Digitalpolitik: SPD- und CDU-Ministerien legen Papiere vor

Veröffentlicht am 14.06.2017

Vor dem Digitalgipfel haben mehrere Ministerien gemeinsame Papiere zur Netzpolitik vorgelegt. Der Zusammenschluss der Häuser erfolgte entlang der Parteigrenzen: Die SPD-geführten Ministerien für Wirtschaft und Energie (BMWi), Arbeit und Soziales (BMAS) sowie für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) stellen auf mehr als 80 Seiten ihre Positionen zu „Digitalpolitik für Wirtschaft und Verbraucher“ dar. Die CDU-Minister für Forschung und Gesundheit, Johanna Wanka und Hermann Gröhe, erklären sich auf knapp anderthalb Seiten zum Thema E-Health.

Das Papier aus den SPD-Ministerien enthält viel Bekanntes: Es handelt sich in weiten Teilen um eine Zusammenstellung von Inhalten aus dem Weißbuch zu digitalen Plattformen des BMWi und aus dem Weißbuch zu Arbeit 4.0 des BMAS. Große Teile bestehen aus der Beschreibung bereits umgesetzter Gesetzesinitiativen aus dieser Legislaturperiode oder der Aufzählung von legislativen Prozessen auf EU-Ebene.

Vorschläge zur Produkthaftung

Ausführlicher als in früheren Publikationen sind die Ausführungen zum Thema Cybersicherheit und Produkthaftung. Als mögliche Elemente eines Gesamtkonzeptes zur IT-Sicherheit mit Blick auf das Internet der Dinge (IoT) werden genannt:

  • „Europaweit geltende IT-Sicherheitsvorschriften (‚Digitales Produktsicherheitsrecht‘), die verpflichtende Mindestanforderungen enthalten und durch ein Marktaufsichtssystem kontrolliert werden. Voraussetzung hierfür ist die Festlegung von technischen Normen und Leitlinien, wie sie derzeit exemplarisch für Internet-Router entwickelt werden.“
  • die Einführung eines freiwilligen IT-Gütesiegels
  • „ein ‚Update‘ für unser Vertragsrecht“. „Ausgangspunkt für dessen Überprüfung ist, dass es für die Gebrauchstauglichkeit und IT-Sicherheit von vernetzten Geräten nicht mehr alleine auf die Fehlerfreiheit des Geräts zum Kaufzeitpunkt ankommt, sondern Softwareaktualisierungen über die Dauer des Produktlebenszyklus notwendig geworden sind“.

Folgende Konsequenzen aus dieser Erkenntnis können sich die drei SPD-geführten Ministerien vorstellen:

  • „Eine Verlängerung der Gewährleistungspflichten und der Beweislastumkehr in Bezug auf verbundene Software,
  • die europaweite Einführung von gewährleistungsähnlichen Ansprüchen gegenüber dem Hersteller, der dann
  • auch für die Bereitstellung von digitalen Dienstleistungen haftet, sowie die Einführung einer ‚Update-Pflicht‘ für einen noch näher zu definierenden Zeitraum.“

Im Kapitel zur „Verbraucherpolitik 4.0“ werden eine Reihe von „Gefährdungen“ aus Verbrauchersicht aufgezählt:

„Digitale Vielfalt wird durch Prozesse der Marktkonzentration (vor allem im Bereich der Plattformen) bedroht, offene Kommunikation in sozialen Netzwerken wird durch Algorithmen gefiltert, Netzneutralität wird durch Anbieter in Frage gestellt, neue digitale Anwendungen werden durch die Weitergabe von personenbezogenen Daten erkauft, der Zugang zu Daten kann zu Profilbildung führen und Algorithmen können Verbraucherverhalten beeinflussen.“

Als wirksame Gegenstrategie hat sich nach Ansicht der Autoren des Papiers „unser deutsches Modell einer dualen Rechtsdurchsetzung erwiesen: Durch eine Kombination aus zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Instrumenten profitieren Verbraucherinnen und Verbraucher und seriöse Anbieter von den Vorteilen der jeweiligen Durchsetzungssysteme.“ Als Schwerpunkte für den weiteren Ausbau der dualen Rechtsdurchsetzung werden genannt:

  • die mögliche Einführung einer Musterfeststellungsklage
  • die Bündelung von Kompetenzen im BMJV, „die zum Beispiel die Überwachung der Berichtspflichten sozialer Netzwerke, die Aufgaben als zuständige Behörde und zentrale Verbindungsstelle nach dem Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetz und die Funktion als Einrichtung zur Marktbeobachtung wirkungsvoll wahrnehmen können.“
  • die Stärkung des Bundeskartellamtes mit der Übertragung der Befugnis, „bei systematischen Verstößen gegen verbraucherrechtliche Vorschriften und Verfahren mit entsprechender Signalwirkung tätig zu werden.“ Dabei soll die Behörde ausschließlich öffentliche Interessen tätig werden und keine individuelle Rechtsdurchsetzung für Verbraucher betreiben.
  • die bessere Befähigung der Bundesnetzagentur und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, digitale Herausforderungen zu erkennen und schnell zu handeln.

