EU-Digitalindex: Deutschland kann noch aufholen

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Veröffentlicht am 25.06.2020

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Bei der Digitalisierung kann Deutschland im EU-Vergleich an einigen Stellen noch aufholen. Vor allem bei der digitalen Verwaltung hapert es hierzulande. Auf europäischer Ebene soll die EU-Digitalstrategie für Verbesserungen sorgen. Dazu hat der Rat seine Schlussfolgerungen verabschiedet. Er fordert etwa konkrete Vorschläge für Datenräume.

Im europäischen Vergleich zeigt sich hinsichtlich der Digitalisierung in Deutschland ein gemischtes Bild. Bei digitalen Verwaltungsleistungen hinkt Deutschland noch deutlich hinterher. Das zeigt der Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) 2020, der am vergangenen Mittwoch von der EU-Kommission veröffentlicht wurde. In der Bundesrepublik nutzen demnach nur 49 Prozent der Deutschen E-Government-Dienste, womit Deutschland Rang 26 unter den 27 EU-Mitgliedstaaten und Großbritannien belegt. Auch bei Netzen mir sehr hoher Kapazität (VHCN) liegt Deutschland mit Platz 21 unter dem Durchschnitt. Doch es gibt auch gute Nachrichten: Insgesamt erreicht die Bundesrepublik, vor allem durch gute Werte bei der Konnektivität, Rang 12 im Gesamtindex, was einen Aufstieg um zwei Plätze im Vergleich zu 2018 bedeutet. „Bei der 5G-Bereitschaft mit einem hohen Anteil an Festnetz-Breitbandanschlüssen“ sei Deutschland „führend in der EU“, lobt die Kommission in ihrem Bericht zum Index. Überdurchschnittliche Werte werden außerdem im Bereich Humankapital, der die digitale Kompetenzen der Bevölkerung misst, sowie der Internetnutzung erzielt.

Deutschland soll unter die Top 5 der EU kommen

Aufholen will die Bundesregierung in Sachen E-Government durch das Onlinezugangsgesetz, durch das über 500 Verwaltungsleistungen bis 2022 digital angeboten werden sollen. Den Rückstand bei Netzen mit hoher Kapazität will sie durch eine Modernisierung des Telekommunikationsgesetzes und der damit einhergehenden Umsetzung des europäischen Kodex für elektronische Kommunikation aufholen. Weitere digitale Meilensteile stehen in der Digitalstrategie von November 2018. Positiv erwähnt der Bericht zudem, dass Digitalisierungsprojekte im Zuge der COVID-19-Pandemie beschleunigt wurden, was aber noch nicht im aktuellen Index berücksichtigt wurde. Das betrifft beispielsweise digitale Plattformen für die Wirtschaft oder Zuschüsse für digitale Bildung an Schulen.

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„Wir“ müssen nun „in allen Bereichen der Digitalisierung Gas geben“, sagte Nadine Schön, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, in Reaktion auf den DESI-Bericht. Die digitale Transformation von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft müsse Vorrang haben. Es brauche eine „gemeinsame europäische digitale Offensive“, um mit anderen Ländern, wie China oder den USA, mithalten zu können, betonte Schön. Die Zielrichtung gibt ihr Kollege Tankred Schipanski, digitalpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, vor: Der Anspruch müsse sein, beim DESI in fünf Jahren unter die Top fünf im EU-Vergleich zu kommen. Bitkom-Präsident Achim Berg will das hingegen schon 2021 schaffen.

Rat positioniert sich zur EU-Digitalstrategie

Mit ihrer Digitalstrategie will die EU-Kommission Europa fit für das digitale Zeitalter machen. Schlussfolgerungen „zur Gestaltung der digitalen Zukunft Europas“ hat der Rat der EU am vergangenen Dienstag angenommen. Er betont, dass gemeinsame Investitionen im Zusammenhang mit dem Aufbauplan der EU im Zuge von COVID-19 „erheblich“ verstärkt und umfassender koordiniert werden müssen. Der Schwerpunkt müsse dabei auf Infrastrukturprojekten „von großer Tragweite“ liegen, damit Europa eine führende Rolle innerhalb der globalen digitalen Wertschöpfungsketten übernehmen kann. „Kritische Bedeutung“ habe das Programm „Digitales Europa“ für den Aufbau und Einsatz von KI, Hochleistungsrechnern und Gigabit-Netzen, betont der Rat.

Die Mitteilung der Kommission „Leitlinien zum Datenschutz bei Mobil-Apps zur Unterstützung der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie“ begrüßt der Rat, fordert aber einen besonderen Schwerpunkt „auf die Frage des Zugangs zu Betriebssystemen und deren Interoperabilität“ zu legen. Dies habe sich in der COVID-19-Krise als wesentlich erwiesen. Erfahrungen aus der Pandemie sollten von allen Mitgliedstaaten „gründlich“ analysiert werden, damit die richtigen Schlussfolgerungen für die künftige Digitalpolitik gezogen werden können.

