Digitaltag 2022: Wie steht es um die Digitalkompetenzen älterer Menschen?
Der diesjährige bundesweite Digitaltag am 24. Juni stand unter dem Motto „Digital für alle“. Im Basecamp lag der Fokus dabei auf der digitalen Teilhabe von Seniorinnen und Senioren, weil es in der alternden Gesellschaft Deutschlands ganz besonders darauf ankommt, die Digitalkompetenzen von Älteren zu stärken. Aber wie steht es eigentlich derzeit um die entsprechenden Fähigkeiten der älteren Generation?
Angesichts von 18 Millionen Menschen in Deutschland, die über 65 Jahre sind, und einer Lebenswelt, die immer digitaler wird, ist die Frage nach den Digitalkompetenzen älterer Menschen von besonderer Relevanz für die Gesellschaft. Verschiedene Studien der letzten Zeit kommen dabei zu ähnlichen Ergebnissen und erkennen weiterhin großen Handlungsbedarf für mehr digitale Teilhabe von Älteren.
Wie sich die digitale Spaltung in Zahlen ausdrückt
So stellt das bidt-SZ-Digitalbarometer von August und September 2021 fest, dass es verstärkte Bemühungen brauche, um „insbesondere auch älteren, niedrig gebildeten und geringverdienenden Menschen den Zugang zu digitalen Geräten und dem Internet zu erleichtern.“ Dies deckt sich mit dem Befund des Achten Altersberichts der Bundesregierung vom Juni 2020, der ebenfalls eine digitale Spaltung konstatierte, und zwar nicht nur zwischen Jung und Alt, sondern auch innerhalb der älteren Generation, was den Zugang und die Nutzung digitaler Technologien angeht.
Laut dem Digitalbarometer nutzten zum Beispiel nur drei Viertel der über 64-Jährigen ein Smartphone, einen Computer oder ein Tablet, während der Anteil in der übrigen Bevölkerung ab 14 Jahre bei fast 100 Prozent liegt. Die Corona-Pandemie habe die Nutzung digitaler Geräte zwar insgesamt verstärkt, doch bei älteren Menschen falle dieser Effekt geringer aus als bei den Jüngeren: „Nur knapp 20 % der Personen ab 65 Jahren nutzen digitale Geräte jetzt häufiger, bei den unter 30-Jährigen sind es hingegen 56 %.“ Hinzu kommen auffallende Unterschiede innerhalb der Gruppe der Über-65-Jährigen, wonach etwa die Internetnutzung mit dem formalen Bildungsgrad und dem Haushaltseinkommen steigt. Zudem nutzen unter den Älteren weniger Frauen als Männer (67 zu 76 Prozent) das Internet.
Dies spiegelt sich auch bei der Selbsteinschätzung der digitalen Kompetenzen im Digitalbarometer wieder, wo die Über-65-Jährigen weit schlechter abschneiden als die übrigen Altersgruppen, wenn es um den Umgang mit Informationen und Daten, digitale Kommunikation und Zusammenarbeit, die Erzeugen von digitalen Inhalten oder das Lösen von IT-Problemen geht.
Die Hälfte der Über-76-Jährigen ist offline
Der im Februar erschienene D21-Digital-Index 2021/2022 kommt mit Blick auf digitale Teilhabe ebenfalls zu dem Schluss, dass niedrig Gebildete und Ältere aus ihrer eigenen Sicht deutlich seltener von der Digitalisierung profitieren. Der Digitalisierungsgrad steige zwar grundsätzlich in allen Bevölkerungsteilen, allerdings stehe die Generation der vor 1945 Geborenen, also die Über-76-Jährigen, überwiegend im digitalen Abseits. Aus dieser Altersgruppe sind demnach 53 Prozent Offliner:innen und 12 Prozent Minimal-Onliner:innen, während bei den Über-65-Jährigen nur 13 Prozent Offliner:innen und immerhin 16 Prozent „reflektierte Profis“ sind. Die Hälfte der 66- bis 75-Jährigen wird in der Studie als konservative Gelegenheitsnutzer:innen typisiert. Dementsprechend überrascht es nicht, dass die älteren Generationen die Digitalisierung stärker als Gefahr für die Demokratie denn als Chance begreifen, so ein weiteres Ergebnis des Digital-Index.
