Digitalsprecher im Bundestag: Alle wollen mitreden
Foto: CC BY-SA 2.0 Flickr User BriYYZ. Bildname: View of the Plenary Chamber of the Bundestag from the Dome of the Reichstag. Reconstruction design by Norman Foster. Ausschnitt bearbeitet
In der Digitalpolitik ist einiges anders als in der vergangenen Legislaturperiode. Nicht nur sind alle Mitglieder der Bundesregierung jetzt – irgendwie – Digitalminister und erarbeiten gemeinsam im Digitalausschuss des Kabinetts eine Digitalisierungsstrategie, auch bei den Fraktionen im Bundestag wollen immer mehr Politiker(innen)„mitreden“. Das zeigt sich auch an dem aktuellen Trend, nach dem es in den Bundestagsfraktionen für immer mehr Teilbereiche der Digitalisierung eigene Sprecher gibt. Hinzu kommen die „informellen“ Sprecher(innen), die auf Twitter oder in den Medien häufig ihre Digitalexpertise unter Beweis stellen, obwohl sie keine Sprecherfunktion haben. Auch interessant: Verschiedene Sprechergruppen vertreten teilweise sehr unterschiedliche digitalpolitische Positionen – z.B. in der Union die Rechtspolitiker vs. Digialpolitiker. UdL Digital schlüsselt auf, wer im Bundestag zu Digitalthemen spricht.
Gebündeltes Fachwissen
Die Grünen nutzen das fachspezifische Wissen ihrer Fraktionsmitglieder aus und haben allein fünf Sprecher(innen) für Digitalthemen benannt. Die beiden jüngsten und erst 2017 neu in den Bundestag eingezogenen Abgeordneten (beide Jahrgang 1983) sind Anna Christmann und Danyal Bayaz. Vor seiner Wahl in den Bundestag war Bayaz als Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group in den Arbeitsbereichen Digitalisierung, Arbeit 4.0 und Finanzmärkte tätig. Für seine Fraktion ist er nun Start-up-Beauftragter. Anna Christmann arbeitete vor ihrer Bundestagszeit an der Digitalisierungsstrategie der baden-württembergischen Landesregierung mit. In ihrer Fraktion spricht sie nun zu den Themen Innovations- und Technologiepolitik. Gemeinsam mit Dieter Janecek, der zum zweiten Mal im Bundestag sitzt und Sprecher für digitale Wirtschaft und digitale Transformation ist, haben sie im Dezember 2017 in einem Strategiepapier dargelegt, wie man technologischen Fortschritt und Ökologie in Einklang bringen kann.
Zu diesem „digitalen Wirtschaftstrio“ hinzu kommen Tabea Rößner, die in dieser Legislatur Sprecherin für Netz- und Verbraucherpolitik ist, sowie die medienpolitische Sprecherin Margit Stumpp, die auch Bildungsexpertin ist und im Rahmen der Enquete-Kommission zur beruflichen Bildung in der digitalen Arbeitswelt noch stärker in Erscheinung treten dürfte. Der ehemalige netzpolitische Sprecher, Konstantin von Notz, spricht zudem weiter als stellvertretender Fraktionsvorsitzender zu den „großen Linien“ der Digitalpolitik, vor allem aber zur Innenpolitik. Fun Fact: Die offizielle Sprecherrolle, die er innerhalb seiner Fraktion wahrnimmt, ist die für „Religion und Weltanschauungen“. In einem Leben vor der Digitalpolitik hatte von Notz zu evangelischem Kirchenrecht promoviert.
Digitalpolitiker vs. Rechtspolitiker
Wichtigster Digitalsprecher bei den Christdemokraten ist der seit 2009 im Bundestag vertretene Jurist Tankred Schipanski. Im April wurde er als Nachfolger von Thomas Jarzombek zum neuen digitalpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewählt. Er ist langjähriges Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda und war zwischen 2010 und 2013 stellvertretendes Mitglied in der „Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft“. Im Interview mit UdL Digital im Mai sagte er, dass er sich eine „konstruktive und sachorientierte Zusammenarbeit“ mit seinen Sprecherkollegen Jens Zimmermann (SPD), Dieter Janecek (Grüne) und Manuel Höferlin (FDP) erhofft.