SPD-Ministerien fordern Digitalagentur

An mehreren Stellen des Papiers wird die Forderung nach einer Digitalagentur erwähnt, die auch schon im Weißbuch „Digitale Plattformen“ erhoben wird. Sie wird als „Think Tank“ beschrieben, der die wissenschaftliche Beratung der Bundesregierung in Digitalisierungsfragen verbessern soll. Eine abgestimmte Position, wie die Digitalpolitik in der neuen Bundesregierung organisiert sein sollte, findet sich nicht in dem Papier. Es heißt lediglich, dass innerhalb der Bundesregierung Koordinierungs- und Entscheidungsstrukturen geschaffen werden sollen, „um mit dem Tempo der digitalen Transformation mitzuhalten und schneller politische Entscheidungen herbeizuführen.“

Diese und andere Passagen des Papiers werden vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) scharf kritisiert. „Statt die digitale Entwicklung Deutschlands in einem Ministerium aktiv und auf Augenhöhe mit anderen politischen Partikularinteressen zu gestalten, wollen die Minister sie weiterhin als Randnotiz behandeln. In einer Digitalagentur regulieren sie dann reaktiv und bürokratisch, was sie auf legislativer Ebene versäumt haben“, sagte BVDW-Präsident Matthias Wahl. Insgesamt bezeichnet er die empfohlenen Maßnahmen als „geprägt von Regulierung, Protektionismus und Bürokratisierung“: „Die sind die natürlichen Feinde des Fortschritts“, so Wahl.

Erklärung von BMBF und BMG

Gegen das Werk der SPD-Ministerien und das ausführliche BMWi-Papier zu E-Health fällt die Stellungnahme der CDU-Minister Wanka und Gröhe mit drei Vorschlägen recht schlank aus. Sie kündigen an, eine „Dialog- Plattform Digitale Gesundheit“ gründen, die Einführung elektronischer Patientenakten vorantreiben und zukünftig verstärkt Projekte fördern zu wollen, „die die Möglichkeiten moderner digitaler Dienstleistungen und Infrastrukturen im Gesundheitsbereich für den Bürger zeigen“. Wie sie die Einführung von elektronischen Patientenakten im Einzelnen vorantreiben wollen, lassen Wanka und Gröhe offen. Im Papier heißt es dazu lediglich, „Datenschutz und Datensicherheit haben dabei herausragende Bedeutung“.

Digitalpolitik-Default-Motiv-1500x984Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte moniert, dass das Tempo der Digitalisierung nach wie vor „zu wünschen übrig“ lasse und die Gesundheitswirtschaft in Deutschland „zu den am wenigsten digitalisierten Branchen“ zähle. Die Ressortchefs für Bildung und Forschung sowie Gesundheit sehen sich dagegen auf einem guten Weg. Mit dem „E-Health-Gesetz“ habe das BMG die Basis „für ein sicheres digitales Datennetz im Gesundheitswesen“ geschaffen. „Darauf aufbauend müssen jetzt entschlossen weitere Schritte gegangen werden“, schreiben Wanka und Gröhe. Ziel sei es, „dass jeder Arzt, jeder Patient und jeder Forscher in Zukunft unter Wahrung der Selbstbestimmung des Einzelnen Zugang zu den für ihn erforderlichen Informationen hat“.

Dazu müssten die stetig größer werdenden Datenmengen „zusammengebracht und ausgewertet werden – dann können sie uns helfen, Krankheiten besser zu verstehen und zu behandeln“, so Wanka. Mit dem Start der „Medizininformatik-Initiative“ habe ihr Haus einen großen Schritt in diese Richtung getan. Insgesamt 100 Millionen Euro investiert das BMBF über das im November 2015 aufgelegte „Förderkonzept Medizininformatik“ in die Verbesserung von Forschungsmöglichkeiten und Patientenversorgung durch innovative IT-Lösungen.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Sascha Klettke ist Chef vom Dienst und Analyst für Netzpolitik. Stephan Woznitza ist Analyst für Gesundheitspolitik.

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