EU Kommission: Neuer Digital-Chef gesucht
„Lieber Schlaglöcher als Funklöcher“ – diese Maxime gab Günther Oettinger noch beim UdL Digital Talk im Mai 2016 aus. Zum Jahreswechsel hat der EU-Kommissar nun den Aufgabenbereich Digitale Wirtschaft und Gesellschaft abgegeben, um stattdessen das Ressort Haushalt und Personal zu übernehmen. Grund war der Wechsel der bisherigen Amtsinhaberin Kristalina Georgieva in die Führungsebene der Weltbank. Den endgültigen Nachfolger von Oettinger hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker noch nicht bekannt gegeben. Vorerst übernimmt das Digital-Ressort der estnische Kommissionsvizepräsident Andrus Ansip, der auch Kommissar für den Digitalen Binnenmarkt ist.
Wechselt zum Haushalt: Günther Oettinger
Oettinger hatte das Amt im November 2014 übernommen; zu dieser Zeit wurde dem damaligen Energiekommissar von einigen Netzexperten mangelnde Erfahrung mit digitalen Themen vorgeworfen. Und auch im Amt fiel Oettinger immer wieder in der Community auf. Oettinger verglich Netzneutralität mit Sozialismus und die Befürworter mit den Taliban. Er behauptete Deutschland liege im digitalen Infrastrukturausbau im „vorderen Mittelfeld“, obwohl das Land deutlich schlechter dastand. Im April 2015 wünschte er sich ein „virtuelles und digitales Sachenrecht, das auch für Daten gilt“ und im September 2016 gab Oettinger an, zuhause kein W-LAN zu nutzen.
Aber auch fremdenfeindliche Bemerkungen brachten Oettinger immer wieder in Schwierigkeiten. Obgleich seine Ernennung als Finanzkommissar bereits feststand, musste Oettinger am Montag dem Europäischen Parlament Rede und Antwort stehen, unter anderem wegen seiner Bemerkungen im Oktober gegenüber Chinesen, die er “Schlitzaugen” nannte, welche “Schuhcreme in den Haaren” hätten – eine Aussage die er ähnlich bereits im Mai beim UdL Digital Talk von sich gab. In den sozialen Medien ist Oettinger aber präsent. Und hier zieht er nach zwei Jahren als EU-Digital-Kommissar positive Bilanz: „Wir haben eine Menge getan um Europa an die Spitze des technischen Wandels zu bringen. Danke an alle!”, twitterte er am 22. Dezember, als die EU-Kommission den Ressortwechsel offiziell bekannt gab.
Ist schon Digital-Chef: Andrus Ansip
Zumindest in puncto Versorgung mit Twitternachrichten muss sich die Community nicht umstellen. Auch der vorrübergehende Amtsinhaber Andrus Ansip twittert. Der studierte Chemiker war neun Jahre lang Ministerpräsident von Estland bis er 2014 als Vizepräsident zur Kommission wechselte. Dort war er gemeinsam mit Oettinger für die Umsetzung der europäischen Strategie für den digitalen Binnenmarkt zuständig, die beide im Mai 2015 präsentierten.
Ein zentrales Thema des Digitalen Binnenmarktes ist der europäische Netzausbau, der auch Ansip am Herzen liegt. „Wir müssen mehr Tempo Machen”, forderte er deshalb bei einem Besuch im Oktober 2016 in Berlin. Dabei ginge es nicht darum, Musikvideos im Wald zur Verfügung zu stellen, sondern um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Im September stellten er und Oettinger weitere Initiativen für den Netzausbau in Europa vor. Deutlich ist Ansip auch in seiner Einschätzung von Big Data als „riesiger Nutzen” für Unternehmen, und ist damit nicht allzu restriktiv eingestellt in puncto Datenverwendung. Auch E-Government ist Ansip wichtig. Behördendienste sollten den heutigen Ansprüchen entsprechen und „offen, digital und grenzüberschreitend” sein, sagte er.