Unterstützung bekommt er von der stellv. CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Nadine Schön, die u.a. für Digitales zuständig ist. Aber auch die rechtspolitische Sprecherin, Elisabeth Winkelmeier-Becker, meldet sich bei Digitalthemen häufig zu Wort – wenn auch mal mit anderen Ansichten als die Digitalexperten in den eigenen Reihen. Im Streit um die Entscheidung über die Urheberrechtsreform im EU-Parlament Anfang Juli hatten beispielsweise die Digitalpolitiker aus der Union an die deutschen EU-Abgeordneten der CDU und CSU appelliert, gegen die geplanten Upload-Filter und das fünfjährige Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet zu stimmen. Winkelmeier-Becker und weitere Rechtspolitiker von CDU und CSU riefen die Mitglieder der konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) hingegen auf, die Vorlage von Berichterstatter Axel Voss (CDU) zu befürworten.
SPD mit informeller Sprecherin
In der SPD sind die Sprecher(innen) der Arbeitsgruppen zugleich Obleute im jeweiligen Ausschuss. Sprecher der AG Digitale Agenda und in dieser Funktion Nachfolger von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ist Jens Zimmermann. Der Wirtschaftswissenschaftler ist seit 2013 Bundestagsabgeordneter. In der 18. Wahlperiode war er ordentliches Mitglied sowohl im Ausschuss Digitale Agenda als auch im Finanzausschuss. Zudem war er stellvertretendes Mitglied im NSA-Untersuchungsausschuss. Als stellvertretender Fraktionsvorsitzender zuständig für Verkehr und Digitale Infrastruktur, Bau und Digitale Agenda ist Sören Bartol. Neben Zimmermann und Bartol kommt Saskia Esken als heimliche „inoffizielle“ digitalpolitische Sprecherin hinzu. Auf dem Papier ist sie „nur“ stellvertretende Sprecherin der AG Digitale Agenda – doch eigentlich steht sie mehr als Bartol im Presserampenlicht, wenn sie sich zu digitalen Themen zu Wort meldet. Hinzu kommt ihre muntere Twitter-Aktivität. Kein Wunder, dass sie häufig als die Digitalexpertin der Fraktion wahrgenommen wird.
Zwei bei FDP und Linke
Für die Fraktion Die Linke ist Anke Domscheit-Berg Sprecherin für Netzpolitik. Bis 2011 war sie Unternehmensberaterin bei Accenture und McKinsey. Seit 2011 war sie als Publizistin und Unternehmensgründerin selbstständig tätig. Domscheit-Berg wird unterstützt durch Petra Pau als gesonderte Sprecherin für IT-Sicherheit. Ein Wörtchen mit redet in der Linksfraktion auch Jessica Tatti, die Sprecherin für Arbeit 4.0. Nachdem die damalige SPD-Arbeitsministerin und heutige Parteivorsitzende Andrea Nahles die Zukunft der Arbeit in der 18. Legislaturperiode zu ihrem Lieblingsthema gemacht hat, hat nun offenbar auch die Linke die Relevanz des Themas für ihre Zielgruppe entdeckt.
Manuel Höferlin ist digitalpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Auch sein Parteikollege Jimmy Schulz ist als Vorsitzender des Ausschusses Digitale Agenda für die Vermittlung digitalpolitischer Arbeit zuständig. Beide waren von 2009 bis 2013 Mitglied in der „Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft“ und sind neben dem Digitalausschuss im Innenausschuss vertreten. Das digitalpolitische „Dream-Duo“ der Freien Demokraten kann offenbar nicht ohne einander: Wenn man Höferlin heutzutage auf einem Podium zuhört wie er über die digitalpolitischen Positionen seiner Fraktion spricht beginnt beinahe jeder zweite Satz mit „Jimmy und ich…“. So auch bei der vergangenen „Bitkom@8“-Veranstaltung im Telefónica BASECAMP am 3. Juli.
Kaum Digitalkompetenz in der AfD
Nur ein fachpolitischer Sprecher für Digitalisierung ist bei der AfD-Fraktion zu vernehmen. Uwe Kamann ist Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss Verkehr und digitale Infrastruktur, Vorsitzender des Arbeitskreises Digitale Agenda. Als der Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland in einem ZDF-Interview durch gänzliche Ahnungslosigkeit bei Digitalthemen auffiel, meldete Kamann sich zu Wort und gab zerknirscht Versäumnisse seiner Partei und Fraktion zu.