Hinsichtlich der digitalen Kompetenzen stellt der Index fest, dass diese mit steigendem Alter tendenziell zwar abnehmen,
„aber nicht kontinuierlich, sondern eher in Form einer Zweiteilung: Mit niedrigen Kompetenzlevels befinden sich die BabyboomerInnen (56 bis 65 Jahre) und alle älteren Generationen auf der einen Seite. Auf der anderen alle ab der Generation X (41 bis 55 Jahre) mit überdurchschnittlichen digitalen Fähigkeiten.“
Gestiegene Nutzung und digitaler Stress
Etwas positivere Ergebnisse liefert eine repräsentative Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, die von Mitte Dezember 2021 bis Anfang Januar 2022 durchgeführt wurde und vor allem die Auswirkungen der Corona-Pandemie unter die Lupe genommen hat. Demnach hat die Nutzung digitaler Technologien in Deutschland in den vergangenen beiden Jahren deutlich zugenommen:
„Von den Seniorinnen und Senioren nutzen mittlerweile drei Viertel (75 Prozent) digitale Technologien häufiger als zuvor – vor einem Jahr war das erst bei der Hälfte (51 Prozent) der Fall.“
Bitkom-Präsident Achim Berg machte gar „einen echten Digital-Boom“ unter älteren Menschen aus. Allerdings sagte auch die Hälfte der Seniorinnen, dass die Digitalisierung und vermehrte Bildschirmzeit sie belaste – wie bereits bei der Befragung ein Jahr zuvor. In den Altersgruppen unter 65 Jahren ist der empfundene Stress durch die Digitalisierung seitdem hingegen zurückgegangen.
Der Digitaltag im BASECAMP
All diese Studien- und Umfrageergebnisse verdeutlichen, dass es wichtig ist, sich weiterhin um die Digitalkompetenzen älterer Menschen zu bemühen und sie mit bedarfsorientierten Angeboten zur Digitalisierung zu unterstützen. Ein solches Angebot ist unter anderem der jährliche Digitaltag, der am 24. Juni zum dritten Mal stattgefunden hat und zu mehr Partizipation, Engagement und Kompetenzen in der digitalen Welt beitragen soll.
Zu diesem bundesweiten Aktionstag fand auch im BASECAMP ein Mitmach-Event statt, das von der Stiftung Digitale Chancen und Telefónica Deutschland im Rahmen des Projekts „Digital mobil im Alter“ veranstaltet wurde. Dazu kamen mehr als 40 Senior:innen in die Mittelstraße, um gemeinsam über die Bedeutung von Zukunftstechnologien und digitalen Kompetenzen sowie über Hindernisse und Risiken zu sprechen.
In einem tollen Vortrag vermittelte Robotik-Experte Rainer E. Becker zunächst einen spannenden Eindruck der Chancen und Einsatzmöglichkeiten von Robotern und maschinellem Lernen. Anschließend ging es für die Teilnehmer:innen vor allem darum, Dinge der digitalen Welt kennenzulernen und selbst auszuprobieren. Dafür konnten die Senior:innen einen Erlebnisparcours mit sieben Stationen absolvieren und verschiedene Technologien testen: Wie funktioniert Künstliche Intelligenz? Was muss man beim Programmieren beachten? Wie fühlen sich Virtual Reality und digitale Spiele an? Was ist das Besondere an Sprachassistenten und digitalen Uhren? Was steckt hinter 5G und mobiler Datenübertragung? Wie arbeiten humanoide Roboter?
All diese und weitere Fragen wurden durch praktisches Ausprobieren beantwortet. Die anwesenden Senior:innen waren durchweg neugierig auf die verschiedenen Geräte und Erklärungen und zeigten sich zum Teil beeindruckt von der Technik:
„Was mich fasziniert hat, waren die Roboter und ihre Möglichkeiten der Arbeitserleichterung für uns Menschen.“ (ein Teilnehmer)
„Besonders spannend fand ich die Virtual-Reality-Weltreise.“ (eine Teilnehmerin)
Die Veranstaltung stieß insgesamt auf positives Echo bei den Teilnehmer:innen und hat hoffentlich einen Beitrag zur Vermittlung von Digitalkompetenzen leisten können. Der Dank einer Teilnehmerin, „ich finde es gut, dass es solche Angebote für uns Ältere gibt“, zeigt, dass solche Mitmach-Events ein Weg sein können, um möglichst viele Senior:innen für die Digitalisierung zu gewinnen.
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