll Digitalpolitik steuern

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Veröffentlicht am 18.09.2019

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Margrethe Vestager hat sich durch hohe Strafen für Google und Facebook wegen Wettbewerbsverstößen einen Namen gemacht. Auf Wunsch der designierten Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, soll die Dänin nun auch die Digitalpolitik für Europa koordinieren. Dabei muss sie sich mit vielen anderen Kommissaren abstimmen.

Ursula von der Leyen (CDU), die designierte Präsidentin der Europäischen Kommission, hat am Dienstag, 10. September, ihren Vorschlag für die Struktur und Zusammensetzung der nächsten Kommission vorgestellt. Nachdem die Präsidentin der Liste mit Vorschlägen für die 26 Kandidaten aus den Mitgliedsstaaten zugestimmt hat, präsentierte sie die Namen der zwölf Frauen und 14 Männer sowie die von ihr angestrebte Verteilung der Zuständigkeiten in der nächsten Kommission. Diese Kandidaten müssen sich jetzt von Ende September bis Anfang Oktober Anhörungen in den Fachausschüssen des Europäischen Parlaments stellen.

Pressefoto Ursula von der Leyen: BPA/Steffen Kugler

Laut vorläufigem Zeitplan sind für den 30. September sowie 1., 2., 3. und 7. Oktober jeweils zwei Anhörungen geplant. Am 8. Oktober stehen die Anhörungen der drei exekutiven Vizepräsidenten an. Wann welches designierte Kommissionsmitglied von welchen Ausschüssen angehört wird, soll am 19. September festgelegt werden. Am 15. Oktober wird die Konferenz der Ausschussvorsitzenden die Ergebnisse aller Anhörungen bewerten und ihre Schlussfolgerungen der Konferenz der Präsidenten übermitteln. Sie entscheidet am 17. Oktober darüber, die Anhörungen abzuschließen oder gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu beantragen.

Sollten einzelne Kandidaten auf den Widerspruch eines Ausschusses stoßen, kann es durchaus sein, dass diese ausgetauscht werden, um eine Blockade der Ernennung der gesamten EU-Kommission durch das Parlament zu verhindern. Mögliche zusätzliche Anhörungen für Kommissionsmitglieder oder alternative Kandidaten würden am 14. und 15. Oktober stattfinden. Anschließend muss das Parlament der Kommission als Ganzes die Zustimmung erteilen. Die Abstimmung ist für den 23. Oktober geplant. Läuft alles fristgerecht, nimmt die neue Kommission am 1. November ihre Arbeit auf. Schon jetzt außen vor ist das Vereinigte Königreich. Die britische Regierung hatte aufgrund des anstehenden Austritts aus der Staatengemeinschaft gar keinen Vorschlag für einen Kommissars-Kandidaten bei Ursula von der Leyen eingereicht.

Struktur der Kommission wird überarbeitet

An der Struktur der Kommission hat die zukünftige Kommissionspräsidentin Neuerungen vorgenommen. Inklusive des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell aus Spanien, soll die neue Kommission acht Vizepräsidenten haben. Diese werden an übergreifenden Themen arbeiten, wie bereits in der vorherigen Kommission. Neu sind aber die drei „exekutiven Vizepräsidenten“, die „für eines der drei zentralen Themen der Agenda der gewählten Präsidentin zuständig und gleichzeitig Kommissionsmitglieder“ sein sollen.

Diese drei exekutiven Vizepräsidenten sollen vom Generalsekretariat der Kommission in der Ausübung ihrer koordinierenden Tätigkeit unterstützt werden und gleichzeitig einer eignen Generaldirektion vorstehen. So soll der Niederländer Frans Timmermans als Vizepräsident mit dem „European Green Deal“ betraut werden und parallel als Kommissar die Verantwortung für die Generaldirektion Klimaschutz haben. Margrethe Vestager (Dänemark) soll ihren Posten als Wettbewerbskommissarin behalten und zusätzlich als Vizepräsidentin „Europa fit für das digitale Zeitalter“ machen. Als dritter exekutiver Vizepräsident soll Valdis Dombrovskis (Lettland) das Themenfeld „Arbeiten für die Wirtschaft im Dienste der Menschen“ koordinieren und als Kommissar für Finanzdienstleistungen zuständig sein.

Vestager in Doppelfunktion

Als Vizepräsidenten koordinieren die drei die Arbeit verschiedener Kommissare und ihrer Generaldirektionen abhängig von ihrem jeweiligen Verantwortungsgebiet. Für Margrethe Vestager und ihren Themenbereich „Europe fit for The Digital Age“ bedeutet dies, dass sie die Arbeit ihrer Generaldirektion Wettbewerb mit jener der Kommissare und Generaldirektionen für Innovation und Jugend, Arbeit, Gesundheit, Justiz, Transport, Binnenmarkt und Energie abstimmen muss.

In sogenannten „Mission letters“ gibt die designierte Kommissionspräsidentin ihren Kandidaten für die Kommission konkrete Aufgaben mit auf den Weg.