Datenräume und Cloud-Dienste

In puncto Datenzugang und -nutzung begrüßt der Rat die Pläne der Kommission, Transaktionskosten für den freiwilligen Datenaustausch und deren Bündelung zu senken sowie Standardisierung und Interoperabilität voranzubringen. Hierzu fordert er aber, dass die Kommission „konkrete Vorschläge zur Daten-Governance“ vorlegt, um die Entwicklung gemeinsamer europäischer Datenräume für strategische Sektoren der Industrie sowie für Bereiche von öffentlichem Interesse – wie Gesundheit, Verwaltung oder Mobilität – zu fördern. Mehr Fortschritte will der Rat auch beim Zugang zu Daten in privater Hand sehen. Die Kommission wird hier „nachdrücklich“ aufgefordert, Gespräche darüber aufzunehmen, nach welchen Modalitäten ein fairer Zugang und eine faire Nutzung erfolgen können.

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Europäische Cloud-Dienste sollen „den wichtigsten Interoperabilitäts-, Portabilitäts- und Sicherheitsforderungen“ entsprechen. Abhängigkeiten von Anbietern müssen vermieden werden, was die Kommission „im Bedarfsfall durch neue Vorschläge“ sicherstellen soll. Arbeiten an einem Regelwerk für Cloud-Dienste soll die Kommission beschleunigen, „um für mehr Klarheit zu sorgen und die Einhaltung zu erleichtern“, schreibt der Rat.

Beim Thema KI begrüßt er die Konsultation zum Weißbuch der Kommission sowie die politischen Vorschläge dazu, fordert sie allerdings dazu auf, konkretere Vorschläge für eine Kennzeichnung von KI vorzulegen.

5G-Netzausbau voranbringen

Mehr Engagement der Kommission verlangt der Rat auch beim 5G-Netzausbau. Die Ziele der EU für die Gigabit-Netzanbindung bis 2025 mit sicheren Infrastrukturen und sehr hoher Kapazität könnten nur erreicht werden, wenn verstärkt in die Netze investiert werde. Die Kommission wird deshalb aufgefordert, „die Roaming-Verordnung zu überarbeiten und den Mitgliedstaaten Empfehlungen vorzulegen, wie sie die Kosten des Netzausbaus senken und den Aufbau von Infrastrukturen mit sehr hoher Kapazität, einschließlich Glasfaser- und 5G-Infrastrukturen, erleichtern können“. Bis Ende 2021 soll sie zudem ein Paket mit zusätzlichen, unterstützenden Maßnahmen für den Netzaufbau vorschlagen. Dieses Paket soll die „Richtlinie über die Senkung der Breitbandkosten“ und ein neues Programm für die Funkfrequenzpolitik beinhalten. Ferner soll die Kommission „Vorschriften über staatliche Beihilfen zugunsten gleicher Wettbewerbsvoraussetzungen einschließlich der Breitbandleitlinien“ so bald wie möglich überprüfen.

In vielen europäischen Regionen sei eine schnelle Netzanbindung nicht vorhanden. Daher soll die Kommission Investitionsbedingungen verbessern. Dies gelte für öffentliche Finanzierungsprogramme auf europäischer Ebene und bei der Vergabe von 5G-Frequenzen bis Ende 2020. Prozesse sollen transparenter werden und im Einklang mit dem EU-Instrumentarium für die 5G-Cybersicherheit, der „5G-Toolbox“, stehen. Der Rat fordert die Kommission darüber hinaus dazu auf, den Aktionsplan für 5G und 6G zu überarbeiten und diesen durch „angemessene Finanzierungsmaßnahmen“ zu unterstützen. Die Umsetzung der 5G-Toolbox soll die Kommission bewerten und auf dieser Basis weitere Methoden gegen Cybersicherheitsrisiken im 5G-Bereich prüfen.

Elektronische ID, Verwaltung und Bildung

Voranbringen will der Rat auch die elektronische Identifikation und damit die Dienste der öffentlichen Verwaltung. Lösungen zur digitalen Identifikation und Vertrauensdienste, wie elektronische Signaturen oder Siegel, seien „nicht nur eine wesentliche Voraussetzung für den digitalisierten Binnenmarkt“, sondern sie würden auch dazu beitragen „die Gesellschaft der Zukunft zu gestalten“, heißt es. Daher soll die Kommission bestehende Rechtsvorschriften überprüfen. Dabei steht die Weiterentwicklung „des auf die eIDAS-Verordnung gestützten derzeitigen Rahmens für grenzübergreifende Identifizierung und Authentifizierung“ im Mittelpunkt. Für die digitale Verwaltung soll die Kommission zudem eine „verstärkte EU-Strategie“ vorschlagen.

Auch bei der digitalen Bildung sieht der Rat Verbesserungsbedarf. Mitgliedstaaten und Kommission sollen entsprechende Maßnahmen ergreifen, um Bürgern grundlegende digitale Kompetenzen zu vermitteln. Die „derzeitige Kompetenzlücke“ soll sich bis 2025 halbieren. Darüber hinaus ist ein stärkeres Engagement der Mitgliedstaaten und der Privatwirtschaft bei der Umschulung und Weiterqualifizierung von Arbeitskräften gefragt. MINT-Fächer sollen in der beruflichen Bildung stärker betont werden.

Zur Besteuerung der Digitalwirtschaft gibt der Rat keine konkrete Empfehlung ab. Er betont lediglich, „dass unsere Steuersysteme an das digitale Zeitalter angepasst werden müssen und gleichzeitig eine gerechte und wirksame Besteuerung sichergestellt werden muss“.

Tagesspiegel Politikmonitoring

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf der Website des BASECAMP.

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