Digitalwirtschaft: Wie steht es um den Software-Standort Deutschland?
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Die weltweit erfolgreichsten Softwareunternehmen kommen aus den USA – Microsoft und Apple sind nur zwei Beispiele. Aber wie steht es um den Software-Standort Deutschland? Aus Sicht der Gesellschaft für Informatik besteht Handlungsbedarf, um international mithalten zu können. Trotzdem lassen sich neben dem Branchenprimus SAP einige erfolgreiche Software-Anbieter aus deutschen Landen finden.
Denkt man an Software aus Deutschland, ist man schnell bei SAP. Der Hersteller von Unternehmenssoftware aus Walldorf in Baden-Württemberg ist das wertvollste Unternehmen im Deutschen Aktienindex (DAX). Zwar entwickelt einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom zufolge jedes dritte deutsche Unternehmen Software für die eigene Nutzung, aber weitere „Software-Unternehmen“ sind zumindest unter den DAX-30 nicht zu finden. Auch deshalb gilt Deutschland bisher nicht als Land der Software-Entwickler. Etwas, das die Gesellschaft für Informatik (GI) ändern will. Der Wirtschaftsbeirat der GI hat dazu Ziele und Maßnahmen für Politik und Wirtschaft entwickelt. Ohne zu handeln, mahnt Beiratsmitglied Christof Ebert, verliere Deutschland international den Anschluss. Deshalb müsse es heißen, Kompetenzen zu stärken, digitale Infrastruktur massiv auszubauen und digitale Innovationen anzutreiben.
Rückstand bei Forschung und Entwicklung
Der Wirtschaftsstandort Deutschland zählt in vielen Rankings zu den innovativsten weltweit. Zu diesem Ergebnis kommt auch McKinsey im jüngsten Munich Security Report. In dem Bericht für die Münchner Sicherheitskonferenz machen die Berater aber auch deutlich, wie groß die globalen Unterschiede bei den privaten Ausgaben für Forschung und Entwicklung in zentralen Zukunftsbranchen sind. 2012 hatten europäische Unternehmen einen Anteil von sieben Prozent an den F&E-Ausgaben im Bereich Software und EDV-Dienstleistungen. Überschaubar im Vergleich zu den 14 Prozent der japanischen Wirtschaft und ein winziger Anteil, wenn man ihn mit den 79 Prozent der US-Unternehmen vergleicht.
Verhalten positiv könnte man vielleicht noch deuten, dass die Europäer ihren Anteil bis 2019 um ein Prozent steigern konnten während Amerikaner und Japaner Anteile an China verloren. Die Unternehmer des Reichs der Mitte steuerten im vergangenen Jahr 12 Prozent der F&E-Ausgaben im Softwarebereich bei. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass mehrere GI-Empfehlungen darauf abzielen, Forschung und Entwicklung und die dafür notwendigen Grundlagen zu stärken. Was aus Sicht von Christof Ebert aber vermieden werden müsse, sei eine „Forschungsförderung mit der Gießkanne zu betreiben.“
Empfehlungen der Informatiker
Konkret plädiert die Gesellschaft für Informatik zum einen dafür, die Vermittlung von Software-Kompetenz auszubauen. Dazu soll ein verpflichtender Informatikunterricht in allen Schulen und über alle Jahrgangstufen hinweg eingeführt werden. Um dies zu ermöglichen sollen mehr Informatik-Lehrer*innen ausgebildet und die Weiterbildung der Lehrkräfte verbessert werden. Darüber hinaus sollten alle Studiengänge sowie Aus- und Weiterbildungsprogramme zukünftig Kurse oder Module zur Vermittlung einer „Digital Literacy“ enthalten, schreiben die Autoren des GI-Papiers. Auch für Auszubildende fordert die GI eine verpflichtende Vermittlung von IT- und Software-Kompetenzen. Über eine Fachkräfteoffensive für IT-Berufe soll wiederum Unternehmen dabei geholfen werden, offene Stellen innerhalb von drei Monaten zu besetzen. Dazu müsse Bürokratie abgebaut und ausländischen Fachkräften der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtert werden.
Zum anderen müssten die Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Software in Deutschland durch den flächendeckenden Ausbau der Gigabit-Netze bis 2025 sowie eine Förderung verbessert werden. Fördern will die GI vor allem die Softwareentwicklung in den Bereichen „Software Engineering, Usability und IT-Sicherheit“. Daneben sollten aber auch „Innovationen im Soft- und Hardwarebereich, in der Netzwerkausrüstung und IT-Sicherheitslandschaft“ unterstützt werden. Zur Umsetzung empfiehlt die GI eine Mittelstandsstrategie zur Förderung der digitalen Souveränität des Wirtschaftsstandorts auszuarbeiten. Kleine und mittlere Unternehmen sowie Start-Ups könnten zudem von einer stärkeren Verzahnung zwischen IT-Wirtschaft und -Forschung sowie einer offenen Plattform für digitale Innovationen profitieren, über die sie Zugang zu digitalen Technologien erhalten – „vor allem im Bereich der Künstlichen Intelligenz“.
Deutschlands „Hidden Champions“
Aber selbst wenn Deutschland nicht Heimat von Microsoft, Apple oder IBM ist, lassen sich auch außerhalb von Walldorf weitere Beispiele für erfolgreiche Softwarelösungen aus Deutschland finden. Eines dieser Beispiele liefert das Unternehmen AVM. Dessen „FRITZ!box“ steht in über 50 Prozent der deutschen Wohnzimmer und kommt neben dem Versprechen einer stabilen Internetverbindung mit dem hauseigenen Betriebssystem „FRITZ!OS“ daher. Ein weiteres Beispiel ist TeamViewer. Das 2005 gegründete Unternehmen hat eine gleichnamige Remote-Desktop-Software entwickelt, die den Fernzugriff auf andere Computer ermöglicht. Darüber werden Fernwartungen genauso möglich wie die Zusammenarbeit über weite Distanzen. Mittlerweile bietet das Unternehmen auch Lösungen an, die auf Augmented Reality setzen.
Konkurrenz bekam der Anbieter mit „Anydesk“ – eine Gründung von ehemaligen TeamViewer-Mitarbeitern. Mit einem eigens entwickelten Video-Codec sei laut dem Unternehmen auch bei langsamen Internetverbindungen ein flüssiges Arbeiten möglich. Außerdem könne die Software unabhängig von einer Internetanbindung in Unternehmensnetzen genutzt werden. Ein ganz anderes Beispiel aus der Kreativwirtschaft ist das Berliner Unternehmen Native Instruments. Native Instruments wurde 1996 gegründet und liefert Software sowie darauf basierte Instrumente für die Produktion elektronischer Musik. Mittlerweile sind mehr als 500 Mitarbeiter*innen unter anderem in Berlin, Los Angeles, Tokyo, London und Paris beschäftigt.