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Vestager soll in den ersten 100 Tagen die Arbeit an einem europäischen Konzept zu Künstlicher Intelligenz (KI), einschließlich der menschlich und ethischen Auswirkungen, koordinieren. Dabei sollen auch Vorschläge aufgezeigt werden, wie nicht-personalisierte Daten genutzt werden können, um neue Technologien und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Daneben gehört zu Vestagers Aufgaben, eine neue, langfristige Strategie für „Europas industrielle Zukunft“ zu erarbeiten. Dabei ist die Zusammenarbeit mit dem Vize-Präsidenten für „eine Wirtschaft, die für die Menschen arbeitet“ vorgesehen. Gemeinsam mit Valdis Dombrovskis, der für diesen Posten vorgesehen ist, soll sie auch eine neue Strategie für kleine und mittelgroße Unternehmen voranbringen.

Ziel ist, die regulatorischen Belastungen abzubauen. Außerdem soll Vestager die Entwicklung von Regeln für digitale Plattformen, Dienstleistungen und Produkte als Teil eines neuen „Digital Services Act“ betreuen. Dies schließt auch die Arbeitsbedingungen für Angestellte solcher Plattformen ein. Als weiteren Schwerpunkt schreibt ihr von der Leyen die Digitalsteuer ins Programm. Die Dänin soll darüber bis 2020 einen Konsens auf internationaler Ebene erreichen oder eine faire europäische Steuer vorschlagen.

Goulard soll Technologien voranbringen

In vielen Bereichen muss sich Vestager eng mit Sylvie Goulard abstimmen, die von der Kommissionspräsidentin als Kommissarin für den Binnenmarkt vorgesehen ist. Die Französin soll in den nächsten fünf Jahren sicherstellen, dass Europa das Beste aus dem digitalen Umbruch macht, aber seinen Werten treu bleibt. Konkret fordert von der Leyen Goulard auf, in Technologien wie Blockchain, Hochleistungscomputer, Algorithmen und Werkzeuge zum Datenaustausch sowie zur Datennutzung zu investieren.

Dabei gilt es, Standards für 5G-Netzwerke und neue Technologien zu definieren. Bei den Themen KI und ein neues „Digital Services Act“ soll Goulard die Führung übernehmen. Auf ihrer Agenda steht daneben der Aufbau eines echten Binnenmarktes für Cybersicherheit, der Regeln für die Sicherheit von Netzwerken und Informationssystemen erarbeitet. Dazu soll eine Cyberabteilung aufgebaut werden.

Unter Federführung der designierten Kommissarin für „Innovation und Jugend“, Mariya Gabriel, soll Goulard zudem einen aktualisierten Aktionsplan für digitale Bildung unterstützen. Der Fokus des Aktionsplans liegt auf der Vermittlung digitaler Kompetenzen. Frei zugängliche Onlinekurse sollen massiv ausgeweitet werden. Außerdem gilt es, frühzeitig auf Falschinformationen und andere Gefahren im Internet aufmerksam zu machen.

Vernetzte Gesundheit und Mobilität

In der „Mission“ der Gesundheits-, Verkehrs-, und Justizkommissare taucht Digitalisierung als Querschnittsthema auf. Die Wunsch-Kommissarin Rovana Plumb soll den Transportsektor fit machen für „eine saubere, digitale und moderne Wirtschaft“ und eine Strategie für eine nachhaltige und „smarte“ Mobilität vorantreiben. Die Chancen einer vernetzen und automatisierten Mobilität sollen wahrgenommen werden und digitale Innovationen im Blick behalten werden.

Im Aufgabenspektrum der designierten EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides nimmt eHealth eine zentrale Rolle ein. Die zypriotische Politikerin wird mit dem Aufbau eines europäischen Gesundheitsdatenraumes beauftragt, der den Datenaustausch fördern und die Forschung an präventiven Strategien unterstützen soll. Bürger sollen zudem Zugang zu ihren Daten haben.

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Koordinieren soll sich Vestager außerdem mit den Kommissaren für „Jobs“ und „Energy“. Hier finden sich jedoch nur wenige Angaben in der „Mission“ zu digitalen Fragen. So soll etwa der Luxemburger Nicolas Schmit als Kommissar für „Jobs“ für faire Arbeitsbedingungen in der Plattformwirtschaft sorgen.

Datenschutz ist eine Hauptaufgabe des designierten Justizkommissars Didier Reynders. Er ist mit der Einführung und der Durchsetzung der Datenschutzregulierung betraut. Für den europäischen Ansatz soll der Belgier auch global werben. Daneben soll er sich an der KI-Gesetzgebung beteiligen und sicherstellen, dass fundamentale Rechte im digitalen Zeitalter vollumfänglich geschützt werden. Reynders untersteht der designierten Vize-Präsidentin Vera Jourova. Unabhängig von Vestager ist sie für „Werte und Transparenz“ zuständig. Jourova soll das demokratische System stärken, indem sie gegen Falschinformation und Fake News vorgeht und sich für die Freiheit der Presse, Medienvielfalt und das Recht auf freie Meinungsäußerung einsetzt.

Weniger Bürokratie als übergeordnetes Ziel

In ihren Mission letters an die designierten Kommissare betonte von der Leyen die besonderen klima-, digital- und geopolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre. Sie gab den Kandidaten zudem mit auf den Weg, einen Fokus auf Entbürokratisierung zu legen. Zukünftig soll nach dem „One In, One Out“-Prinzip verfahren werden. Sorgt ein Legislativvorhaben für neue administrative Belastungen bei Bürgern und/oder Unternehmen, soll eine existierende Belastung im gleichen Politikbereich auf EU-Ebene abgebaut werden.

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